Einsteiger

Jedes Projekt hat seine Tücken 1

Von am 02.06.2025

Kein Projekt gleicht dem anderen. Jedes Projekt hat so seine eigenen Tücken, Hindernisse und Gefahren – und stellt den Projektleiter vor besondere Herausforderungen. Standardlösungen greifen oft zu kurz. Wer glaubt, nach „Schema F“ vorgehen zu können, dürfte sein blaues Wunder erleben. Auch wenn die Projektphasen die gleichen sind, muss jede Projektart auf ihre Weise angepackt und durchgeführt werden.

Im Zuge der Zieldefinition beschäftigt sich Marc bei der Entwicklung seines Informationssystems zunächst mit den wichtigsten Kennzahlen entlang der Produktionsanlagen und nimmt die Anforderungen der Maschinenbediener auf. Dann fängt für ihn die Projektplanung an. Das Ergebnis seiner Zeit- und Kostenkalkulation ist ein Angebot an den Produktionsleiter. Nach der Auftragserteilung beginnt er mit der Programmierung (Realisierung).

Vanessa durchläuft mit ihrem Organisationsprojekt zwar die gleichen Projektphasen, geht dabei allerdings ganz andere Wege. Für sie steht eine ausführliche Problemanalyse im Mittelpunkt der Zieldefinition. In der Projektplanung versucht sie abzuschätzen, wie viel Aufwand in dem Projekt steckt. Die Realisierung ist für sie zweigeteilt: Sie besteht aus der Konzeption und der Detailgestaltung der neuen Kontierungsrichtlinie.

Jede Projektart bringt ihre eigenen Tücken und Gefahren mit sich, die Projektleiter frühzeitig erkennen und bewältigen müssen. Bei IT-Projekten sind beispielsweise technische Komplexität und schnelle Veränderungen häufige Herausforderungen, während Bauprojekte mit unerwarteten Kostensteigerungen oder Genehmigungsproblemen konfrontiert sind. Innovationsprojekte bergen das Risiko der Unsicherheit und unklare Zielsetzungen, während bei Change-Management-Projekten Widerstand im Team eine große Hürde darstellt. Jede Projektart erfordert spezifisches Fachwissen, Flexibilität und eine proaktive Risikobewertung. Projektleiter sollten daher stets gut vorbereitet sein, um auf unerwartete Situationen schnell reagieren zu können.

Unterschätzt man die Tücken bestimmter Projektarten, steigt das Risiko von Verzögerungen, Kostenüberschreitungen und Misserfolg, da die typischen Probleme nicht rechtzeitig erkannt und bewältigt werden.

Foto: El Caminante auf Pixabay

Die Tücken von IT-Projekten

Selbst kleine IT-Projekte sind häufig vom Scheitern bedroht. Ziel ist es in der Regel, durch den Einsatz neuer Informationstechnik die Effizienz zu steigern. Meist stehen die Projektleiter unter einem enormen Zeitdruck, weil das neue System schnell Ergebnisse liefern soll.

Gerade bei mutmaßlich kleineren IT-Projekten ist die Haltung weit verbreitet, man könne das doch selbst machen. In vielen Fällen ist das eine Fehleinschätzung. Die Aufgabe erweist sich als wesentlich komplexer als angenommen. Kurzerhand erhält der Projektleiter einen temporären Mitarbeiter an seine Seite gestellt, oft kommen dann auch Studenten oder Praktikanten zum Einsatz. Das hilft meist wenig, weil der Fehler bereits bei der Zieldefinition gemacht wurde und die anfängliche Fehlentscheidung das Projekt in eine Sackgasse manövriert hat. Das Ergebnis sind dann häufig Eigenentwicklungen, die den firmeninternen Standards nicht genügen und damit auch später in kein Konzept mehr passen.

So hatte Marc beispielsweise die Aufgabe, ein neues Informationssystem zur Überwachung der Getränkeabfüllung zu entwickeln. Sein Projekt geriet gleich zu Beginn der Umsetzung in eine Krise, weil er anfangs auf eine sorgfältige Projektklärung verzichtet hatte. Alles musste ja so schnell gehen, der Produktionsleiter hätte das fertige System am liebsten schon vorgestern gehabt. Mit „Kleinigkeiten“ wie einer ordentlichen Projektskizze hält man sich da erst gar nicht auf – Hauptsache das Projekt wird endlich gestartet!

Einige Tücken:

  • IT-Projekte sind anfällig für übertriebenen Optimismus. Die Versuchung, einfach loszulegen, ist groß und allgegenwärtig.
  • In IT-Projekten entstehen oft viel zu komplizierte Lösungen, weil man Anforderungen umsetzt, ohne sie ernsthaft zu hinterfragen. Heraus kommt dann eine aufgeblähte Lösung.
  • Als Projektleiter musst Du Dein IT-Projekt zu einem Zeitpunkt planen, zu dem weder die Anforderungen klar sind, noch ein Konzept steht.
  • Zu Anfang wird leicht versäumt, Struktur in das Stimmengewirr der Beteiligten zu bringen – mit der Gefahr, dass das Projekt schnell aus dem Ruder läuft.

