Strategie

Der steinige Weg zum Erfolg

Von am 26.06.2025

Ich stelle Menschen gerne Fragen, weil mich ihre Arbeit, ihre Strategien, ihre Standpunkte oder ihre Thesen interessieren. Für meine Kolumne NACHGEFRAGT habe ich das Gespräch mit Frank Triebler gesucht. Er ist überzeugt, dass große Infrastrukturprojekte nicht zwingend im Desaster enden müssen. Ich habe bei Frank nachgefragt, wie die erfolgreiche Steuerung eines Großprojektes aussehen muss.

Mario: Lieber Frank, lass uns direkt mit einem zentralen Thema beginnen: Wie beurteilst Du die aktuellen Herausforderungen im Bereich Digitalisierung, Energiewende und Verkehrswende in Deutschland?

Frank: Die Herausforderungen nehmen keineswegs ab; im Gegenteil, sie steigen sogar. Wir beobachten vielmehr eine Zunahme an Schwierigkeiten, die es zu bewältigen gilt. Besonders verunsichert die Vielzahl unterschiedlicher Informationen die Bürgerinnen und Bürger, was sich in den Projekten durch durchaus berechtigte Nachfragen widerspiegelt. Das führt dazu, dass unsere Projekte immer mehr Ressourcen benötigen, um auch im Bereich des Projektmarketings besser aufgestellt zu sein. Allerdings ist das benötigte Fachpersonal schlichtweg nicht ausreichend verfügbar.

Mario: Was sind Deiner Meinung nach die Hauptgründe dafür, dass wir bei Infrastrukturprojekten häufig von negativen Nachrichten hören, anstatt von positiven Erfolgsmeldungen?

Frank: Es gibt mehrere Ursachen. Oft sind es explodierende Kosten oder der enorme Zeitdruck, der uns vor große Herausforderungen stellt. Zudem passen viele ursprüngliche Anforderungen nicht mehr zur aktuellen Situation. Meiner Einschätzung nach wurden viele Projekte hastig in die Umsetzung gebracht, obwohl die Planungsphasen entweder noch nicht vollständig abgeschlossen oder nur rudimentär bearbeitet waren.

Mario: Das scheint mir ein grundlegendes Problem unserer Zeit zu sein …

Frank: Absolut! Viele Auftraggeber glauben, schnell auf Marktsituationen reagieren zu müssen. Dabei vergessen sie jedoch: Solche Schnellschüsse kosten unnötig Kapital. Ich setze mich schon immer für eine solide Planung ein – das ist für mich die Basis eines jeden Projekts. Ein Vertriebsleiter mag das anders sehen; er will vor allem schnell Kunden gewinnen und beruhigen. Doch durch unzureichende Planungszeiten laufen uns im Projekt die Kosten davon – sei es durch falsche Mengengerüste oder viel zu knapp kalkulierte Zeitrahmen. Hier lauern versteckte Kostenfallen, die wir vermeiden könnten. Auch die Öffentlichkeit wird meist durch die Presse mit negativen Informationen versorgt – das verkauft sich einfach besser. Das ist ein weiteres gesellschaftliches Problem.

Mario: Das klingt wirklich besorgniserregend. Glaubst Du, dass das Scheitern solcher Großprojekte ein typisch deutsches Phänomen ist?

Frank: Man könnte meinen. Dennoch sollten wir aus den Erfahrungen etwa beim BER oder Stuttgart 21 lernen und die Ursachen gründlich analysieren. Jahrzehntelang war genau diese Analyse eine unserer deutschen Stärken. Wir müssen wieder dahin kommen, Projekte sauber abzuschließen – und zwar bevor wir uns kopfüber ins nächste Desaster stürzen.

Frank Triebler ist Geschäftsführer und Programmleiter bei der HMPG, einer Projektgesellschaft für komplexe IT-, Infrastruktur- und Entwicklungsprojekte. Er übernimmt mit seinen Mitarbeitern die Leitung und Steuerung dieser Großprojekte. Frank Triebler ist Troubleshooter und Sparringspartner zugleich, wenn er Projektleitern operativ unter die Arme greift.

Mario: Scheitern eines Projektes ist also nicht das eigentliche Problem? Projekte scheitern weltweit – und das wird auch immer wieder passieren. Nur durch eine sorgfältige Lessons-Learned-Analyse lässt sich die Zahl der Misserfolge verringern.

