Strategie

Auf Sand gebaut

Von am 27.03.2023

Ein Projekt ohne klare Ziele ist auf Sand gebaut. Es fehlen nicht nur messbare Erfolgskriterien. Auch ist damit zu rechnen, dass an das Projekt immer neue Wünsche herangetragen werden, denen der Projektleiter kaum widersprechen kann. Die Anforderungen ufern aus, die Kosten explodieren. Beharre Du als Projektleiter deshalb auf klar definierten Zielen!

Lena G. leitet ein Projekt, das mehrere Unternehmensbereiche und Abteilungen betrifft: Der Kundenbetreuungsprozess soll über die Bereiche Vertrieb, Beratung und Support hinweg einheitlich strukturiert werden. Prompt passiert, womit eigentlich zu rechnen ist: Zwischen den beteiligten Führungskräften entbrennt ein heftiges Kompetenzgerangel. Jeder möchte dem Projekt seinen eigenen Stempel aufdrücken. Die Projektleiterin scheut eine Auseinandersetzung mit den Abteilungsleitern und vermeidet es deshalb, in großer Runde für die notwendige Zielklarheit zu sorgen. Stattdessen bringt sie die divergierenden Ziele durch einige vage Formulierungen im Projektauftrag unter einen Hut.

Wer sich als Projektleiter wie im Fall von Lena G. um klar definierte Projektziele herumdrückt, gefährdet letztlich den Projekterfolg. Zwar sorgt er zunächst für Ruhe unter den Führungskräften, auch weil er in bilateralen Gesprächen den Projektinhalt im Sinne des jeweiligen Gesprächspartners auslegen kann. Doch dieses Vorgehen kann sich als Bumerang erweisen: Als Lena G. die ersten Ergebnisse präsentierte, drehten die Abteilungsleiter den Spieß um. Jeder legte den Projektauftrag in seinem Sinne aus – verbunden mit dem Vorwurf, die Projektleiterin habe nicht das geliefert, was abgesprochen gewesen sei.

Ohne klar definierte Projektziele gerät ein Projekt in Gefahr. Als Projektleiter tust Du gut daran, für klare Ziele zu sorgen. Dazu gehört auch, einen schwammig formulierten Projektauftrag notfalls im Nachhinein noch zu klären und zu präzisieren.

Unklare Ziele – eine traurige Realität

Wie sehr der Projekterfolg von einer sauberen und möglichst exakten Zieleplanung abhängt – darin sind sich die Experten weitgehend einig. Ebenso wenig ist es ein Geheimnis, dass gerade in diesem Punkt in der Praxis immer wieder schlampig gearbeitet wird: unklare Anforderungen, unklare Ziele, unklare Rahmenbedingungen, die zudem nur rudimentär dokumentiert sind. Das ist oft die traurige Realität. Wenn jeder meint, er hätte verstanden, was das Ziel ist, und einfach darauf losarbeitet, lassen die Folgen nicht lange auf sich warten: Es kommt zu fehlerhaften Ergebnissen, überlasteten Mitarbeitern, Terminverzögerungen und explodierenden Kosten.

Quelle: "Projekt-Kompass"

Die Angst vor der eigenen Courage

Viele Projekte starten unter einem enormen Zeitdruck. Oft beginnt das Team deshalb mit der Arbeit, obwohl die Ziele noch gar nicht abschließend geklärt sind – mit den genannten Folgen. Das Problem verschärft sich zusätzlich, wenn das Management – vielleicht aus Angst vor der eigenen Courage – sich nicht festlegen will. Messbare Anforderungen und Erfolgskriterien zu definieren, ist schon per se schwierig, doch ohne klare Vorgabe ist das Projekt von Anfang an auf Sand gebaut: Wer nicht weiß, was er will, kann auch nicht wissen, was er braucht. Die Anforderungen werden dann mehr oder weniger willkürlich bestimmt.

Die projektbegleitende Auftragsklärung

Wenn die Ziele schwammig formuliert sind, fällt es dem Auftraggeber und anderen Interessenten leicht, im Projektverlauf immer neue Anforderungen zu stellen. Als Projektleiter fehlt Dir die Handhabe, die Wünsche unter Verweis auf einen klar formulierten Projektauftrag abzublocken. Ein Claim Management ist unmöglich, weil die vertraglichen Grundlagen zu unklar sind. So häufen sich Änderungen und Nachbesserungen. Die Kosten laufen aus dem Ruder.

