Well Team Times Nr. 287

Wer verantwortet hier was?

Von am 10.10.2024

– Verantwortung –
Wer verantwortet was, wann, wo, gegenüber wem?

Zunächst darf man drei Begriffe nicht durcheinanderbringen:
Zuständigkeit, Kompetenz und Verantwortung.

Zuständig ist, wer dazu eingeteilt ist, eine Aufgabe zu erfüllen. Das Kriterium der Zuständigkeit ist also Einteilung, und nicht Kompetenz oder Verantwortung.

Kompetent ist, wer aufgrund seines Wissens, Könnens und Wollens geeignet und befugt ist, eine Aufgabe zu erfüllen.

Verantwortlich ist, wer die materiellen oder existenziellen Konsequenzen für einen eventuellen Misserfolg zu tragen hat. Natürlich gebührt dem Verantwortlichen bei einem Erfolg auch die Anerkennung.

Für ein sicheres Funktionieren eines sozialen Systems ist es absolut notwendig, dass der Zuständige auch entsprechend kompetent ist und bereit ist, die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.

Verantwortung übertragen

Dazu gehören in der Regel mindestens zwei Personen: derjenige, der sie überträgt, und derjenige, der sie übertragen bekommt. Letzterer muss sich frei fühlen, die Verantwortung zu übernehmen oder eben auch nicht zu übernehmen.
In Institutionen, Firmen und Verbänden muss man klare und eindeutige Verantwortlichkeiten festlegen. Das heißt, dass hinter jeder Aufgabe der Name einer Person zu stehen hat – und nicht etwa einer Gruppe, wo sich jeder wegdrücken kann. Ob diese Person dann ein Team braucht, um die Aufgabe zu erfüllen, ist eine zweite Frage. Immer häufiger wird das der Fall sein.
Die Verantwortung muss bei einem Individuum liegen. Und damit stellt sich sehr konkret die Frage, was diese Person wissen und können muss und welche Kompetenzen sie braucht, um die Verantwortung auch tatsächlich übernehmen zu können.

Foto: Matjaz Slanic auf istockphoto

Verantwortung für andere

Es kommt vor, dass jemand von sich aus die Verantwortung für etwas übernimmt, ohne dass es jemanden gab, der sie ihm übertragen hätte. Er tut es aus seinem Gewissen heraus. Das kann sehr positive Auswirkungen haben, es kann aber auch eine Anmaßung darin liegen.

Im gesellschaftlichen Zusammenleben bedeutet Verantwortung für eine Sache:

  • bei Fragen über die Sache eine Antwort geben
  • im Zusammenhang mit dieser Sache reagieren und die Folgen tragen

In diesem Sinne ist Verantwortung eine ausgehandelte gesellschaftliche Pflicht. In dieser Pflicht muss man bereit sein, für seine Handlungen einzustehen und die Folgen zu tragen.

Wenn Eltern Verantwortung für ihre Kinder tragen, dann haben sie die Pflicht, nach bestem Wissen und Gewissen auf sie zu reagieren und für sie zu sorgen. Sie müssen die Folgen tragen, wenn den Kindern etwas zustößt oder wenn sie etwas anstellen. Doch sie haben nicht die Verantwortung dafür, wie sich die Kinder fühlen und was die Kinder aus der elterlichen Fürsorge machen. Hier ist das Kind eigenverantwortlich.

Wenn ein Seminarleiter die Verantwortung für seine Teilnehmer hat, dann hat er die Pflicht, nach bestem Wissen und Gewissen auf sie zu reagieren, sich um sie zu kümmern und ihnen sein Wissen und seine Einsichten anzubieten. Doch er hat nicht die Verantwortung dafür, was die Teilnehmer aus all dem machen und wie sie sich damit fühlen. Da sind sie selbst verantwortlich.

Ob ein Seminarleiter …

eine Verantwortung für seine Teilnehmer trägt, hängt davon ab, ob er sich zu etwas verpflichtet hat. Hat diese Verpflichtung nicht stattgefunden, dann hat er auch keine Verantwortung für die Teilnehmer. Er hat nur die Verantwortung für sich selbst, für seine Handlungen und Entscheidungen, also für das Programm und den Ablauf des Seminars. Dann muss er also nur die Folgen von dem tragen, was er selbst tut. Was die Teilnehmer fühlen, was sie aus dem Seminar machen, wie sie handeln, ist allein deren Verantwortung. Sie sind selbst verantwortlich.

