So wird das nichts!
Verhandlungen sind für Projektleiter mitunter eine knifflige Angelegenheit, schließlich müssen sich die Verhandlungspartner Schritt-für-Schritt aufeinander zu bewegen. Doch auf diesem Weg sind etliche Hürden zu überwinden. Projektleitern fehlt oft die Cleverness, um Verhandlungen souverän zu meistern. Nicht selten begehen sie Anfängerfehler, die sich eigentlich leicht vermeiden lassen.
Die Verhandlung mit einem wichtigen Lieferanten steht an. Doch Projektleiter Steffen B. geht reichlich unvorbereitet in die Diskussion. Er hat zwar seine Verhandlungsziele im Kopf, allerding weiß er nicht wirklich, welche Alternativen es gibt und wo seine Schmerzgrenze liegt. Er geht also ohne durchdachten Plan in das Verhandlungsgespräch und gerät deshalb schnell ins Hintertreffen. Statt dem Lieferanten die Konditionen zu diktieren, pariert dieser sämtliche Argumente. Am Ende steht Steffen B. mehr oder weniger mit leeren Händen da.
Projektleiter müssen in Projekten häufig Verhandlungen führen. Sie handeln den Projektvertrag aus. Sie verhandeln mit Linienmanager, Kunden und Lieferanten. Und wenn sie einen Fehler machen, riskieren sie viel: Nerven, Reputation und Geld vor allem. Kein Wunder, dass Projektverhandlungen auch gerne mal heiß laufen. Der Umgangston wird plötzlich rauer. Der Druck steigt.
Während gewiefte Verhandler aus dem vollen Waffenarsenal der Verhandlungstaktiken schöpfen, begehen Projektleiter nicht selten Anfängerfehler. Dabei lassen sich die meisten Fehler allein dadurch vermeiden, dass wir sie kennen und uns bewusst machen.
Was ist mein Verhandlungsziel?
Vielen Projektleitern unterläuft der Kardinalfehler schon vor der eigentlichen Verhandlung: Sie haben sich keine Gedanken über die Ziele gemacht, die sie während des Verhandlungsgesprächs erreichen wollen. „Mal sehen, was dabei rauskommt“, ist keine Strategie. Und mit dieser Einstellung kommt auch selten das dabei heraus, was möglich gewesen wäre.
Wer seine Ziele nicht klar vor Augen hat, darf sich nicht wundern, wenn er in der Verhandlung den Kürzeren zieht. Stelle Dir also die Frage, was Dein ideales Ziel wäre. Die Antwort auf diese Frage solltest Du während der gesamten Verhandlung im Hinterkopf behalten – schließlich weist sie Dir den Weg zum Erfolg. Selbst wenn Du Eingeständnisse machen musst, bleibst Du immer nahe an Deinem Maximalziel.
Was ist meine Schmerzgrenze?
Projektleiter sollten aber nicht nur ihr Verhandlungsziel und ihr ideales Ergebnis kennen, sondern auch wissen, wie weit sie nachgeben können. Gerade bei Lieferverträgen kommt oft ein mysteriöser Konkurrent ins Spiel, der angeblich billiger ist. Durch eine solche Taktik hat sich schon so mancher Projektleiter aufs Glatteis führen lassen – und hat am Ende teuer dafür bezahlt.
Wer in der Verhandlung seine Schmerzgrenze nicht kennt, der macht womöglich Zugeständnisse, für die er keine adäquate Gegenleistung bekommt. Deine Schmerzgrenze sollte deshalb idealerweise von Anfang an die Grenze des ökonomisch Machbaren sein. Lass‘ Dich bloß nicht überfahren, sondern steh auf und geh, wenn Dein Verhandlungspartner gewisse Schmerzgrenzen überschreitet (Go-Away-Limit). Auch Deinem Verhandlungspartner wird einleuchten, wenn für Dich die Grenze des Machbaren erreicht ist.
Was weiß ich über die Gegenseite?
Selbst ein klares Verhandlungsziel und das Wissen um die eigene Schmerzgrenze bewahrt Projektleiter nicht vor dem nächsten Verhandlungsfehler: Sie wissen viel zu wenig über die Gegenseite. Sie wissen nicht, welche Schwierigkeiten ihre Verhandlungspartner haben, wo ihre Bedürfnisse liegen und in welchem Rahmen sie agieren können.
