Wie mein Chef wirklich tickt
Ich stelle Menschen gerne Fragen, weil mich ihre Arbeit, ihre Strategien, ihre Standpunkte oder ihre Thesen interessieren. Für meine Kolumne NACHGEFRAGT habe ich das Gespräch mit Jo Kern gesucht. Sie ist überzeugt, dass das Lesen in Gesichtern eine klare Methode sein kann, um Menschen besser zu verstehen und Arbeitsbeziehungen zu verbessern. Ich habe Jo Kern gefragt, warum das Lesen in Gesichtern helfen kann, Führungskräfte besser zu verstehen.
Mario: Jo, was genau versteht man unter Psychophysiognomie und wie kann sie uns helfen, das Verhalten von Führungskräften besser zu verstehen?
Jo: Die Psychophysiognomie ist die Kunst, Gesichter zu lesen und daraus Rückschlüsse auf Charaktereigenschaften und Verhaltensmuster zu ziehen. Jedes Gesicht erzählt eine eigene Geschichte und spiegelt innere Einstellungen wider. Als Facereaderin sehe ich das Gesicht eines Menschen als ein offenes Buch, das uns Informationen über seinen Führungsstil und seine Denkweise liefert. Diese Wissenschaft hat ihre Wurzeln in jahrtausendealten Traditionen und wird heute in verschiedenen Bereichen angewendet, von der Kriminalistik bis zur Persönlichkeitsentwicklung.
Mario: Welche spezifischen Merkmale im Gesicht können auf den Führungsstil einer Person hinweisen?
Jo: Die Form des Gesichts spielt eine entscheidende Rolle. Zum Beispiel deuten markante, eckige Formen wie ein breiter Kiefer und ausgeprägte Wangenknochen auf ein Bewegungsnaturell hin. Solche Personen sind oft „Macher“, die Herausforderungen lieben und zielstrebig handeln. Ihr Führungsstil ist dynamisch und durchsetzungsstark, was jedoch auch bedeutet, dass sie manchmal dominant wirken können und wenig Geduld aufbringen. Ihre direkte Art erfordert klare Kommunikation und schnelle Ergebnisse.
Mario: Wie sollten Mitarbeiter am besten mit Chefs umgehen, die solche markanten Gesichtszüge aufweisen?
Jo: Der Schlüssel im Umgang mit solchen Führungspersönlichkeiten liegt in der Strukturierung der Kommunikation. Es ist ratsam, gut durchdachte Vorschläge zu präsentieren, ohne lange Erklärungen zu verwenden. Struktur und Fakten sind hier entscheidend – Emotionen spielen eine untergeordnete Rolle. Zudem sollten Mitarbeiter die Entscheidungsfreude dieser Chefs respektieren, während sie gleichzeitig ihre eigene starke Position vertreten. So schaffen sie eine produktive Basis für die Zusammenarbeit und können die Stärken des Chefs optimal nutzen.
Mario: Jo, welche Merkmale im Gesicht deuten auf ein Empfindungsnaturell hin und wie beeinflussen diese Eigenschaften den Führungsstil?
Jo: Chefs mit feinen, zarten Gesichtszügen und großen Augen sind typischerweise dem Empfindungsnaturell zuzuordnen. Diese Persönlichkeiten zeichnen sich durch Kreativität, Empathie und Feinfühligkeit aus. Sie legen großen Wert auf ein harmonisches Arbeitsumfeld und fördern den Dialog innerhalb ihres Teams. Ihr Führungsstil ist oft kooperativ, da sie kreative Lösungen gerne gemeinsam mit ihrem Umfeld entwickeln. Allerdings bringt ihre hohe Sensibilität auch Herausforderungen mit sich, da sie anfällig für Konflikte oder Spannungen sind.
Mario: Wie sollten Mitarbeiter am besten mit Chefs umgehen, die solche empfindsamen Eigenschaften aufweisen?
Jo: Der Umgang mit Chefs des Empfindungsnaturells erfordert besondere Sensibilität. Es ist wichtig, Vertrauen aufzubauen und Wertschätzung sowie Respekt zu zeigen. Kritik sollte stets diplomatisch formuliert werden, da diese Führungspersönlichkeiten schnell persönliche Ablehnung empfinden können. Mitarbeiter sollten ihre Ideen als Teil eines gemeinsamen Prozesses präsentieren, um das Gefühl der Zusammenarbeit zu stärken. Auf diese Weise schaffen sie eine positive Atmosphäre, in der kreative Lösungen gedeihen können.
