Führung

Aufladen statt ausbrennen

Von am 31.10.2024

Ich stelle Menschen gerne Fragen, weil mich ihre Arbeit, ihre Strategien, ihre Standpunkte oder ihre Thesen interessieren. Für meine Kolumne NACHGEFRAGT habe ich das Gespräch mit Johannes Oberhofer gesucht. Die Menschen, die mit ihm zusammenarbeiten, beschreiben ihn nicht nur als Innovator und Experte für Energiemanagement, sondern auch als einen Pionier darin, energiegebende Strategien für das Arbeitsleben im digitalen Zeitalter zu schaffen. Ich habe bei Johannes Oberhofer nachgefragt, wie es in einer von Technologie geprägten Arbeitswelt gelingt aufzuladen, statt auszubrennen.

Mario: Lieber Johannes, Du hast erwähnt, dass Dein ferngesteuertes Auto eine besondere Bedeutung für Dich hat. Kannst Du uns erzählen, wie das Wiederaufbereiten des Autos durch Deinen Vater Deine Kindheitserinnerungen geweckt hat?

Johannes: Ja, als ich das Auto wieder in den Händen hielt, fühlte ich mich sofort in meine Kindheit zurückversetzt. Es war ein unglaubliches Gefühl, die Kontrolle über das Auto zu haben und all die Erinnerungen an das Spielen damit wieder aufleben zu lassen.

Mario: Du ziehst eine interessante Parallele zwischen dem ferngesteuerten Auto und den Herausforderungen, denen Mitarbeitende und Organisationen in der heutigen digitalen Welt gegenüberstehen. Was denkst Du, sind die wichtigsten Strategien, um mit diesen Herausforderungen umzugehen.

Johannes: Mit dem ferngesteuerten Auto legt man einfach los. Beschleunigen. Bremsen. Ausweichen. Scharfe Kurven. Alles reagiert schnell, agil und zuverlässig – bis die Akkuleistung nachlässt. Also was tun? Genau: Einfach den Gashebel noch fester nach vorn drücken. Aber das Auto fährt trotz des erhöhten Drucks auf den Gashebel nicht schneller und bleibt irgendwann stehen – Akku leer.

Es ist entscheidend, dass wir lernen, unsere Energie effizient zu nutzen und nicht einfach versuchen, schneller zu werden, indem wir mehr Druck ausüben. Stattdessen sollten wir uns bewusst machen, Zeiten zum Aufladen einzulegen oder neue Ressourcen zu suchen – ähnlich wie man nach einer Ladestation für das Auto Ausschau hält.

Mario: Du sprichst von der Metapher des Akkustands, um den Energiehaushalt von Mitarbeitenden und Organisationen zu beschreiben. Was sind Deiner Meinung nach die wichtigsten Schritte, die Menschen unternehmen sollten, wenn sie merken, dass ihr „Akkustand“ in den orangen Bereich rutscht.

Johannes: Wenn der Akkustand in den orangen Bereich fällt, ist es wichtig, sparsamer mit der vorhandenen Energie umzugehen und aktiv nach Möglichkeiten zu suchen, um sich aufzuladen. Ich empfehle hier immer vorab zu definieren, wie die persönlichen Energiegeber aussehen. Diese sind individuell verschieden, aber meist im analogen Raum zu finden – Bewegung, Me-Time, oder soziale Interaktionen zählen häufig dazu.

Johannes Oberhofer ist Innovator und KI Projektleiter bei „die Bayerische“, der sich leidenschaftlich dafür einsetzt, Menschen für eine energiegeladene Arbeitsweise im digitalen Zeitalter zu begeistern. In seinem Buch „Aufladen statt ausbrennen“ beleuchtet Johannes Obrerhofer die Herausforderungen und Chancen, welche die Digitalisierung für Mitarbeitende und Organisationen mit sich bringt.

Mario: Der AOK-Fehlzeitenreport 2023 zeigt einen alarmierenden Anstieg der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen. Wie können Organisationen dazu beitragen, dass ihre Mitarbeitenden nicht in den roten Bereich geraten.

Johannes: Organisationen müssen ein Umfeld schaffen, das regelmäßige Aufladung ermöglicht. Dazu gehört die Förderung von Work-Life-Balance, flexible Arbeitsmodelle und Programme zur mentalen Gesundheit. Wenn es gelingt, die Energie der Mitarbeitenden nachhaltig zu managen und aufzuladen, können sie gesund und leistungsfähig bleiben. Ich gehe sogar so weit und sage: Energiemanagement im digitalen Zeitalter ist transformationsrelevant.

Mario: Du erwähnst die Notwendigkeit von Strategien in einer sich schnell verändernden Arbeitswelt. Welche Strategie hältst Du für besonders wichtig?

Johannes: Eine zentrale Strategie ist „Aufladen statt Ausbrennen“. Das bedeutet, dass sowohl Individuen als auch Organisationen proaktiv Maßnahmen ergreifen sollten, um ihre Ressourcen zu schonen und regelmäßig neue Energie freizusetzen – sei es durch Weiterbildung, Teambuilding oder einfach durch bewusste Zeit zum Aufladen im Arbeitsalltag.

Mario: Sie sprechen von einer Verschiebung in der Arbeitswelt, die zu ständiger Erreichbarkeit und Informationsüberflutung führt. Welche Auswirkungen hat diese neue Normalität auf die physische und mentale Gesundheit der Mitarbeitenden?

