Führung

So wird das nichts!

Von am 26.02.2024

Ein Projektleiter muss ein Projekt leiten und erfolgreich zum Ziel führen. Diese Aufgabe liegt nicht jedem. Häufig kommt es vor, dass Projektleiter aufgrund ihres Fachwissens ernannt werden – das ist zwar keineswegs falsch, doch geraten diese Fachexperten oft in Schwierigkeiten. Grund dafür ist eine problematische Einstellung, mit der sie ihre Projekte angehen.

Ich war ziemlich überrascht, als ich Marco zuhörte, wie er über seine Rolle als Projektleiter sprach. Marco ist Teilnehmer in einem Seminar, in dem ich Projektleiter auf komplexer werdende Projekte vorbereite. Er ist fest davon überzeugt, dass es seine Aufgabe als „Kümmerer“ ist, sich persönlich um alle wesentlichen Belange und Schwierigkeiten in seinem Projekt zu kümmern. Als Beispiel erwähnte er, dass er sich kürzlich um die Arbeitserlaubnisse für englische Kollegen kümmern musste, die in seinem Projekt arbeiten sollten. Bevor ich dazu etwas sagen konnte, entstand eine hitzige Diskussion unter den Teilnehmern darüber, ob dies tatsächlich zu den Aufgaben eines Projektleiters gehören würde.

Ich kannte Marco noch aus der Zeit, als er frisch aus der Ausbildung kam und im Supportbereich tätig war. Dort hat er sich stets um alles „gekümmert“ hat. In den letzten zehn Jahren hatten wir uns aus den Augen verloren. In der Zwischenzeit haben sich seine Aufgaben im Unternehmen drastisch verändert. Heute arbeitet er als Projektleiter in durchaus anspruchsvollen Projekten – seine innere Einstellung als „Kümmerer“ hat er scheinbar nicht abgelegt. Dabei betone ich immer wieder, wie wichtig die richtige Einstellung ist: Wer sie als Projektleiter hat, setzt sich hartnäckiger durch, überwindet auch die schwersten Hindernisse und ist damit in seinen Projekten typischerweise erfolgreicher.

Die innere Einstellung entscheidet zu großen Teilen über den Erfolg eines Projektleiters. Wenn die Einstellung nicht stimmt, macht man Führungsfehler – jeden Tag, oft unbewusst. Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass man als Projektleiter nicht mehr ernst genommen wird.

Die Idee der inneren Einstellung

Die innere Einstellung ist kein luftiges Konzept, das am Ende doch keine große Rolle spielt. Sie ist, im Gegenteil, die Grundlage von allem: Wie wir das Projekt und die Ereignisse um uns herum einschätzen, wie wir uns fühlen und verhalten. So kommt es, dass Projektleiter an ähnliche Projektsituationen ganz unterschiedlich herangehen – und entsprechend unterschiedlich sind die Ergebnisse, die sie dabei erzielen. Im Rückblick erscheint das oft wie ein Zufall, doch das ist es nicht.

Ob Sie es wollen oder nicht: als Projektleiter/in bist Du emotional ansteckend. Dein Selbstbild und Deine innere Einstellung bestimmen, ob Deine Projektmitarbeiter zuversichtlich an ihre Aufgabe herangehen, motiviert zupacken und bereit sind, auch mal eine Extrameile zu gehen. Und auf einen „Dirigenten“ wird das Projektteam anders reagieren als auf einen „Kümmerer“ wie Marco.

Foto: Nikko Macaspac auf Unsplash

Die Ebenen der Veränderung

Lässt sich die innere Einstellung verändern? Ja, allerdings nicht durch Willenskraft. Wer das versucht, stellt fest, dass er oft schon innerhalb weniger Tage wieder in sein normales Verhalten zurückfällt. Der Ausweg: Sich seiner eigenen Grundüberzeugungen klar werden, überlegen, wie sie sich entwickelt haben und und bewusst neue Werte für sich formulieren.