Verantwortung für die Gefühle anderer

Nicht alle Teilnehmer sind so offen, ihre Gefühle, insbesondere die unerwünschten, zuzulassen, zu zeigen und zu wandeln. Solche Prozesse erwarten sie nicht in einem Workshop, wo es um Teamdynamik geht.
Sie sagen: „Was hat das Team mit meinen innersten Gefühlen zu tun? Ein Team ist ein Arbeitsteam und keine Therapiegruppe.“ Manche Teilnehmer sind darüber verwundert, wenn sie im Workshop „schlechte Gefühle“ bekommen. Sie blockieren und kritisieren gern den Moderator oder den teamdynamischen Prozess, den sie selber anders gelenkt hätten.
Manche Menschen machen andere für ihre Gefühle verantwortlich:
„Mir geht es schlecht, weil die anderen mich mit ihren Problemen so runterziehen.“ Manche geben vor allem dem Moderator die Schuld: „Der veranstaltet hier Seelenstriptease. Das möchte ich mir nicht mit ansehen.“
Hier kann der Moderator leicht in die Rechtfertigung kommen, er kann sich verantwortlich fühlen. Hätte er doch bloß leichtere Übungen gemacht, hätte er doch nicht so scharf geantwortet. Er möchte vielleicht die Gefühle auffangen, die Probleme deckeln, die Wogen glätten, die Teilnehmer trösten. Doch das geht nicht, denn die sich in der Gruppe ausbreitenden Gefühle sind wie eine große Woge, die er nicht wegpusten kann.

Jetzt ist es höchste Zeit, etwas klarzustellen. Am besten, er erklärt von vornherein, schon gleich am Beginn des Workshops, dass jeder für sich selbst verantwortlich bleibt. Die Verantwortung für sich selbst kann der Teilnehmer nicht an der Garderobe abgeben. Er bleibt verantwortlich für das, was er tut, was er nicht tut, und auch für das, was er fühlt. Letztlich auch für das, was er nicht fühlt. Der Moderator sollte den Teilnehmern erklären:
„Das, was hier passiert, ist nicht der Grund für das, was ihr hier fühlt. Es ist nur ein Auslöser. Was ihr fühlt, ist bereits in euch, wurde nur geweckt und bleibt in eurer Verantwortung.
Beschwert euch bei niemandem, nehmt eure Gefühle an. Sie sind das Geschenk der Stunde und ihr habt die Chance, mit Hilfe der Gruppe diesen Gefühlen zu begegnen und sie hinter euch zu lassen. Was ihr daraus macht, ist und bleibt euer eigenes Ressort. Ihr bleibt souverän und damit selbstverantwortlich.“
Für die Deutung unserer Erfahrungen, für das, was wir wahrnehmen und worauf wir in reagieren, sind wir immer selbst verantwortlich.

Der US-amerikanische Experte für Beziehungspsychologie,
Chuck Spezzano, erklärt es uns:

Du bist verantwortlich für deine Gefühle

Wenn du Gefühlen nachspürst, wird klar, dass sie nur aus dir selbst, aus deinem Inneren kommen können. Niemand kann dich dazu bringen, etwas zu fühlen, das nicht in dir ist. Wenn du sagst, dass ein anderer dich dazu gebracht hat, verärgert oder gekränkt zu sein, sagst du damit auch, jemand könne den oberen Teil deines Kopfes aufschrauben, in dich hineingreifen, den Ärger-Hebel umlegen oder den Schmerz-Knopf drücken. Das entspricht aber nicht den Tatsachen. Du selbst hast die Möglichkeit zu entscheiden, was du empfindest. Wenn Schmerz uns erfüllt, gibt es irgendwann Situationen, die ihn zum Ausbruch bringen. Aber es sind unsere Gefühle, und deshalb sind wir selbst verantwortlich. Wenn wir versuchen, einen anderen für unsere Gefühle verantwortlich zu machen, machen wir uns selbst schlechter, als wir sind, und begeben uns selbst in die Position des Opfers. Wenn wir für unsere Gefühle selbst verantwortlich sind, folgt daraus, dass es auch in unsere Hand gegeben ist, sie zu ändern. Wenn ein anderer für unsere Gefühle verantwortlich ist, müssen wir ihn in der Absicht manipulieren, sich anders zu verhalten, damit wir uns gut fühlen. Das klingt nun wirklich ziemlich kompliziert – die Wahrheit ist einfach!

Du kannst deine Gefühle ändern. Deine negativen Gefühle verweisen auf eine Lektion, die du zu lernen hast, etwas, das zu ändern du aufgerufen bist, oder etwas, das geheilt werden will. Fühle dich verantwortlich für deine Gefühle, und du wirst auf diese Weise die Situation von jeglicher Form der Manipulation und der emotionalen Erpressung befreien.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.