Einsteiger

Wenn alle Stricke reißen

Von am 10.03.2025

Wer kennt das nicht? Alles schien perfekt geplant: Der Zeitplan war festgelegt, die Meilensteine durchdacht und die ersten Wochen verliefen vielversprechend – zumindest auf dem Papier. Doch plötzlich schlägt das Schicksal zu: Ein unerwartetes technisches Problem tritt auf, wichtige Mitarbeiter fallen aus, und zudem verzögern sich Materiallieferungen. Das Projekt droht ins Wanken zu geraten, und der Druck im Kessel steigt. Was also tun, wenn der Zeitplan kollabiert?

Michael K. leitet ein großes IT-Projekt zur Einführung eines neuen Kernbankensystems. Anfänglich war sein Zeitplan gut strukturiert. Die Meilensteine waren klar definiert, und das Team arbeitete engagiert an der Umsetzung. Doch nach einigen Wochen gab es erste Herausforderungen: Ein technisches Problem mit der Software sorgte für Verzögerungen bei den Tests, während gleichzeitig zwei Schlüsselmitarbeiter aufgrund von Krankheit ausfielen. Diese personellen Engpässe führten in der Folge zu einer Überlastung der verbliebenen Teammitglieder und die Qualität der Arbeit begann darunter zu leiden. Zudem gab es Lieferverzögerungen bei wichtigen Hardwarekomponenten, die für die Implementierung dringend benötigt wurden.

Der Druck auf Michael stieg von Tag zu Tag. Er musste nicht nur sämtliche Abteilungsleiter der Bank über die Verzögerungen informieren, sondern auch Lösungen finden, um das Projekt wieder auf Kurs zu bringen. In Meetings wurde er zunehmend mit Fragen und Bedenken konfrontiert, was ihm schlaflose Nächte bereitete. In einer solchen Situation geraten viele Projektleiter in Panik und neigen dazu, vorschnelle Entscheidungen zu treffen, ohne die Situation vorher gründlich analysiert zu haben. Das verursacht meist nur weitere Komplikationen. Außerdem schädigen derartige Panikreaktionen das Vertrauen der Stakeholder und nicht zuletzt das des Teams.

Wenn der Zeitplan ins Wanken gerät und der Endtermin immer unrealistischer wird, hilft eines ganz bestimmt nicht: Panik! – Klar: Niemand hört gerne, dass ein Projekt in Verzug geraten ist, aber wenn alle Stricke reißen, sollte man als Projektleiter erst einmal einen kühlen Kopf bewahren.

Wenn Projekte ins Stocken geraten und Deadlines zu wackeln beginnen, besteht kein Grund zur Panik. Um das Vertrauen des Teams und der Stakeholder zu wahren, ist es wichtig, zügig zu reagieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Zunächst sollte allerdings die Situation gründlich analysiert werden, um die größten Herausforderungen zu identifizieren und praktikable Lösungen zu entwickeln. Denn durch gezielte Maßnahmen kann man ein Projekt auch wieder auf Kurs bringen.

Foto: Gajus auf iStockphoto

Mach Dir ein Bild der Lage

Mach Dir zunächst ein klares Bild der aktuellen Lage. Eine solche Situationsanalyse ist ein entscheidender erster Schritt, um Verzögerungen in einem Projekt zu verstehen und anzugehen. Dabei ist es wichtig, die Ursachen für die aktuellen Schwierigkeiten systematisch zu identifizieren. Vor allem das offene Gespräch mit dem Team kann hier wertvolle Einblicke in die möglichen Probleme bieten, sei es durch unklare Anforderungen, Ressourcenengpässe oder technische Schwierigkeiten. Das Ziel dieser Analyse ist es, ein klares Bild der aktuellen Schwierigkeiten zu erhalten und die Hauptursachen für die Verzögerungen zu erkennen:

  • Was genau sind die größten Hindernisse? Wo hakt es besonders?
  • Welche Aufgaben sind am kritischsten für den Projektfortschritt?
  • Welche externen Faktoren behindern das Projekt zusätzlich?

Diese Liste ist die Grundlage für Deinen kleinen Krisenmanagement-Plan. Setze Dich in Ruhe hin und überlege Dir im nächsten Schritt zu jedem Problem eine gezielte Maßnahme, wie Du gedenkst, die einzelnen Probleme in den Griff zu bekommen.

Sprich offen mit den Stakeholdern

Eine ehrliche und transparente Kommunikation ist jetzt wichtiger denn je, um Vertrauen in Deine Fähigkeiten als Projektleiter zu schaffen – auch und gerade wenn es mal nicht „rund“ läuft. Natürlich hört niemand gerne, dass ein Projekt in Verzug geraten ist. Aber noch schwieriger wird es, wenn Du irgendwann „völlig überraschend“ beichten musst, dass der Projektplan nicht mehr zu halten ist, weil Du über Wochen und Monate die Probleme kleingeredet hast.

In einer schwierigen Projektsituation ist es wichtig, regelmäßig über die Herausforderungen und den aktuellen Stand des Projekts zu informieren. Dies kann durch Meetings, Statusberichte oder digitale Kommunikationsplattformen geschehen. Dein Ziel sollte es sein, alle Beteiligten auf dem gleichen Stand zu halten und ein gemeinsames Verständnis für die Schwierigkeiten und Herausforderungen im Projekt zu entwickeln. Dabei solltest Du sowohl die Probleme als auch die geplanten Lösungsansätze klar kommunizieren. Durch diese offene Kommunikation kannst Du ein kooperatives Umfeld schaffen, in dem gemeinsam an Lösungen gearbeitet werden kann, was letztlich dazu beiträgt, Dein Projekt wieder auf Kurs zu bringen.