Die Tücken von Konzeptionsprojekten

Der Weg vom leeren Blatt zu einem überzeugenden Konzept kann lang und mühselig sein. Und das Schlimme daran: Konzeptionsprojekte werden von den Beteiligten oft gar nicht als Projekte wahrgenommen. Die Folge: Sie verrennen sich schnell in inhaltlichen Details, anstatt das Projekt vernünftig auf die Schiene zu setzen.

Saskia hat die Aufgabe, für das Sommerprogramm ihres Senders eine Themenwoche mit dem Titel „Orient & Okzident“ zu gestalten. Vergleichbare Konzepte wie Saskias Themenwoche werden in Unternehmen ständig entwickelt, meist ohne zu merken, dass es sich dabei eigentlich um ein Projekt handelt. Da ruft der Chef seinen Mitarbeiter ins Büro und erzählt von neuen Herausforderungen, Plänen und Ideen. Dafür müsse aber erst einmal ein Konzept her. „Machen Sie mal!“ heißt es dann lapidar. Zurück am Arbeitsplatz sitzt der Mitarbeiter über einem leeren Blatt Papier und weiß erst einmal nicht weiter.

In den meisten Projekten geht es darum, einen Plan abzuarbeiten. Selbst wenn dieser Plan revidiert werden muss, sind die Vorgaben klar. Ganz anders bei einem Konzept: Hier hat der Konzeptentwickler große Gestaltungsspielräume – und das ist die besondere Herausforderung. Oft weiß der Auftraggeber selbst nicht so genau, was er eigentlich haben will.

Konzepte sind meistens Grundlage und Vorarbeit für wichtige Projekte. Erst wenn das Konzept klar und schlüssig ist, können Entscheider abschätzen, ob bei einer Realisierung die Chancen die Risiken überwiegen. In einem guten Konzept werden Szenarien entworfen, Lösungswege aufgezeichnet, Nutzenpotenziale sichtbar gemacht und Stolperfallen markiert.

Einige Tücken:

  • Konzeptionen werden von den Beteiligten oft gar nicht als Projekt erkannt. Entsprechend unbedarft gehen sie ans Werk.
  • In Konzeptionsprojekten stürzen sich die Beteiligten gerne in die inhaltliche Ausarbeitung, anstatt ihr Vorgehen erst einmal zu strukturieren.
  • Konzepte sind meistens die Grundlage und Vorarbeit für wichtige Projekte. Ungereimtheiten in der Konzeption haben oft fatale Auswirkungen auf die spätere Umsetzung.
  • Oft weiß der Auftraggeber selbst nicht so genau, was er eigentlich haben will. Der Projektleiter sitzt dann da und rätselt, wie er den Auftraggeber zufriedenstellen kann.

Die Tücken von Veranstaltungsprojekten

Bei klassischen Veranstaltungsprojekten wie etwa einem Konzert wird die Gesamtorganisation meist an spezialisierte Agenturen übergeben. Anders bei firmeninternen Events oder bei Veranstaltungen wie einer Messeteilnahme: Hier übernehmen oft Mitarbeiter des eigenen Unternehmens Planung und Umsetzung. Häufig fehlt es dann jedoch an der notwendigen Erfahrung.

Monika hat die Aufgabe, eine exklusive Hausmesse zu veranstalten; ausgewählte Kunden sollen die Messe besuchen und die neuen Produktgenerationen des Unternehmens kennenlernen. Der Termin steht von Anfang an fest – und so ist Monika gezwungen, ihre gesamte Vorbereitung auf diesen Tag hin auszurichten.

Sobald eine Firma beschließt, an einer Messe teilzunehmen oder in Eigenregie einen größeren Event durchzuführen, entsteht automatisch ein Projekt. Das Ergebnis dieses Projekts ist die Veranstaltung. Für Museen, Konzertorganisatoren, Promotoren oder Messeveranstalter gehören solche Projekte zum Alltag. Bei Unternehmen herrscht im Vorfeld einer größeren Veranstaltung dagegen oft der Ausnahmezustand.

Es kommt darauf an, das Veranstaltungsprojekt wie eine Kreuzfahrt anzugehen. Die Kreuzfahrt ist die Veranstaltung – und Ziel ist es, das Schiff über die zeitweise unruhige See in den sicheren Zielhafen zu navigieren. Mag sein, dass der eine oder andere seekrank wird. Doch der Projektleiter trägt dafür Sorge, dass niemand über Bord geht – und die Reise allen Teilnehmern am Ende als ein fabelhaftes Ereignis in Erinnerung bleibt.

Einige Tücken:

  • Es gibt eine klare Deadline, die nicht verschoben werden kann. Dadurch geraten Veranstaltungsprojekte schnell unter einen enormen Zeitdruck.
  • Ein Veranstaltungsprojekt besteht in der Regel aus vielen verschiedenen Komponenten. Da ist die Gefahr groß, wichtige Aspekte zu vergessen.
  • Unmittelbar vor bzw. während dem Event muss alles „wie am Schnürchen“ laufen, sonst bricht auf der Veranstaltung das Chaos aus.
  • In Veranstaltungsprojekten sind viele Leute involviert – meistens verstärkt gegen Ende des Projekts. Das muss koordiniert werden.

Mario Neumann

Der Trainer und Autor schreibt seit 2021 in diesem Online-Magazin locker und pragmatisch über Projektmanagement. Für seine Arbeit wurde er schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle seine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.