The Way of Agile

Gerne frage ich Menschen nach ihren Ansichten, Strategien und Thesen, da mich ihre Arbeit und Standpunkte faszinieren. Für meine Kolumne NACHGEFRAGT habe ich mit Sidra Sammi gesprochen. Sie ist überzeugt, dass ein agiles Vorgehen Organisationen ermöglicht, den Fluss der Wertschöpfung für Kunden zu optimieren. Ich habe bei Sidra Sammi nachgefragt, wie der Start leichter gelingt und welche Tipps es hinsichtlich The Way of Agile im Projektmanagement gibt.

Mario: Agile ermöglicht es Organisationen, schnell und flexibel auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren, ja im Idealfall sogar proaktiv zu handeln. Neben Methoden und Programmen, die ohne Zweifel wichtig sind, was ist deiner Meinung nach der Schlüssel für den nachhaltigen Erfolg eines agilen Projektmanagements in Unternehmen?

Sidra Sammi: Natürlich müssen Unternehmen auf die Aktualität des Wissens hinsichtlich der Methoden achten, hier also möglichst up-to-date sein. Um allerdings die konsequente Umsetzung im Tagesgeschäft sicherzustellen, ist für mich die zentrale Schlüsselstelle der Mensch oder noch besser das Team. Erst im kollaborativen Miteinander, dank offener Kommunikation und wertschätzender Kooperation, wird aus dem Plan „Wir arbeiten agil“ ein gemeinsamer Weg und schließlich eine erfolgreiche Umsetzung. Ein wesentlicher Baustein ist agiles Projektmanagement, weil immer mehr Unternehmen ihr gesamtes Geschäftsmodell auf einen projektbasierten Ansatz umstellen. Dementsprechend sind zukünftig auch Kompetenzen rund um das Projekt- und Programm-Management für Führungskräfte und Mitarbeiter gleichermaßen unumgänglich. Stimmt die Performance eines Projektes grundlegend, haben Mitarbeiter dank Agile mehr Möglichkeiten, das eigene Tun und Prozesse schnell an Veränderungen anzupassen und den Kunden ebenso rasch den nicht nur gewünschten, sondern im Markt geforderten Mehrwert zu bieten.

Mario: Gibt es konkrete Zahlen, die den Erfolg von Agile im Vergleich zu herkömmlichen Projektmanagement-Methoden belegen?

Sidra Sammi: Ja, die Plattform ZIPPIA The Career Expert berichtet anhand 16 erstaunlicher Statistiken rund um Agile u.a. folgendes: „Mindestens 71 % der US-amerikanischen Unternehmen setzen inzwischen Agile ein. Agile Projekte haben eine Erfolgsquote von 64 %, während Projekte nach der konkurrierenden Methode Wasserfall nur eine Erfolgsquote von 49 % haben. Vor diesem Hintergrund sind agile Projekte fast 1,5-mal erfolgreicher als Wasserfallprojekte. Nach der Einführung von Agile haben die Unternehmen im Durchschnitt 60 % mehr Umsatz und Gewinn erzielt.“  Agiles Projektmanagement passt einfach hervorragend zu unserer schnelllebigen Welt. Die Vorteile der Methode für Unternehmen liegen auf der Hand: eine höhere Produktqualität, eine Verringerung der Risiken und eine kontinuierliche Verbesserung – intern wie für Kunden. Aber auch die Mitarbeiter profitieren davon: Der proaktive Ansatz erfüllt die Anforderungen eines modernen Arbeitsumfeldes hinsichtlich mehr Transparenz und Flexibilität.

Mario: Warum tun sich dann viele Unternehmen immer noch so schwer mit Agile?

Sidra Sammi:  Viele Unternehmen haben sich bereits für den Übergang zu agilen Methoden und Praktiken entschieden, vielleicht sogar schon einmal das eine oder andere ausprobiert. Aber das reicht nicht! Um die Vorteile von Agile von Anfang an optimal zu nutzen bzw. zu maximieren, ist eine strategische und effektive Umsetzung entscheidend. Eine agile Transformation und der dafür notwendige Wandel in allen Organisationsbereichen erfordert ein intelligentes Veränderungsmanagement.

Mario: Und wie sorgen Unternehmen konkret dafür, dass es für alle Beteiligten eine möglichst reibungslose Reise und erfolgreiche Umsetzung wird?

