Raus aus dem Stimmungstief
Emotionale Aspekte kommen in Projekten häufig viel zu kurz. Wenn aber ein Projekt in eine Krise geraten ist, dann treten diese Emotionen besonders stark zutage: Angst, Wut oder Resignation prägen dann die Stimmung im Projekt. Wer in einem gefährdeten Projekt das Ruder herumreißen will, muss allerdings zunächst den emotionalen Turnaround schaffen und das Projekt aus seiner Stimmungskrise holen.
Jochen B. leitet ein wichtiges Softwareentwicklungsprojekt seiner Firma. Die Stimmung im Projekt ist allerdings seit Wochen angespannt. Die Frist rückt näher, und das Team hat mit unerwarteten technischen Problemen zu kämpfen. Die ständigen Bugs und Verzögerungen haben zu Frustration und Unsicherheit geführt. Meetings sind von negativen Kommentaren geprägt, und die Teammitglieder ziehen sich emotional zurück. Anstatt gemeinsam Lösungen zu finden, schieben sie sich die Schuld gegenseitig in die Schuhe. Die Motivation ist auf dem Tiefpunkt, und einige Mitarbeiter denken bereits über einen Wechsel nach. Von Teamgeist ist nichts mehr zu spüren, und die einstige Begeisterung für das Projekt ist verschwunden.
Die Stimmung in einem Projekt ist ein wichtiger Indikator bei der Früherkennung von Fehlentwicklungen. In Projekten, die in Schwierigkeiten geraten, ist die Atmosphäre häufig von negativen Emotionen geprägt. An erster Stelle stehen Angst und Besorgnis, gefolgt von Enttäuschung, Resignation sowie Ärger und Aggressionen. Dadurch ändert sich auch der Umgang untereinander im Projekt: Vorgesetzte verstärken ihr Kontrollverhalten, der Projektleiter erhöht den Druck auf das Projektteam, Mitarbeiter ziehen sich zurück, Projektbeteiligte begegnen einander mit Misstrauen, die Kommunikation bricht ab oder wird im Ton rauer. Diese Liste könnte man beliebig fortsetzen.
Emotionen gehören nicht gerade zum klassischen Themenkatalog des Projektmanagements. Allzu gerne verbannt man die Gefühle aus der Welt der Pläne und Methoden. Wer allerdings in einem gefährdeten Projekt das Ruder herumreißen will, muss zuallererst den emotionalen Turnaround schaffen und das Projekt aus seiner Stimmungskrise holen.
Für die Sanierung eines Projektes ist es wichtig, ein Klima herzustellen, das einen Turnaround überhaupt erst möglich macht. Ein solches Stimmungsmanagement trägt die Prozesse, die notwendig sind, um ein gefährdetes Projekt aus seiner Schieflage zu befreien. Dazu sind vier Schritte von besonderer Bedeutung.


Foto: Enrique auf Pixabay
Schritt 1: Das Projekt stabilisieren
Zu Beginn eines Turnarounds musst Du den Stress im Projekt abbauen. Das ist der Kardinalfehler schlechthin, den Projektleiter in Krisensituationen begehen. Sie versuchen es mit noch mehr Druck, statt den Stress abzubauen. Es muss Dir in dieser Situation vielmehr gelingen, Vertrauen aufzubauen und ein Gefühl der Sicherheit herzustellen – insbesondere dann, wenn im Projekt Angst und Orientierungslosigkeit umgehen. Nur so kann sich die Lage wieder beruhigen und es entsteht die Möglichkeit, alles neu zu sortieren.
Was da helfen kann? Zum einen Transparenz von Informationen und Entscheidungen. Du musst den Druck herausnehmen. Und ein regelmäßiger persönlicher Kontakt und ein „offenes Ohr“ für alle Projektbeteiligten ist besonders wichtig. Probleme dagegen musst Du konsequent und schnell anpacken, und bei Konflikten im Projektumfeld musst Du als Puffer gegenüber Deinem Team fungieren. Nur dann kehrt wieder Ruhe und Stabilität ins Projekt ein.
Schritt 2: Die Handlungsfähigkeit herstellen
Häufig zeichnen sich Projektkrisen dadurch aus, dass die Beteiligten „gelähmt“ sind oder notwendige Entscheidungen so lange hin und her schieben, bis niemand sich mehr für etwas verantwortlich fühlt. Solche Prozesse müssen durchbrochen werden. Voraussetzung dafür ist die Auflösung von Emotionen, die das Handeln blockieren. Angst, Resignation oder Frust sind typische Emotionen, die den Weg aus der Krise blockieren.