Robert Dilts, ein bekannter NLP-Trainer und -Autor, hat zu diesem Zweck die „Ebenen der Veränderung“ entwickelt, um verschiedene Ebenen oder Aspekte zu identifizieren, auf denen eine solche Veränderung stattfinden kann. Die Ebenen der Veränderung nach Robert Dilts sind:

  • Umwelt: Diese Ebene bezieht sich auf die äußeren Umstände, Bedingungen und Ressourcen, die eine Person umgeben.
  • Verhalten: Hier geht es um die sichtbaren Handlungen und Reaktionen einer Person.
  • Fähigkeiten: Diese Ebene betrifft die Fähigkeiten und Kompetenzen einer Person.
  • Einstellungen: Auf dieser Ebene werden die tief verwurzelten Überzeugungen und Werte einer Person berücksichtigt.
  • Identität: Dies ist die tiefste Ebene und bezieht sich auf das Selbstbild einer Person sowie deren grundlegende Annahmen über sich selbst.

Dilts‘ Modell hilft uns zu verstehen, auf welchen dieser Ebenen Veränderungen notwendig sind, wenn wir als Projektleiter mehr Wirkung erzielen wollen. Marcos Selbstbild (Identität) ist beispielsweise das eines „Kümmerers“. Er zeichnet sich durch seine Fürsorge und sein Engagement für das Wohlergehen seines Projektteams aus (Verhalten). Er kümmert sich um die Bedürfnisse aller Projektbeteiligten, ist empathisch und unterstützt alle in schwierigen Situationen (Fähigkeiten). Notfalls besorgt Marco sogar höchstpersönlich die Arbeitserlaubnis für die englischen Kollegen. Er legt großen Wert auf das persönliche Wohlbefinden der Mitarbeiter und versucht, ein harmonisches Arbeitsumfeld zu schaffen (Einstellungen).

Problematisch daran ist, dass Marcos übermäßige Betonung des „Kümmerns“ dazu führt, dass er Schwierigkeiten hat, klare Entscheidungen zu treffen oder notwendige Konflikte anzugehen. Er könnte auch Gefahr laufen, zu viel Zeit und Energie in die individuelle Betreuung von Mitarbeitern zu investieren und dabei die Projektziele aus den Augen zu verlieren. Es ist zu befürchten, dass die Projektmitarbeiter früher oder später seine Autorität als Projektleiter in Frage stellen, wenn diese ihn ausschließlich als „Kümmerer“ wahrnehmen und nicht als jemanden, der auch klare Richtlinien setzt und Entscheidungen trifft.

Organisator, Dirigent oder Geschäftsführer

Um als Projektleiter ein positives und kraftvolles Selbstverständnis zu entwickeln, ist es wichtig, sich bewusst zu werden, wie man im Projektumfeld wahrgenommen werden möchte. Indem man anstelle des „Kümmerers“ eine andere Einstellung anstrebt, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten:

  • Ein Projektleiter, der sich als Organisator versteht, zeichnet sich durch seine Fähigkeit aus, effektiv und effizient Ressourcen zu planen, zu koordinieren und zu verwalten. Er ist in der Lage, klare Strukturen und Prozesse zu schaffen, um sicherzustellen, dass die Projektziele erreicht werden. Darüber hinaus ist er in der Lage, Prioritäten zu setzen, Aufgaben zu delegieren und sicherzustellen, dass alle Teammitglieder über die notwendigen Ressourcen und Informationen verfügen, um ihre Projektaufgaben erfolgreich zu erledigen.
  • Ein Projektleiter, der sich dagegen als Dirigent versteht, zeichnet sich durch seine Fähigkeit aus, ein Projektteam harmonisch zu leiten und zu koordinieren. Ähnlich wie ein Dirigent eines Orchesters ist er in der Lage, die individuellen Talente und Fähigkeiten seiner Teammitglieder zu erkennen und zu nutzen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Er versteht es, die Stärken jedes Einzelnen zu fördern und sie in Einklang miteinander arbeiten zu lassen. Ein solcher Projektleiter ist auch in der Lage, klare Anweisungen zu geben, das Tempo des Teams anzupassen und sicherzustellen, dass alle Mitglieder aufeinander abgestimmt sind, um optimale Leistung zu erzielen.
  • Ein Projektleiter, der sich dagegen als Geschäftsführer seines Projektes versteht, zeichnet sich durch seine Fähigkeit aus, eine umfassende Vision für das Projekt zu entwickeln und sein Team von Fachleuten dafür zu motivieren. Er ist in der Lage, langfristige Pläne zu erstellen und die Ressourcen des Projekts effektiv zu nutzen, um diese Ziele zu erreichen. Ein solcher Projektleiter versteht es, die finanzielle Gesundheit des Projektes im Auge zu behalten und strategische Entscheidungen zu treffen, um den Erfolg des Projektes sicherzustellen. Darüber hinaus ist er in der Lage, sein Team von Fachleuten zu leiten und zu motivieren, um die Projektziele zu erreichen.