Johannes: Diese Entwicklungen haben gravierende Folgen für die Gesundheit der Mitarbeitenden. Die ständige Erreichbarkeit und der ständige Wechsel zwischen Aufgaben rauben nicht nur Energie, sondern können auch zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen wie Burnout und Depressionen führen. Die Studie „#whatsnext“ zeigt, dass psychische Belastungen am Arbeitsplatz zunehmend relevant werden und dass viele Führungskräfte dies als ernsthafte Herausforderung wahrnehmen.

Mario: In Deiner Analyse betonst Du, dass trotz der fortschreitenden Digitalisierung und der Entwicklung von künstlicher Intelligenz der Mensch als Treiber für Innovationen im Vordergrund steht. Was sind die Hauptgründe für diese Erkenntnis?

Johannes: In meinen Gesprächen mit Unternehmensverantwortlichen und Experten wird immer wieder deutlich, dass menschliche Fähigkeiten wie soziale Interaktion, ethisches Urteilsvermögen und emotionale Intelligenz unersetzlich sind. Diese Fähigkeiten sind entscheidend für den Innovationsprozess und können durch Technologie zwar unterstützt, aber nicht vollständig ersetzt werden. Die Forschung, einschließlich Diskussionen in Fachzeitschriften wie „Nature Human Behaviour“, bestätigt diese Sichtweise.

Mario: Du sprichst auch von der Basis menschlicher Energie und deren Einfluss auf die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz. Welche Faktoren sind dabei besonders wichtig?

Johannes: Die Basis menschlicher Energie umfasst mehrere wesentliche Aspekte: Bewegung, Ernährung, Schlaf, proaktive Resilienz und sozialer Kontakt. Diese Grundbedürfnisse sind entscheidend für die allgemeine Leistungsfähigkeit. Wenn eines dieser Elemente langfristig vernachlässigt wird, kann das negative Auswirkungen auf die mentale und physische Gesundheit haben. Daher ist es wichtig, diese Faktoren aktiv in den Arbeitsalltag zu integrieren.

Mario: In Deinem Konzept „Human.Recharge.Management“ beziehst Du Dich auf die Bedürfnispyramide nach Maslow. Wie lässt sich dieses Modell auf die moderne Arbeitswelt anwenden?

Johannes: Das Konzept basiert auf der Idee, dass wir die Bedürfnisse der Mitarbeitenden hierarchisch betrachten müssen. Ein vitaler Körper erfordert ausreichend Bewegung und gesunde Ernährung; gesunder Schlaf ist essenziell für Regeneration; ein wacher Kopf benötigt regelmäßige Zeiten zum Aufladen zur mentalen Entlastung; proaktive Resilienz hilft Mitarbeitenden, mit Veränderungen umzugehen; und sozialer Kontakt fördert das Wohlbefinden sowie die Kreativität. Indem Unternehmen diese Aspekte fördern, können sie nicht nur das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden steigern, sondern auch deren Innovationskraft und Produktivität.

Mario: Kannst Du einige praktische Beispiele nennen, wie Unternehmen diese Prinzipien umsetzen können?

Johannes: Ja, einfache Maßnahmen können bereits einen großen Unterschied machen. Dazu gehören beispielsweise die Einrichtung von „Recharge-Zones“, in denen Mitarbeitende ablenkungsfrei ihr zentrales Nervensystem entspannen können oder – um dynamisches Arbeiten zu ermöglichen – eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung. Auch teamfördernde Aktivitäten und regelmäßige soziale Interaktionen tragen dazu bei, das Wohlbefinden zu steigern und eine positive Arbeitsatmosphäre zu schaffen.

Mario: Abschließend: Warum ist es so wichtig, dass Unternehmen ein ganzheitliches Verständnis für menschliche Energie entwickeln?

Johannes: Ein ganzheitliches Verständnis ist entscheidend für nachhaltige Leistungsfähigkeit und Gesundheit in der digitalen Arbeitswelt. Wenn Unternehmen aktiv an der Entwicklung eines strategischen Energiemanagements arbeiten, stellen sie sicher, dass ihre Mitarbeitenden nicht nur ihre Aufgaben erfüllen können, sondern auch ihr volles Potenzial entfalten – was letztendlich zu einer höheren Innovationskraft und Produktivität führt.

Mario: Lieber Johannes, herzlichen Dank, dass ich bei Dir nachfragen durfte.

Aufladen statt Ausbrennen

In diesem Buch beschreibt Johannes Oberhofer, wie es gelingt, das Fundament im Unternehmen auszubauen, indem das volle Potenzial von Menschen und Technologie genutzt wird, um die Energie und die Zusammenarbeit nachhaltig zu optimieren – individuell und im Team. Er beleuchtet darin die Herausforderungen und Chancen, welche die Digitalisierung für Mitarbeitende und Organisationen mit sich bringt, und zeigt auf, welchen Einfluss die physische und mentale Gesundheit auf die Leistungsfähigkeit und das Engagement von Mitarbeitenden hat. Denn: aufgeladene Mitarbeitende bilden energiegeladene Teams und damit ein zukunftsfähiges Unternehmen. Ein solcher Arbeitsplatz ist nicht nur produktiv, sondern auch ein Magnet für Talente.