Agilität

Widerstand gegen agile Methoden

Von am 05.02.2024

Im Zuge agiler Veränderungsprozesse werden Konflikte gerne unter den Teppich gekehrt. Bloß schnell arbeitsfähig werden. Jeder erfahrene Teamentwickler und Coach weiß, wie naiv das ist. Gerade in einer agiler werdenden Organisation brechen oft sehr spezifische Konflikte auf, die Du besser kennen solltest.

Ein kleines Team, bestehend aus fünf überaus engagierten Projektleiterinnen, ist für einige bereichsübergreifende Projekte verantwortlich. Sie haben sich mit ihrem Projekt-Coach zur regelmäßigen Supervision getroffen und klagen ihm nun ihr Leid. Sie möchten in ihren Projekten auf agile Methoden umsteigen, stoßen jedoch auf erheblichen Widerstand in der Belegschaft. Gerade dieser neue Projektmanagementstil erfordert das Verständnis der Mitarbeiter. Ohne deren Unterstützung laufen die neuen Ansätze und Methoden ins Leere.

Die Projektleiterinnen arbeiten in einer Bank, wobei man Bank wahlweise durch jedes andere disruptive Umfeld ersetzen könnte. Die meisten Mitarbeiter haben sich für diese Branche entschieden, weil sie ein sicheres Umfeld suchen. Typischerweise wird man kein Bankkaufmann oder Bankbetriebswirt, weil man die Welt verändern möchte oder eine besonders risikofreudige Persönlichkeit besitzt. Allein daraus ergeben sich zahlreiche Konfliktherde, die besonders heikel sind, da sie oft unbewusst sind und nicht selten verdeckt ausgetragen werden. Wenn man sich das vor Augen führt, wird klar, warum die fünf Projektleiterinnen bei ihrem Vorhaben, in ihren Projekten neue Wege zu gehen und agile Methoden einzusetzen, auf so viel Widerstand stoßen.

Die Einführung agiler Arbeitsweisen empfinden viele Menschen als Bedrohung – kein Wunder, gehen die Methoden für den Laien doch meist über deren Komfortzone hinaus – und auf diese Bedrohnung reagieren sie mit Widerstand.

Immer öfter möchten Projektleiter auf agile Methoden umsteigen. Ein neuer Projektmanagementstil ist eine Veränderung, die vor allem auch das Verständnis und die Unterstützung der Mitarbeiter erfordert. Vor allem, wenn im Unternehmen sehr lange ein anderer Führungsstil angewendet wurde, bringt eine Umstellung auf agile Methoden für alle Beteiligten große Veränderungen mit sich. In kleineren Teams fällt die Änderung meist noch leichter als in großen Unternehmen. Doch wie führe ich agile Methoden ein, ohne dabei Gegenwind vom Team zu bekommen?

Foto: Ferenc Horvath auf Unsplash

Skepsis und Ablehnung

Einige mögliche Form des Widerstands sind Skepsis und Ablehnung, d.h. die Mitarbeiter/innen sind skeptisch gegenüber Veränderungen und zweifeln die Notwendigkeit oder die Wirksamkeit agiler Methoden im Projekt an.

Um mit dieser Skepsis und Ablehnung gegenüber Veränderungen umzugehen, ist es wichtig, auf die Bedenken und Ängste der Mitarbeiter einzugehen und sie ernst zu nehmen. Eine klare und offene Kommunikation über die Gründe für die Veränderungen, die Ziele und den Nutzen der agilen Methoden kann dazu beitragen, diese Skepsis zu verringern. Lasse die Mitarbeiter/innen an Entscheidungen teilhaben und gib ihnen die Möglichkeit, ihre Bedenken zu äußern. Dies kann das Gefühl vermitteln, dass ihre Meinung gehört wird.

Mangelnde Zusammenarbeit

Ein weiterer Grund für die zögerliche Haltung in der Belegschaft könnte in der mangelnden Bereitschaft zur Zusammenarbeit liegen, d.h. einige Mitarbeiter/innen könnten widerstrebend sein, in interdisziplinären Teams zu arbeiten oder ihre Arbeitsweise zu verändern, um den Anforderungen agiler Methoden gerecht zu werden.

Ein gut funktionierendes Team ist kein Selbstläufer. Viele glauben, dass allein die Nutzung agiler Methoden für eine reibungslose Zusammenarbeit sorgt – das Gegenteil ist der Fall. Es erfordert oft genug zusätzliche Anstrengungen, die darauf abzielen, das Teamgefühl zu stärken und die Zusammenarbeit zu fördern. Außerdem solltest Du sicherstellen, dass klare Ziele und Erwartungen für die Zusammenarbeit festgelegt werden, um ein gemeinsames Verständnis darüber zu schaffen, was erreicht werden soll. Auch können offene Kommunikationskanäle, in denen Mitarbeiter/innen ihre Ideen und Bedenken äußern können, dazu beitragen, Barrieren abzubauen und das Vertrauen untereinander zu stärken.