Frank: Genau! Die globalen Zusammenhänge zwingen uns dazu, ein Tempo anzulegen, das unserem Qualitätsanspruch oft widerspricht. Wir müssen unsere Projektarbeit an die jeweiligen Gegebenheiten anpassen – ohne dabei die Qualität aus den Augen zu verlieren. Es ist essenziell, sich Zeit für eine gründliche Analyse eines Projekts zu nehmen und daraus für zukünftige Vorhaben zu lernen. Nur so können wir unseren hervorragenden Ruf in großen Infrastrukturprojekten weltweit bewahren.

Mario: Welche Schlüsselfaktoren siehst Du als besonders problematisch für Verzögerungen oder gar das Scheitern dieser Projekte?

Frank: Ich identifiziere drei zentrale Faktoren: Erstens fehlt oft das gemeinsame Verständnis über das Ziel des Projekts; zweitens herrscht häufig ein unzureichendes Projektverständnis; und drittens behindern gesetzliche Auflagen sowie regulatorische Beschränkungen den Fortschritt.

Mario: Beginnen wir also mit dem fehlenden Verständnis …

Frank: Unsere Auftraggeber sind häufig getrieben von Konkurrenzdruck und reagieren oft viel zu hektisch, wodurch der Blick für einen strukturierten Projektaufbau verloren geht. Es heißt nur noch „Wir müssen schneller sein als alle anderen.“ Das ist jedoch der falsche Ansatz! Oft gibt es kein Kickoff-Meeting für das Team, in dem klare Ziele definiert werden; manchmal sind diese Ziele seitens des Auftraggebers sogar nur unvollständig durchdacht. Ein solcher Ansatz kann kaum zum Erfolg führen.

Mario: Kannst Du genauer erklären, was Du unter dem fehlenden Verständnis über das gemeinsame Ziel verstehst?

Frank: Häufig bleibt nach intensiven Vertragsverhandlungen die frühzeitige Abstimmung auf ein gemeinsames Zielbild auf der Strecke. Verträge sind keine Bauanleitungen; sie bieten Raum für Interpretationen. Das liegt oft daran, dass Lastenhefte aufgrund unklarer Zieldefinitionen des Auftraggebers nicht vollständig sind – was wiederum dazu führt, dass alle Beteiligten unterschiedliche Vorstellungen vom Endergebnis haben.

Mario: Und wie sieht es beim Projektverständnis aus? Warum wird hier oft nicht konsequent gehandelt?

Frank: Viele verwechseln das Projektmanagement in Großprojekten mit einer normalen Linienorganisation. Stattdessen sollten wir bewährte Führungsinstrumente einsetzen, die speziell für komplexe Projekte geeignet sind. Ein Auftraggeber muss verstehen: Mit einer Projektorganisation kauft er keine Linienstruktur ein; vielmehr erhält er eine eigenständige Organisationseinheit mit eigenen Regeln und Arbeitsweisen – fokussiert ausschließlich auf Ziele und Ergebnisse des Projekts. Deshalb sollte man eine Projektorganisation aus der Betriebsorganisation herauslösen.

Mario: Viele Experten kritisieren Regeln und Auflagen als realitätsfern und bürokratisch belastend. Kämpfst Du in Großprojekten auch gegen eine Überbürokratisierung an? Der Dschungel aus Genehmigungsverfahren und regulatorischen Vorgaben läuft oft am Markt vorbei und erstickt unternehmerischen Mut – dabei wäre das doch gerade bei Großprojekten notwendig, oder!?

Frank: Absolut! Wir sind stark reglementiert – manchmal so sehr, dass unser Innovations- und Risikobereitschaft eingeschränkt wird im Vergleich zu internationalen Mitbewerbern. Diese Überregulierung bremst uns aus.

Mario: Das klingt nach einem echten Dilemma. Was wäre Deiner Meinung nach eine Lösung für diese Herausforderungen?

Frank: Wichtig ist vor allem eine frühzeitige Kommunikation sowie der Aufbau eines gemeinsamen Verständnisses aller Beteiligten. Außerdem sollten wir den Mut haben, innovative Ansätze zu verfolgen und bürokratische Hürden abzubauen. Mehr Selbstvertrauen ist gefragt: Projekte sollen etwas Einmaliges schaffen – genau das sagt schon ihre Definition –, daher brauchen wir Freiräume zum Atmen und Handeln.

Mario: Glaubst Du wirklich, dass es möglich ist, Groß- und Infrastrukturprojekte erfolgreich zu steuern?