Das Auflösen dieser Emotionen erreichst Du am ehesten durch einen konsequenten Neustart. Das ist übrigens auch der Grund dafür, warum es sich manchmal durchaus lohnt, in Krisenprojekten über die Ablösung eines Projektleiters nachzudenken. Jemand, der durch die Vergangenheit des Projekts nicht vorbelastet ist, gelingt ein Neustart viel leichter.
Ähnlich wichtig sind regelmäßige Status-Meetings, am besten täglich. Kurze, knackige Meetings (vielleicht nur 10 Minuten), bei denen Entscheidungen getroffen und konkrete Handlungen festgelegt werden. Diese Form der offenen Kommunikation ist entscheidend, denn regelmäßige Meetings fördern nicht nur den Austausch, sondern stärken auch die Eigenverantwortung.
Schritt 3: Die Beteiligten integrieren
Der Verlust an Commitment ist ein ernsthaftes Problem, das jedes Projektklima nachhaltig vergiftet und besonders in Krisensituationen deutlich spürbar wird. In solchen Momenten ist es entscheidend, ein starkes „Wir-Gefühl“ zu entwickeln und zu festigen, um die Motivation und den Zusammenhalt im Team wiederherzustellen.
Während ein gemeinsames Abendessen sicherlich eine positive Geste darstellt, reicht dies allein nicht aus. Vielmehr sollten wir uns auf die Vereinbarung gemeinsamer Ziele konzentrieren, die für alle Beteiligten klar und nachvollziehbar sind. Die konsequente Übertragung von Verantwortung an die Teammitglieder fördert das Gefühl der Eigenverantwortung und des Engagements. Zudem ist es wichtig, alle Beteiligten aktiv in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, um ihre Perspektiven und Ideen zu berücksichtigen. Eine verstärkte Zusammenarbeit kann durch regelmäßige Meetings und Workshops gefördert werden, in denen der Austausch im Vordergrund steht
Schritt 4: Das Projekt wiederbeleben
Damit der Turnaround gelingen kann, müssen die Stakeholder des Projekts mit positiver Energie nach vorne streben. Häufig ist es dann die Aufgabe des Projektleiters, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um im Projektumfeld positive Energie zu erzeugen und gezielt zu kanalisieren – denn positive Energie motiviert und mobilisiert die Beteiligten.
Dazu gehört, klare und inspirierende Ziele zu setzen, die das Team motivieren. Eine offene Kommunikation und regelmäßiges Feedback schaffen ein positives Klima, in dem Ideen frei fließen können. Anerkennung von Leistungen, sei es durch Lob oder kleine Belohnungen, steigert die Motivation. Zudem können kreative Workshops dazu beitragen, innovative Lösungen zu entwickeln und die Begeisterung für das Projekt zu fördern. Die Atmosphäre im Projektteam muss von Zuversicht, Selbstvertrauen und Mut geprägt sein, ansonsten wird der Turnaround kaum gelingen.
Survival-Tipps
- Versuche zunächst das Projekt zu stabilisieren. Nimm Druck raus und vermittle ein Gefühl von Sicherheit. Nur so kehrt wieder Ruhe und Stabilität ins Projekt ein.
- Löse die vorhandenen Blockaden im Team. Stelle die Handlungsfähigkeit im Team wieder her und ermutige die Teammitglieder, wieder Verantwortung für das Projekt zu übernehmen.
- Gib Deinem Team eine klare Richtung vor und sorge mit konkreten, erreichbaren Zielen dafür, dass Dein Team wieder an einem Strang zieht.
- Suche nach Mitteln und Wegen, um im Projektumfeld eine positive Energie zu erzeugen. Nutze diese positive Energie, um die Beteiligten zu motivieren und zu mobilisieren.
- Sorge für verschiedene Team-Rituale, die dazu beitragen, den Zusammenhalt zu stärken und eine positive Atmosphäre zu schaffen, in der sich jeder wertgeschätzt fühlt.
- Feiere kleine Erfolge im Verlauf des Projekts, um die Moral des Teams zu heben und den Fokus auf positive Entwicklungen zu lenken.


Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com