Angst vor Unsicherheit

Agile Methoden erfordern oft Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, was bei einigen Mitarbeiter/innen Ängste hervorrufen kann, insbesondere wenn sie ein sichereres und vorhersehbares Arbeitsumfeld gewohnt sind. In einer Kultur von Angst und Schuld bleibt Agilität weit hinter ihrem eigentlichen Potenzial zurück. Schnelle Ergebnisse und Verbesserungen in kurzen Abständen finden alle gut. Nur falsch dürfen die Zwischenschritte nicht sein. Das widerspricht jedem agilen Grundprinzip.

Wer Angst hat wagt zu wenig. Ängstliche Mitarbeitende machen Dienst nach Vorschrift und befolgen Prozessvorschriften, gestalten aber nicht die Zukunft – mussten und sollten sie auch gar nicht. Das war schließlich bisher Aufgabe des Managements. Unsicherheit führt zu Fehlern und Fehler führen zu Schuldigen, was keine Karriere fördert.

Achte deshalb darauf, dass Du agile Methoden schrittweise einführst, um den Mitarbeiter/innenn Zeit zu geben, sich anzupassen und Vertrauen in die neuen Methoden aufzubauen. Außerdem kann ein regelmäßiges Feedback von den Mitarbeiter/innen hilfreich sein, um herauszufinden, welche Herausforderungen sie bei der Umstellung erleben und wie diese bewältigt werden können.

Kulturelle Widerstände

In seit Jahrzehnten etablierten Organisationen können kulturelle Normen und Traditionen die Einführung agiler Methoden behindern, insbesondere wenn diese im Widerspruch zu bestehenden Praktiken stehen.

Der wesentliche Grund für kulturelle Widerstände in Veränderungsprozessen liegt oft darin, dass Menschen dazu neigen, sich an bestehende Arbeitsweisen, Gewohnheiten und Denkmuster zu klammern. Veränderungen bedeuten Unsicherheit und erfordern Anpassung, was dann Ängste und Widerstand hervorrufen kann. Zudem können kulturelle Normen und Werte innerhalb einer Organisation dazu führen, dass Mitarbeiter Veränderungen als Bedrohung für ihre Identität oder ihre Position im Unternehmen empfinden.

Wenn man, wie die fünf Projektleiterinnen, neue Methoden einführen möchte, sollte man sich im Vorfeld über die kulturellen Widerstände Gedanken machen, die im spezifischen Kontext auftreten können – und die Gründe dahinter verstehen. Was es dann braucht, ist eine gute Strategie und viel Geduld. Denn: Veränderungen brauchen Zeit, besonders wenn man auf kulturelle Widerstände stößt. Da heißt es, geduldig und beharrlich zu sein.

Es gibt keine allgemeingültige Lösung für die Einführung agiler Methoden. Es ist entscheidend, individuell auf die bestehenden Gegebenheiten, das jeweilige Unternehmen und das Team einzugehen. Auch Stolpersteine bei der Einführung müssen individuell bewältigt werden. Ein kleines Team in einem jungen Start-up Unternehmen wird agilen Methoden von Beginn an deutlich offener gegenüberstehen als ein großes Team in einem Unternehmen, das seit Jahrzehnten mit klassischen Führungsmodellen arbeitet.

Survival-Tipps

  • Packe Dich zunächst an die eigene Nase, denn erfahrungsgemäß werden Veränderungen von Mitarbeiter/innen besser angenommen, wenn auch Du sie vorlebst.
  • Leiste Überzeugungsarbeit, wenn Du agile Methoden einführen willst. Als Projektleiter/in ist es auch Deine Aufgabe, Vertrauen im Team aufzubauen.
  • Pflege eine offene Kommunikation und beziehe Deine Mitarbeiter/innen in die geplante Einführung von agilen Methoden ein – das trägt zum Vertrauensaufbau bei.
  • Überlege gemeinsam mit Deinem Team, welche Arbeitsweisen Sinn ergeben. Nur weil es neu ist, muss es ja nicht automatisch schlecht sein.
  • Oft wirkt schon das Wort „agil“ abschreckend. Warum nicht einfach mal eine neue Methode oder Vorgehensweise im Team ausprobieren, ohne viel Aufhebens darum zu machen?
  • Die Veränderung des Arbeitsstils benötigt Zeit. Überfordere Deine Mitarbeiter/innen nicht, sondern führe agile Methoden nach und nach ein.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf  marioneumann.com.