Diese drei Identitäten verdeutlichen, dass der Erfolg in der Rolle des Projektleiters mit einer klaren Entscheidung beginnt: festzulegen, wer man ist und wofür man steht. Mit der richtigen Einstellung werden sich auch Fähigkeiten und Verhalten entsprechend weiterentwickeln.

Eine eigene Haltung entwickeln

Gerade weil Projekte oft unvorhersehbar sind, ist eine stabile innere Einstellung entscheidend. Ein starkes Mindset – ob als Organisator, Dirigent oder Geschäftsführer – dient als gesunde Basis, die sowohl unser eigenes Auftreten stärkt als auch die Wahrnehmung im Projektumfeld beeinflusst. Tatsächlich ist dies die wichtigste Regel, die jedes Mal aufs Neue über den Erfolg eines Projektleiters entscheidet. Unsere Haltung zu uns selbst und zu den Dingen hat einen großen Einfluss darauf, wie wir als Projektleiter wirken und welche Handlungsspielräume uns dadurch zur Verfügung stehen.

Das heißt also: Jeder Mensch hat es selbst in der Hand, sich in seiner Projektleiterrolle stark, überzeugend und frei aufzustellen. Und das Schöne ist dabei, dass es gar nicht darum geht, sich zu verändern, sondern im Kern geht es vor allem darum, du selbst zu bleiben. Dadurch entsteht die souveräne Wirkung: Die Selbst-Sicherheit, die zulässt, dass man gelassen und flexibel reagiert und gestützt von der eigenen Überzeugung unabhängig von der Meinung anderer ist.

Survival-Tipps

  • Sorge dafür, dass Du die Projektverantwortung mit einer positiven und gestärkten inneren Einstellung angehst. Dazu gehören Eigenschaften wie Entschlossenheit, Flexibilität, etc.
  • Setze Dich mit Dir selbst auseinander. Es ist elementar hilfreich, dass Du Deine eigenen Werte und Einstellungen gut kennst und Dir bewusst machst, wer Du bist und wofür Du stehst.
  • Mache Dir Deine eigenen Absichten klar, mit der Du Deine Rolle als Projektleiter/in antrittst. Sorge dafür, dass Deine inneren Einstellungen und Dein Verhalten konsistent dazu sind.
  • Entwickele eine eigene Identität. Ob als „Dirigent“, „Organisator“ oder „Chef im Ring“ – es ist eine wichtige Richtschnur, die Deine Überzeugungskraft als Projektleiter/in stärkt.
  • Bleibe Dir selbst treu. Lote Deine eigenen Maßstäbe aus und sei bereit, Dich auf Erfahrungen einzulassen – nur dann wirst Du als authentisch wahrgenommen werden.

Geh‘ nicht zu hart mir Dir ins Gericht. Verbuche Fehler als Erfahrungen – Fehler sind dazu da, um zu lernen und neue Ansätze zu finden.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.