Mario: Welche Gesichtszüge deuten auf das Ernährungsnaturell hin und wie beeinflussen diese Merkmale den Führungsstil einer Person?
Jo: Chefs mit runden Gesichtszügen sind typischerweise dem Ernährungsnaturell zuzuordnen. Diese Personen schätzen Stabilität, Behaglichkeit und klare Strukturen in ihrem Arbeitsumfeld. Ihr Führungsstil ist pragmatisch und auf langfristige Sicherheit ausgerichtet. Sie sind ausgezeichnete Netzwerker und haben ein Talent dafür, Ressourcen effektiv zu planen und zu verteilen. Allerdings kann ihre Vorliebe für bewährte Lösungen und Traditionen dazu führen, dass sie Veränderungen nur sehr langsam akzeptieren.


Jo Kern ist Profilerin, Beraterin und Coach für Persönlichkeitsentwicklung. Als Facereading-Expertin hat sie ein Online-Training kreiert, das Führungskräften und Teams diese Fähigkeiten klar, konkret und mit einer Portion Spaß vermittelt. Von zu Hause aus können die Teilnehmer lernen, Gesichter zu lesen und dieses Wissen direkt anzuwenden.
Mario: Welche Herausforderungen können bei der Zusammenarbeit mit Chefs des Ernährungsnaturells auftreten?
Jo: Eine der größten Herausforderungen besteht darin, dass ihre Komfortzone manchmal eine gewisse Trägheit mit sich bringen kann. Sie neigen dazu, an gewohnten Abläufen festzuhalten und Veränderungen skeptisch gegenüberzustehen. Daher ist es wichtig, neue Ideen so zu präsentieren, dass sie die Vorteile von Stabilität und Sicherheit betonen.
Mario: Wie sollten Mitarbeiter am besten mit diesen Führungspersönlichkeiten umgehen?
Jo: Der Schlüssel im Umgang mit Chefs des Ernährungsnaturells liegt in einer pragmatischen Argumentation. Mitarbeiter sollten ihnen ausreichend Zeit geben, um neue Ideen zu durchdenken, und klar aufzeigen, wie einfach die Umstellung sein kann und welchen langfristigen Erfolg sie verspricht. Indem sie die Vorteile von Veränderungen im Kontext von Stabilität darstellen, können sie das Vertrauen dieser Führungspersönlichkeiten gewinnen und eine positive Zusammenarbeit fördern.
Mario: Jo, wie häufig sind Menschen in der Realität einem einzigen Naturell zuzuordnen, und was bedeutet das für ihre Persönlichkeit?
Jo: In der Realität sind die wenigsten Menschen klar einem einzigen Naturell zuzuordnen. Oft vereinen Gesichter Merkmale von zwei oder sogar drei verschiedenen Naturellen. Zum Beispiel kann die Zielstrebigkeit des Bewegungsnaturells mit der Empathie des Empfindungsnaturells kombiniert sein. Diese Mischung führt zu einer facettenreichen Persönlichkeit, die sowohl dynamisch als auch einfühlsam ist. Viele Führungspersönlichkeiten zeigen eine Kombination aus Bewegungs- und Ernährungsnaturell, wobei der Pragmatismus und die Zielorientiertheit durch die Dynamik des Bewegungsnaturells unterstützt werden.
Mario: Welche Vorteile bietet es, die unterschiedlichen Naturelle bei Führungspersönlichkeiten zu erkennen?
Jo: Das Erkennen der verschiedenen Naturelle eröffnet neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Wenn Mitarbeiter verstehen, welche Merkmale bei ihrem Chef stärker ausgeprägt sind, können sie ihr Verhalten und ihre Kommunikation entsprechend anpassen. Dies fördert nicht nur ein besseres Verständnis zwischen den Teammitgliedern, sondern ermöglicht auch eine effektivere Zusammenarbeit, da man gezielt auf die Stärken und Vorlieben der jeweiligen Führungspersönlichkeit eingehen kann.