Wer nur über unzureichende Informationen verfügt, der bringt sich schnell in eine missliche Lage. Wissen ist schließlich Macht – dies umso mehr bei Verhandlungen. Führe also eine gründliche Recherche durch. Je mehr Informationen und Hintergründe Dir bekannt sind, desto besser kannst Du Argumente parieren und das Ergebnis zu Deinen Gunsten beeinflussen. Deine Hausaufgaben nicht zu machen, wäre ein schwerer Fehler.
Wie sehr stehe ich selbst unter Druck?
Vor allem unerfahrene und unsichere Projektleiter begehen oft den gleichen Fehler: Sie geben in Verhandlungen zu schnell nach. Der extreme Druck zwingt sie dazu, komplexe Vereinbarungen zu schließen, bei denen oft viel auf dem Spiel steht und bei denen eine Unaufmerksamkeit viel Zeit und Geld kosten kann.
Wer im Projekt unter Druck steht, läuft Gefahr, in den entscheidenden Momenten der Verhandlung allzu nachgiebig zu sein, nur um die Verhandlung nicht scheitern zu lassen. Du kannst sicher in der Verhandlung auch mal nachgeben, aber nicht ohne Gegenleistung! Versucht man Dich im Preis zu drücken, kannst Du nachgeben. Im selben Atemzug solltest Du aber Leistungen streichen. So lässt sich dem Druck am besten standhalten.
Was ist mein Plan B in der Verhandlung?
Das Ziel jeder Verhandlung ist es, das Maximale herauszuholen. Oft sind Verhandlungen allerdings nicht erfolgreich, weil beide Verhandlungspartner genau daran festhalten – an ihren Maximalforderungen. Das führt zu verhärteten Fronten und lässt eine Lösung in weite Ferne rücken.
Wer trotz unterschiedlicher Verhandlungsziele ein Geschäft nicht platzen lassen möchte, der braucht einen Plan B. Überlege Dir deshalb vor jeder Verhandlung eine Alternative zu Deinen Verhandlungszielen: Was wäre eine mögliche Alternative? Wie könntest Du mit dem Gesprächspartner verbleiben, ohne das Gesicht zu verlieren? Je besser Deine Alternative ist, desto weniger abhängig bist Du von Deinem Verhandlungspartner und desto besser sind Deine Aussichten auf einen Verhandlungserfolg.
Wie will ich in der Verhandlung auftreten?
Die wenigsten Projektleiter machen sich klar, dass der erste Eindruck eine Verhandlung entscheidend prägen kann – schließlich wird in Verhandlungen auf Grundlage verschiedener Eindrücke entschieden. Deshalb spielt das Auftreten der Projektleiter stets eine große Rolle. Sie können souverän und selbstbewusst wirken, aber auch das genaue Gegenteil bewirken.
Wer den Fehler begeht, das eigene Erscheinungsbild, das Auftreten und ebenso die Körpersprache für oberflächlich zu halten, der unterschätzt deren Einfluss auf den Verhandlungserfolg. Begehen Sie also nicht den Fehler, dies für oberflächlich zu halten, sondern setze Deine Außenwirkung ebenso wie Deine Kleidung bewusst ein – Erscheinung und Ausstrahlung sollten zur Situation passen und professionell wirken.
Survival-Tipps
- Bereite jede Verhandlung akribisch vor. Dann wirst Du in der Verhandlung nicht auf dem falschen Fuß erwischt. Notiere Dir vorher alle möglichen Einwände und die passenden Gegen-Argumente.
- Indem Du Dir klarmachst, welches Ergebnis Du erreichen willst, kannst Du viel zielgerichteter verhandeln. Lasse Dich nicht ablenken, dann wirst Du auch vom tatsächlichen Ergebnis nicht enttäuscht sein.
- Breche die Verhandlungen ab, wenn Deine Schmerzgrenze unterboten wird. Achte aber darauf, dass Du das später im Unternehmen oder gegenüber Deinem Auftraggeber problemlos rechtfertigen kannst.
- Sei vorsichtig, wenn es hart auf hart kommt: Reagiere auf den Druck nicht mit Kampf oder Flucht. Auf lange Sicht gesehen fährst Du in den meisten Projektsituationen besser, wenn Du zusammenarbeitest.
- Achte auf Dein Auftreten, insbesondere auf einen stetigen Blickkontakt, klare und deutliche Formulierungen sowie auf eine selbstsichere Gestik und Mimik.
- Gehe bitte nie, wirklich nie unvorbereitet in eine Verhandlung. Sonst kann man Dich ganz schnell aus dem Konzept bringen. Erfahrung hilft zwar, bewahrt Dich aber nicht vor Überraschungen.
Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.