Change

Rückenwind trotz Widerstand

Von am 16.09.2024

Niemand will es wahrhaben, dabei zeigen zahlreiche Studien: Widerstand ist Teil jeder Veränderung. Treten Ablehnung und Widerstand auf, meinen viele Führungskräfte mit einer „klaren Ansage”, den Unmut beenden zu können. Möglicherweise hören sie dann keine „Widerworte” mehr, aber das heißt nicht, dass es keine Ablehnung mehr gibt, sie wirkt dann meist im „Untergrund” weiter und bremst das Vorhaben. Dabei lässt sich diese Energie auch ins Positive wandeln und für den Projekterfolg nutzen.

Christina B. und ihr Projektteam sind konsterniert. Seit Wochen blockieren die Mitarbeiter aus den Fachbereichen das ambitionierte Digitalisierungsprojekt – damit ist das Vorhaben fast schon zum Scheitern verurteilt. Den Grund dafür sieht die erfahrene Projektleiterin darin, dass das Management die Bedürfnisse der Mitarbeiter übersehen hat. Das Hauptübel aber sei, dass die enormen zusätzlichen Belastungen durch das Vorhaben nicht einmal für Entlastung im Tagesgeschäft sorgen.

Wenn etwas Neues oder Anderes von Mitarbeitern erwartet wird, gibt es häufig Widerstand. Die betroffenen Mitarbeiter sagen möglicherweise laut oder leise: „Nein, will ich nicht.“ Das zeigt sich vielfältig – von offener Ablehnung „Diesen Quatsch brauchen wir nicht” über sachlich verpackte Abwehr „So weit sind wir noch nicht” oder „Das müssen wir erst mal gründlich prüfen”, bis hin zum stillen Widerstand „Das wollen wir doch mal sehen” oder „Ich mach da nicht mit”.

In Veränderungsprojekten drückt man sich gerne um den Widerstand herum. Man ignoriert Unmutsäußerungen und wischt Einwände beiseite. Doch dadurch verschwindet der Widerstand nicht. Im Gegenteil: Er ist in der Folge nur weniger sichtbar – und damit deutlich gefährlicher für das Projekt.

Widerstand als wichtiger Hinweisgeber

Die Ursachen für Widerstand in Veränderungsvorhaben sind vielfältig: Vielleicht verbirgt sich dahinter ein wichtiger Hinweis auf mögliche Schwierigkeiten und Fehlerquellen im Veränderungsvorhaben. Oder die Beschäftigten sorgen sich darum, den neuen Anforderungen nicht gewachsen zu sein. Womöglich ist der Widerstand auch destruktiv und die Mitarbeiter wollen das Vorhaben einfach nur torpedieren. Der Widerstand kann also durchaus als Risiko, aber auch als Chance eines Projektes gesehen werden.

Wer nachfragt und genau hinhört, kann vielleicht den Veränderungsprozess beschleunigen, mögliche Stolpersteine aus dem Weg schaffen oder Qualifizierungs- und Unterstützungsangebote für die Beschäftigten entwickeln.

Foto: Austin Distel auf Unsplash

Verschiedene Arten des Widerstands

Prinzipiell können Widerstände auf drei verschiedene Ursachen zurückgehen:

  • Sachliche Ängste, wenn Ziele und Vorgehensweisen in Zweifel gezogen werden.
  • Eigeninteressen, wenn Besitzstände (Macht, Status, etc.) droht sind.
  • Persönliche Ängste, wenn die Veränderung als bedrohlich empfunden wird.

Diese Ängste sind der Motor für Widerstände. Leider werden sie meist nicht als solche benannt, sondern als „Sachargumente“ maskiert immer wieder auf den Tisch gebracht. Ängste kann man deshalb nicht einfach mit Sachargumenten „wegreden“. Trotzdem ist es als Strategie für den Umgang mit Widerständen sinnvoll,

  • Rationaler Widerstand: Dieser Widerstand bezieht sich auf sachliche Ängste und ist meist von ganz logischen Argumenten gegen die Veränderung geprägt. Natürlich sind die Risiken und Gefahren, die mit einer Veränderung einhergehen oft gar nicht so groß, wie angenommen. Aber es besteht die Möglichkeit, dass an den Argumenten etwas dran ist. Deshalb sollte man sich zunächst einmal mit den Sachargumenten auseinander setzen.
  • Politischer Widerstand: Dieser Widerstand entsteht immer dann, wenn Veränderungen in die Handlungsfreiheit der Beschäftigten eingreifen und deren Eigeninteressen bedrohen, wie den Verlust von Macht, Status oder Ansehen. Das ist zunächst nichts Unanständiges. Jeder Mensch hat schließlich persönliche Wünsche, Interessen und Bedürfnisse. Wer Eigeninteressen aber politisiert, macht die Lage meist nur schlimmer. Wenn die Betroffenen das Gefühl haben, es sei tabu, ihre eigenen Interessen zu benennen, dann werden sie nach anderen Wegen suchen.
  • Emotionaler Widerstand: Dieser Widerstand entwickelt sich häufig aus persönlichen Ängsten und Befürchtungen. Betroffene Mitarbeiter haben nur dann persönlich Angst, wenn sie denken, diese nicht bewältigen zu können, wenn sie sich hilflos fühlen, sich also nicht zutrauen, mit dem Neuen und Unbekannten umzugehen. Diese Art von Widerstand ist sicherlich die anspruchsvollste Herausforderung, da sie aus unterschiedlichen Ursachen und Tiefen herrührt und immer sehr individuell geprägt ist.