Mario: Gibt es spezielle Tipps für den Umgang mit Führungspersönlichkeiten, die mehrere Naturelle in sich vereinen?
Jo: Ja, es ist wichtig, flexibel und anpassungsfähig zu sein. Achten Sie darauf, welche Merkmale bei Ihrem Vorgesetzten besonders ausgeprägt sind – sei es Zielstrebigkeit, Empathie oder Stabilität – und gestalten Sie Ihre Kommunikation entsprechend. Wenn Sie beispielsweise wissen, dass Ihr Chef pragmatisch ist, sollten Sie Ihre Vorschläge klar strukturiert und zielorientiert präsentieren. Gleichzeitig kann es hilfreich sein, empathische Ansätze einzubringen, um eine harmonische Atmosphäre zu schaffen. Diese Anpassungsfähigkeit kann die Zusammenarbeit erheblich verbessern und zu erfolgreichen Ergebnissen führen.
Mario: Jo, wie können Gesichtszüge auf den „Ich-“ oder „Du-Modus“ einer Person hinweisen, und was bedeuten diese Modi für die Arbeitsweise?
Jo: Die Gesichtszüge einer Person können tatsächlich viel über ihren Denkmodus aussagen. Eingefallene Wangen und eine große Nase deuten oft auf ein „Ich“-Denken hin. Diese Personen sind in der Regel ergebnisorientiert und zielgerichtet, jedoch weniger auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter fokussiert. Im Gegensatz dazu signalisieren eine hohe Stirn, volle Wangen und offene Augen den „Du-Modus“. Chefs, die diesen Modus verkörpern, schätzen Teamgeist und legen Wert auf gemeinsame Lösungen. Diese Unterschiede beeinflussen maßgeblich, wie Führungspersönlichkeiten ihre Teams leiten.
Mario: Wie sollten Mitarbeiter ihre Kommunikation anpassen, um effektiv mit Chefs im „Ich-“ oder „Du-Modus“ zu interagieren?
Jo: Es ist entscheidend, die Kommunikation entsprechend anzupassen. „Ich“-Denker schätzen klare Ergebnisse und konkrete Fakten; sie bevorzugen eine direkte und zielorientierte Ansprache. Daher sollten Mitarbeiter ihre Vorschläge präzise formulieren und den Fokus auf messbare Ergebnisse legen. Bei „Du“-Denken hingegen ist ein wertschätzender Dialog wichtig. Hier sollten Mitarbeiter darauf achten, die Teamdynamik zu betonen und gemeinsame Erfolge hervorzuheben. Indem man sich an den jeweiligen Denkmodus anpasst, kann man die Zusammenarbeit optimieren und Missverständnisse vermeiden.
Mario: Herr Dr. Weber, was genau versteht man unter Psychophysiognomie und wie kann sie dazu beitragen, Arbeitsbeziehungen zu verbessern?
Jo: Psychophysiognomie ist eine Methode, die es ermöglicht, Menschen besser zu verstehen, indem man ihre Gesichtsstruktur analysiert. Es handelt sich dabei nicht um Wahrsagerei, sondern um eine fundierte Technik, die auf der Beobachtung von Gesichtszügen basiert. Indem Sie die Merkmale Ihres Chefs oder Ihrer Kollegen erkennen, können Sie herausfinden, was sie antreibt und welche Bedürfnisse sie haben. Dieses Wissen hilft Ihnen, Konflikte zu vermeiden und Vertrauen aufzubauen, was letztendlich zu einer effektiveren Zusammenarbeit führt.
Mario: Abschließend gefragt: Welche Vorteile bietet das Gesichtslesen in einem beruflichen Umfeld?
Jo: Das Gesichtslesen schärft den Blick für die Einzigartigkeit jedes Individuums und reduziert Missverständnisse in der Kommunikation. In einer Arbeitswelt, die stark von zwischenmenschlichen Verbindungen abhängt, ist dies ein unschätzbarer Vorteil. Wenn Mitarbeiter und Führungskräfte lernen, die nonverbalen Signale ihrer Kollegen zu deuten, können sie ihre Interaktionen gezielt verbessern und so langfristige Beziehungen aufbauen, die für den Erfolg des Unternehmens entscheidend sind.
Mario: Liebe Jo, herzlichen Dank, dass ich bei Dir nachfragen durfte.


Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.