Setze neue Prioritäten

Wenn der Projektfortschritt ins Stocken geraten ist und Dein Zeitplan langsam aber sicher kollabiert, solltest Du zügig die wichtigsten Aufgaben identifizieren, die den größten Einfluss auf den Projekterfolg haben. Durch eine klare Priorisierung kannst Du Ressourcen gezielt einsetzen, um kritische Meilensteine zu erreichen und Engpässe zu vermeiden.

Um dies zu erreichen, solltest Du zusammen mit Deinem Projektteam zunächst alle verbleibenden Aufgaben auflisten und deren Dringlichkeit sowie Bedeutung für das Gesamtziel bewerten. Dein Ziel sollte es sein, den Fokus auf die wesentlichen Aktivitäten zu legen und sicherzustellen, dass alle Teammitglieder ihre Anstrengungen auf die priorisierten Aufgaben konzentrieren. Durch diese strategische Herangehensweise wird nicht nur die Effizienz gesteigert, sondern auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Dein Projekt doch noch erfolgreich abgeschlossen wird.

Passe die Ressourcen an

Ein weiterer Erfolgsfaktor ist zweifellos das Anpassen der Ressourcen, um Engpässe in einem Projekt zu beheben und die Arbeitslast effektiv zu verteilen. Wichtig ist, dass Du feststellst, wo Überlastungen oder Unterauslastungen bestehen. Dein Ziel sollte es sein, sicherzustellen, dass alle Teammitglieder optimal eingesetzt werden und die verfügbaren Ressourcen effizient genutzt werden. Dazu gehört auch die Möglichkeit, zusätzliche Ressourcen zu mobilisieren, sei es durch externe Unterstützung oder durch Umverteilung von Aufgaben innerhalb des Teams. Letztlich trägt eine kluge Ressourcenanpassung dazu bei, den Projektzeitplan wieder einzuhalten und die gesetzten Ziele zu erreichen.

Bewerte den Zeitplan neu

Wenn die geplanten Termine und Fristen nicht mehr realistisch sind, dann ist es wichtig, den ursprünglichen Zeitplan kritisch zu hinterfragen und anzupassen. Du solltest in jedem Fall neue Fristen festlegen, die sowohl erreichbar als auch sinnvoll sind. Dies erfordert eine gründliche Analyse der verbleibenden Aufgaben, Ressourcen und potenziellen Risiken.

Dein Ziel sollte es sein, einen klaren und umsetzbaren Zeitrahmen zu schaffen, der alle Beteiligten motiviert und gleichzeitig realistische Erwartungen setzt. Um dies zu erreichen, solltest Du mit Deinem Projektteam einen Workshop durchführen. Es gilt, den aktuellen Stand zu diskutieren und gemeinsam neue Termine zu definieren. Dabei sollten alle Stakeholder einbezogen werden, um sicherzustellen, dass ihre Perspektiven und Bedürfnisse berücksichtigt werden.

Alles halb so schlimm

Projekte geraten immer wieder aus dem Takt – entscheidend ist, wie man als Projektleiter darauf reagiert. Ein kühler Kopf, klare Kommunikation und eine pragmatische Neuausrichtung der Prioritäten helfen, den Überblick zu behalten und den Projektfortschritt zu sichern. Auch wenn nicht immer alle Entscheidungen sofort getroffen werden können, hilft ein flexibler Umgang mit Workarounds, das Projekt dennoch voranzubringen. Wenn Du dann den offenen Austausch mit allen Beteiligten pflegst, lässt sich selbst ein Scheitern des Projekts in der Regel noch abwenden.

Survival-Tipps

  • Mach Dir ein Bild von der aktuellen Lage im Projekt und identifiziere die Ursachen der Verzögerungen. Bewerte die Projektsituation gründlich, bevor Du voreilige Schlüsse ziehst.
  • Sprich mit den Stakeholdern offen und transparent über die aktuelle Lage im Projekt. Hüte Dich davor, die Probleme kleinzureden, sondern nenne die Herausforderungen beim Namen.
  • Setze die Prioritäten neu. Priorisiere wichtige Aufgaben, um Ressourcen gezielt einzusetzen und kritische Meilensteine zu erreichen.
  • Passe die Ressourcen an. Mobilisiere zusätzliche Mitarbeiter oder nimm eine Umverteilung vor, um Engpässe zu beheben und die Arbeitslast neu zu verteilen.
  • Bewerte den Zeitplan und nimm realistische Anpassungen vor, um neue Fristen und Termine festzulegen und sicherzustellen, dass alle Beteiligten informiert sind.
  • Behalte Dein Team im Auge. Unterstütze und motiviere Deine Projektmitarbeiter, um die Moral hochzuhalten und dafür zu sorgen, dass weiterhin alle an einem Strang ziehen.

Mario Neumann

Der Trainer und Autor schreibt seit 2021 in diesem Online-Magazin locker und pragmatisch über Projektmanagement. Für seine Arbeit wurde er schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle seine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.