Als Projektleiter bleibt Dir nur ein Weg: den Auftrag doch noch zu präzisieren. Auch wenn sich Dein Team schon in das Projektabenteuer gestürzt hat und bereits in der Arbeit steckt, solltest Du Dich nun dennoch als Aufklärer betätigen und einige grundlegende Dinge klarstellen. Letztlich geht es darum, die Auftragsklärung  projektbegleitend nachzuholen.

Eine „projektbegleitende Auftragsklärung“ – das klingt zunächst befremdlich. Jeder angehende Projektleiter lernt, dass ein Projekt erst dann startet, wenn der Auftrag geklärt ist: Es gibt ein konkretes Ziel, ein festes Anfangs- und Enddatum, ein fixes Budget und festgelegte Randbedingungen. Tatsächlich trifft man diese lehrbuchhaft geordnete Ausgangssituation nur selten an. Also kommt es darauf an, die Klärung nachzuholen.

Die Wirkungsebenen eines Projekts

Wenn Du die Auftragsklärung nachholst, hat sich ein pragmatisches Vorgehen bewährt. Präzisiere den bestehenden Projektauftrag, indem Du die Fragen zu folgenden fünf Aspekten beantwortest:

  • INPUT – Welche Ressourcen stehen dem Projekt zur Verfügung? Welche Ressourcen werden in das Projekt investiert? Geld, Ausstattung, Konzepte etc.?
  • AKTIVITÄTEN – Was muss getan werden, um die Ziele zu erreichen? Welche Aktivitäten können durchgeführt werden, wenn bestimmte Inputs vorhanden sind?
  • OUTPUT – Was sind die direkten Ergebnisse der Aktivitäten? Welche messbaren Ergebnisse sollen nach Beendigung des Projekt vorliegen? Es handelt sich dabei um quantifizierbare Einheiten wie Produkte, Analysen, Spezifikationen, Leistungen etc.
  • OUTCOME – Welche Wirkungen werden durch das Projekt für die Zielgruppe erzielt? Welche Auswirkungen hat das Projekt? Welcher Nutzen ergibt sich für die Zielgruppe?
  • IMPACT – Welche Wirkungen sollen darüber hinaus im Umfeld erzielt werden? Welcher Nutzen soll sich daraus ergeben? Hier wird beschrieben, zu welchen mittel- bis langfristigen Zielen das Projekt beiträgt.

Die fünf Aspekte sind vergleichbar mit einer Landkarte, deren Maßstab zwar noch sehr grob ist, die jedoch allen Beteiligten eine erste Orientierung gibt. Das Ziel ist darauf eingezeichnet. Damit steht auch die Richtung fest, in die Du mit Deinem Projektteam gehen musst.

Survival-Tipps

  • Geh davon aus, dass Projektideen selten hundertprozentig durchdacht sind. Es ist ein Fehler, darauf zu vertrauen, dass sich der Auftrag im Laufe der Zeit schon klären wird.
  • Vermeide es auch bei Zeitdruck, mit der Projektarbeit einfach loszulegen. Anstatt einen Blindflug zu beginnen, kläre besser zuerst die Ziele.
  • Zur Klärung der Zielsetzung ist es nie zu spät. Die Auftragsklärung lässt sich auch noch nachholen, wenn die Projektarbeit bereits begonnen hat.
  • Lege Deinem Auftraggeber ein Konzept vor, das geplante Aktivitäten, beabsichtigte Resultate (Output) und Nutzen (Outcome) unterscheidet.
  • Beharre auf klaren Aussagen zur Zielsetzung des Projekt. Und achte darauf, dass alle Beteiligten die Ziele kennen und wissen, warum das Projekt für das Unternehmen wichtig ist.
  • Formuliere die Projektziele so präzise, dass sie den beteiligten Führungskräften keinen Interpretationsspielraum lassen. Manchmal kann es sogar sinnvoll sein, explizit festzuhalten, was nicht Bestandteil des Projektes ist.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.