Einsteiger

Frühe Signale für das Scheitern

Von am 10.04.2024

Wenn ein Projekt gescheitert ist, lassen sich die Ursachen im Nachhinein ausführlich erörtern. Das mag mit Blick auf künftige Vorhaben sinnvoll sein, ist im konkreten Fall aber nur ein schwacher Trost. Besser wäre es, das Unheil schon im Vorfeld zu erkennen und zu verhindern.

Warum Projekte häufig ihre Ziele verfehlen, ist eingehend untersucht. Aus Studien wie zum Beispiel den Reports des US-Beratungsunternehmens The Standish Group geht hervor, dass dahinter immer wieder die gleichen Ursachen stehen. Es empfiehlt sich, diese Hindernisse bereits vor dem eigentlichen Projektstart zu identifizieren und aus dem Weg zu räumen. Wie die Erfahrungen und Analysen gescheiterter Projekte zeigen, sollte der Projektleiter vor allem auf fünf Frühwarnsignale achten:

Warnsignal 1

Euphorie und Optimismus

Gerade die besonders innovativen und ambitionierten Projekte erleiden häufig Schiffbruch. Je ehrgeiziger das Projekt, desto blauäugiger scheinen die Beteiligten an die Sache heranzugehen. Anfängliche Euphorie – nicht zu verwechseln mit gesunder Motivation – verleitet dazu, dass alle kollektiv bei Rot über die Ampel fahren: Da werden unrealistische Ziele angepeilt, unhaltbare Termine verfolgt, sämtliche Risiken ignoriert. Gerade das Top-Management neigt dazu, sich von den Verheißungen einer neuen Idee blenden zu lassen.

Wenn am Anfang alle optimistisch, ja fast euphorisch klingen, besteht die Gefahr, dass sich die hochfliegenden Pläne bald als Illusion herausstellen. Dem Projektleiter bleibt dann die unangenehme Aufgabe, das Projekt später kräftig abspecken zu müssen.

Mein Tipp: Umgehe die Optimismusfalle, indem Du umfangreiche Tests veranstaltest. Ein Proof of Concept bewahrt Dich später vor bösen Überraschungen. Lege außerdem fest, unter welchen Bedingungen Dein Projekt gestoppt wird. So lässt sich der Schaden für das Unternehmen in Grenzen halten.

Warnsignal 2

Projekte ohne Legitimation

Hat das Projekt einen klaren Auftrag? Hat es die Unterstützung durch die Geschäftsleitung? Wenn nicht, ist auch das ein klares Warnsignal. Fehlt die Unterstützung durch das Management, gerät das Projekt schnell in eine Sackgasse. Wenn sich die Entscheidungsträger nicht wirklich für das Projekt interessieren, werden notwendige Entscheidungen verschleppt oder gar nicht erst gefällt. Prioritäten bleiben unklar, der Zeitplan wird zur Makulatur – und keiner weiß mehr so recht, wohin die Reise gehen soll.

Wenn Sie als Projektleiter eine Entscheidung brauchen, gerade auch in kritischen Situationen, fehlt plötzlich der Ansprechpartner. Die Folge: Es kommt zu Verzögerungen, für die Sie eigentlich gar nichts können, die Sie aber verantworten müssen.

Mein Tipp: Vereinbare mit dem Auftraggeber von Anfang an klare und verbindliche Regeln für die künftige Zusammenarbeit. Gerade in kritischen (Entscheidungs-) Situationen musst Du mit seiner Unterstützung handlungsfähig bleiben. Animiere Deinen Auftraggeber dazu, sich persönlich für das Projekt zu engagieren. Auf diese Weise wird das Umfeld auf das Projekt aufmerksam und misst ihm Bedeutung bei.

Foto: Issy Bailey auf Unsplash

Warnsignal 3

Halbwissen statt Expertise

Die wenigsten Projekte scheitern an mangelnder Fachkompetenz, so hört man immer wieder. Diese Feststellung mag zwar stimmen, impliziert aber eine gefährliche Schlussfolgerung – nämlich dass es auf die Fachkompetenz nicht so sehr ankommt. Fehlendes technisches Wissen lässt sich nicht so einfach mal anlesen, wie das manche Manager gerne proklamieren. Dieser Glaube verleitet dazu, mit einem Team loszulegen, dem die notwendige Expertise fehlt. Ein Trugschluss: Fehlendes Knowhow lässt sich nicht schnell genug nachholen – und gefährdet den Projekterfolg.