Natürlich können sich diese Arten von Widerstand auch vermischen und überlappen. Aber diese Strukturierung hilft bei der Planung der erforderlichen Maßnahmen, um für mehr Akzeptanz der Veränderung zu sorgen.

Wie man dem Widerstand begegnet

Gerade bei den betroffenen Mitarbeitern des Unternehmens muss Akzeptanz für die Veränderungen geschaffen werden. Durch investierte Zeit sowie Aufklärungs- und Schulungsangebote können Widerstände abgebaut werden. Den Mitarbeitern fällt es dann leichter, die anstehenden Veränderungen zu akzeptieren. Die Möglichkeiten der Maßnahmen sind vielfältig, lassen sich aber prinzipiell in die vier Erfolgsfaktoren Kommunikation, Zielklarheit, Teilhabe, Befähigung und Commitment aufteilen.

Kommunikation: Für ein erfolgreiches Veränderungsprojekt ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Kommunikationsfaden zwischen der Geschäftsleitung, dem Projektteam und dem „Rest der Belegschaft“ nicht abreißt. Idealerweise beginnt die Kommunikation bereits vor Projektbeginn und wird über das gesamte Projekt hinweg aufrechterhalten.

Zielklarheit: Die Beschäftigten wollen einen Sinn in den Dingen erkennen und darauf vertrauen, dass Veränderungen gründlich durchdacht sind und einen erkennbaren sowie plausiblen Grund haben. Sie müssen verstehen, warum diese Veränderung wichtig ist und warum sie gerade jetzt erfolgt. Für ein erfolgreiches Change Management sind deshalb zwei Dinge absolut unerlässlich: Erstens Klarheit der übergeordneten Ziele, und zweitens ein belastbarer Konsens darüber, auf welchem Weg diese Ziele erreicht werden sollen.

Teilhabe: Dass die Firmenspitze die Richtung vorgibt, heißt nicht, dass sie den Rest der Belegschaft hinter sich lassen darf. In der Praxis nehmen Mitarbeiter die Partizipation oft als rein kosmetische Maßnahme wahr, mit der autoritär durchgesetzte Veränderungen kaschiert werden sollen. Projektverantwortliche empfinden Partizipation hingegen häufig als Gratwanderung: Zu wenig Partizipation erzeugt Widerstand, zu viel führt hingegen zum Verlust des Führungsanspruchs.

Befähigung: Der Belegschaft muss genügend Zeit gegeben werden, damit sie sich mit der neuen Materie auseinandersetzen kann. Denn Veränderungen brauchen Zeit. Die Betroffenen durchlaufen verschiedene Phasen der Veränderung, um mit einer Veränderung zurechtzukommen und sich bestenfalls mit ihr zu identifizieren. Diese Phasen werden je nach Persönlichkeit unterschiedlich schnell durchlebt. Aber die Erfahrung hat gezeigt, je mehr Informationen und Transparenz an die Betroffenen herangetragen werden, desto schneller können sie sich durch die verschiedenen Phasen bewegen.

Commitment: Eine Veränderung muss von der Führungsebene gelebt werden und es muss ersichtlich sein, dass das Management hinter der Veränderung steht. Neben dem Management ist es wichtig, die richtigen Stakeholder mit an Bord zu holen, um den Change zu kommunizieren, zu promoten und zu leben.

Fazit

Jeder Change Prozess ist individuell und trotz der dargestellten Ansätze des Change Managements, gibt es keine Möglichkeit Veränderungen standardisiert umzusetzen. Die individuelle Begleitung von Veränderungsprojekten durch erfahrene Change-Agents aus den eigenen Reihen oder als externe Dienstleister hilft Projektleitern, ihre Veränderungsvorhaben mit deutlich mehr Rückenwind umzusetzen, anstatt sich an existierenden Widerständen in der Belegschaft die Zähne auszubeißen.

Survival-Tipps

  • Denken Sie daran: Das beste Gegenmittel gegen Ängste ist eine offene Kommunikation und das zügige Schaffen klarer Verhältnisse.
  • Nehmen Sie sachliche Ängste ernst, denn sie machen uns auf Dinge aufmerksam, die wir bei der Konzipierung der Veränderungen womöglich übersehen haben.
  • Akzeptieren Sie persönliche Ängste der Betroffenen, auch wenn sie noch so irrational sind. Es verstärkt nur den Widerstand, wenn Sie die Ängste als unbegründet erklären.
  • Suchen Sie gemeinsam mit den betroffenen Personen nach Lösungen, die ihnen die Ängste nimmt und es ihnen ermöglicht, sich auf die Veränderung einzulassen.
  • Bedenken Sie: Eigeninteressen sind in Veränderungen nichts Unanständiges. Und es macht allen Beteiligten das Leben leichter, wenn es erlaubt ist, offen darüber zu reden.
  • Wägen sie gemeinsam mit den Führungskräften Einzel- und Gesamtinteressen ab, wenn es Konflikte gibt. Unter Umständen findet sich dabei eine annehmbare Lösung.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.