Frank: Ja, es gibt durchaus erfolgreiche Ansätze dafür. Der Schlüssel liegt in einem ganzheitlichen Projektansatz: Wir dürfen einzelne Phasen nicht isoliert betrachten sondern müssen stets den Blick über den Projektgegenstand hinaus richten – etwa durch Umfeldanalysen. Leider nehmen sich dafür viele kaum Zeit.

Mario: Was verstehst Du unter einem ganzheitlichen Projektansatz?

Frank: Silobildung führt häufig zu mangelnder Transparenz; viele konzentrieren sich nur auf ihren eigenen Teilbereich und verlieren dabei den Überblick über das Gesamtbild (BIG PICTURE). Es ist entscheidend, alle Phasen miteinander zu verknüpfen und stets im Blick zu behalten – inklusive einer transparenten Kommunikation zwischen allen Beteiligten.

Mario: Welche Rolle spielen agile Methoden im Projektmanagement? Sind sie nur ein Trend oder tatsächlich hilfreich?

Frank: Agile Methoden sind essenziell geworden – besonders wenn Anforderungen während eines Projekts flexibel angepasst werden müssen. Das klassische Wasserfallmodell hat seine Berechtigung; doch Agilität gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wichtig ist jedoch eine Kombination beider Ansätze: Nur so lassen sich Flexibilität und Kontrolle optimal verbinden.

Mario: Wie wichtig ist es deiner Ansicht nach, externes Expertenwissen frühzeitig einzubinden?

Frank: Sehr wichtig! Externe Experten bringen wertvolle Perspektiven sowie Erfahrungsschätze mit ins Spiel – deshalb sollten Budgets dafür rechtzeitig eingeplant werden. In gut organisierten Projekten profitieren Teams enorm von solchen schnellen Zugängen zum Fachwissen bei minimalem organisatorischem Aufwand.

Mario: Der Faktor „Mensch“ wurde bereits angesprochen: Warum spielt dieser eine so entscheidende Rolle für den Erfolg eines Projekts?

Frank: Menschen setzen Projekte um; starke Führungspersönlichkeiten sind notwendig, um Teams zum Erfolg zu führen sowie Beziehungen zwischen Stakeholdern konstruktiv zu gestalten. Das Team selbst ist der eigentliche Gewinner: Ein motiviertes Team mit unterschiedlichen Ecken und Kanten treibt sich gegenseitig an und will Erfolg haben.

Mario: Was sind Deiner Meinung nach die größten Herausforderungen bei der Gestaltung dieser Beziehungen?

Frank: Die Beziehungen zwischen den Beteiligten können je nach Projekt sehr unterschiedlich sein – manchmal komplexe Netzwerke von Interessen und Erwartungen. Effektives Stakeholder-Management ist daher unerlässlich: Kommunikation sollte offen, ehrlich und respektvoll erfolgen – von Anfang an. Ein guter Leader bildet hier den Dreh- und Angelpunkt.

Mario: Was hältst Du vom häufig praktizierten Modus der „Problembewunderung“? Ist es sinnvoll oder eher hinderlich?

Frank: Es ist höchste Zeit damit aufzuhören! Agilität muss jetzt Priorität haben! Statt ständig Probleme nur zu analysieren sollten wir nach vorne schauen – mit dem Wissen aus der Vergangenheit als Grundlage für flexible Lösungen bei der Umsetzung neuer Vorhaben.

Mario: Viele Führungskräfte erkennen zwar die Bedeutung von Agilität an, wissen aber oft nicht genau, wie sich dies auf Leistungskennzahlen auswirkt? Was würdest Du dazu sagen?

Frank: Unternehmen brauchen klare Orientierungshilfen für ihre Transformationen: Fünf Dimensionen sind entscheidend: Führung, Prozesse, Organisation, Projektportfolio sowie Technologiearchitektur – nur wenn alle vollumfänglich integriert werden, gelingt nachhaltiger Erfolg; isolierte Maßnahmen führen schnell ins Desaster.

Mario: Vielen Dank für Ihre wertvollen Einblicke! Gibt es abschließend noch etwas, das Du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?

Frank: Ja! Agilität ist nicht nur ein Trend; sie ist notwendig für den Erfolg von Projekten in einer sich schnell verändernden Welt. Wir müssen bereit sein, uns anzupassen und neue Wege zu gehen.

Mario: Lieber Frank, herzlichen Dank, dass ich bei Dir nachfragen durfte.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.