Sidra Sammi: Wichtig ist vor allem, dass drei entscheidende Bereiche berücksichtigt werden. Zum einen die Stakeholder, dann das Team und natürlich die Führung.  Wie bei jeder Veränderung ist es auch bei der Einführung agiler Methoden ratsam, die Zustimmung aller Beteiligten zu gewinnen. Dafür braucht es zunächst einmal Klarheit über die Kosten, den Zeitplan und den Aufwand sowie über den Bedarf und die Vorteile. Die Einbeziehung und letztendlich die Akzeptanz der verschiedenen Interessengruppen von Anfang an stellt im zweiten Schritt sicher, dass ein Unternehmen während der gesamten Umstellung auf ein Netzwerk der Unterstützung zurückgreifen kann. Werden vor allem auch Probleme, mit denen das Unternehmen und/oder ein Team konfrontiert ist, klar dargelegt und offen kommuniziert, wo die agile Methodik eine hervorragende Lösung darstellt, kann dies helfen, eventuelle Hindernisse aus dem Weg zu räumen und gibt auch langfristig die Motivation und den Antrieb für eine erfolgreiche agile Umsetzung.

Mario: Du hast ganz am Anfang auf die Bedeutung der Kooperation hingewiesen. Wie sieht es denn ganz konkret mit der Führung und dem Geführt werden im agilen Umfeld aus?

Sidra Sammi: Damit Führung in einem agilen Umfeld nicht nur funktioniert, sondern eine ganz neue ebenfalls agile Form annimmt, braucht es auf der einen Seite (Führung) Vertrauen und auf der anderen Seite (Geführt werden) Selbstverantwortung. Dabei beginnt der Wandel immer von innen! Führungskräfte müssen bei der Umsetzung von Agile mit gutem Beispiel vorangehen, auch wenn das nicht immer leicht ist. Haben sich beispielsweise traditionelle Wasserfall-Praktiken festgesetzt,  kann es für alle schwierig sein, diese abzuschütteln. Führungskräfte müssen die Denkweise rigoros verändern. Weg von „Befehl und Kontrolle“ hin zu einem integrativen, flexiblen Ansatz, der Ehrlichkeit fördert und eine offene Kultur schafft. Schulungen stellen sicher, dass dieses Ziel gemeinsam erreicht wird. Eine kontinuierliche persönliche Weiterentwicklung ist also für alle – Mitarbeiter wie Führungskräfte – wesentlich. PRINCE2-Agile-Kurse führen beispielsweise zum Practitioner-Level, der Führungskräfte ideal auf ihrem Weg zum agilen Erfolg im Team begleitet.

Mario: Ein kultureller Wandel braucht also vor allem eines: Zeit, oder?

Sidra Sammi: Absolut richtig! Zeit, Zeit und noch einmal Zeit! Und Mut! Es ist zum Teil eine Revolution, die mit der Einführung von Agile einhergeht. Wer den Wandel anführt, muss beherzt Veränderungen vornehmen, z. B. die Teamstruktur umgestalten, Prozesse anpassen und  Rollen neu verteilen. Anstatt weitere Projektmitarbeiter einzustellen, die neue Aufgaben übernehmen, sollten Unternehmen ihre bestehenden Stellen überarbeiten. Dann ist es wichtig, dass alle Teammitglieder ein klares Verständnis ihrer neuen Aufgaben haben, um bei der Umstellung auf Agile die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Die Umstrukturierung eines Teams ist keine leichte Aufgabe, aber mit klaren Rollendefinitionen gelingt es, Vertrauen aufzubauen und den Prozess erfolgreich zu gestalten. Auch wenn es manchmal etwas länger dauert, bis alle an Bord sind – wenn in einem Arbeitsumfeld agile Praktiken tatsächlich gelebt werden, profitiert letztendlich jeder.

Mario: Was ist für dich abschließend der größte Stolperstein für den organisatorischen Wandel hin zu Agile?

Sidra Sammi: Da brauche ich nicht lange zu überlegen – es ist der Widerstand der Mitarbeiter. Neues zu lernen und dies in einem großen Stil umzusetzen liegt nicht jedem. Eine grundlegende Ursache für diesen Widerstand gegen Veränderungen ist oft mangelndes Verständnis. Wenn Mitarbeiter im Unklaren darüber gelassen werden, was der Grund für bestimmte Neuerungen und die notwendige agile Transformation ist, werden sie deutlich mehr Schwierigkeiten haben, Maßnahmen und Anforderungen zu verstehen und umzusetzen. Das führt zu Widerstand, der die Einführung von Agile unnötig verzögert. Ohne eine anpassungsfähige Denkweise im Management, in der Führung aber auch bei den Mitarbeitern ist der Fortschritt begrenzt und die Gefahr des Scheiterns groß. Nur wenn alle Beteiligten ein breites Spektrum an Fähigkeiten und ein tiefes Verständnis der agilen Methodik haben, können Unternehmen und Teams ein kollaboratives Arbeitsumfeld fördern. Tatsächlich sind und bleiben für mich die persönliche Anpassungsfähigkeit und damit verbunden die lebenslange Lernwilligkeit die beiden wichtigsten Eigenschaften für eine erfolgreiche agile Zukunft.

Mario: Liebe Sidra, herzlichen Dank, dass ich bei Dir nachfragen durfte.