Mein Tipp: Unterscheide zwischen Projekten, die sich im Kernbereich des Unternehmens bewegen, und Projekten, die sich auf Neuland vorwagen. Prüfe im zweiten Fall, ob die dafür erforderlichen Experten im Unternehmen vorhanden sind. Wenn nicht, besteht Handlungsbedarf: Thematisiere die Situation gegenüber dem Auftraggeber und greife gegebenenfalls auf externes Know-how zurück.

Warnsignal 4

Unklare und divergierende Ziele

Im Idealfall herrscht Klarheit über die Ziele, und das Projekt ist im Bewusstsein aller Beteiligten verankert. Jeder weiß, welche Bedeutung das Vorhaben hat, wozu es dient – und ist bereit, das Seine dazu beizutragen. Alle ziehen an einem Strang.

Wenn der Nutzen des Projekts und sein Beitrag zum Unternehmensziel jedoch nicht klar kommuniziert werden, droht noch eine andere Gefahr: Die beteiligten Abteilungsleiter verfolgen im Zusammenhang mit dem Projekt zunehmend eigene Ziele, die im Unklaren bleiben und den Projekterfolg gefährden. Die Gefahr ist dann groß, dass divergierende Ziele zwischen den Entscheidungsträgern das Projekt irgendwann sprengen.

Mein Tipp: Als Projektleiter tust Du gut daran, diesen Sprengsatz frühzeitig zu entschärfen. Handlungsbedarf besteht dann in zwei Richtungen: Im ersten Schritt gilt es, dem Auftraggeber die Bedeutung des Projekts bewusst zu machen, damit das Vorhaben bei ihm und damit auch im Unternehmen insgesamt eine hohe Priorität erlangt. Und im zweiten Schritt muss bei den übrigen Entscheidungsträgern Konsens über die Projektziele erreicht werden.

Warnsignal 5

Fehlende Unterstützung

Der Projektauftraggeber muss sich Zeit für das Projekt nehmen – eine ebenso notwendige wie einleuchtende Forderung. Doch allerorts beklagen Projektleiter die mangelnde Verfügbarkeit ihrer Auftraggeber. Sobald der Projektleiter das Projekt übernimmt, sind viele Auftraggeber der Meinung, dass ihre Mitwirkungspflicht dann endet. Und nicht selten liegt darin die Ursache für das spätere Scheitern des Projekts.

In vielen Fällen ist ein Projekt mit einer Vielzahl an internen und externen Einflüssen konfrontiert, die das Vorhaben fördern, aber auch behindern können. Die Volks- und Raiffeisenbanken warben einst mit dem Slogan „Wir machen den Weg frei.“ Ein ähnliches Rollenverständnis sollten auch Auftraggeber mitbringen. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben besteht darin, die Interessen des Projektes nach außen hin zu vertreten und mögliche Hindernisse rechtzeitig aus dem Weg zu räumen. Gerade solche Hindernisse führen regelmäßig zu Projektkrisen, die für das Projekt und manchmal auch für das ganze Unternehmen gefährlich werden können. In diesen Extremsituationen müssen Auftraggeber rechtzeitig eingreifen, um den Schiffbruch zu verhindern.

Mein Tipp: Als Projektleiter solltest Du den Auftraggeber als einen wichtigen Verbündeten sehen. Du wirst immer dann auf ihn angewiesen sein, wenn Deine persönliche Autorität und Deine Befugnisse nicht mehr ausreichen. Dein Projekt wird also nur dann erfolgreich verlaufen, wenn Du in kritischen Situationen auf die Unterstützung Deines Auftraggebers zählen kannst. Sorge also von Anfang an für eine gute Beziehung zwischen Dir und Deinem Auftraggeber.

Zur Person

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.