Die sechs goldenen Teamfähigkeiten
In Projekten wird fast schon inflationär von Teamfähigkeit gesprochen. Der Begriff ist aber keine leere Floskel, denn ein Projektleiter ist in jeder Hinsicht auf seine Mitarbeiter angewiesen: Nur mit den richtigen Leuten kann er ein wirklich schlagkräftiges Team aufbauen. Wer jedoch neu in die Position des Projektleiters aufsteigt, verkennt häufig diese einfache Wahrheit.
Es ist nicht das erste Projekt, das Manuel R. im Unternehmen leitet, wohl aber sein bisher größtes. Er schwört auf ein harmonisches Miteinander – Streit, Auseinandersetzungen und Unstimmigkeiten will er auf jeden Fall vermeiden. Ein nachvollziehbarer und zugleich gefährlicher Ansatz. Mit seinem übertriebenen Wunsch nach Harmonie bringt sich Manuel R. selbst in Schwierigkeiten. Er verkommt schon nach wenigen Wochen zum Ja-Sager, der nur noch versucht, es allen recht zu machen. Eine eigene Meinung hat er längst nicht mehr, da andere widersprechen könnten.
Zum Thema „Teamfähigkeit“ gibt es einige Vorstellungen, die sich hartnäckig halten. Man ist nicht per se teamfähig, nur weil man mit den Kollegen gut auskommt, immer nett ist und sich alle lieb haben. Ganz im Gegenteil: Die übertriebene Harmoniesucht von Manuel R. geht dabei über das gesunde Maß hinaus. Denn Diskussionen im Team sind nicht automatisch schlecht, sondern manchmal genau der richtige Weg. Unter Teamfähigkeit kann man genauso gut verstehen, dass man damit leben und umgehen kann, wenn ganz unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen und es durchaus mal heiß hergeht.
Teamfähigkeit ist keine Charaktereigenschaft oder Talent. Es ist eine erlernte Fähigkeit. Alles in allem ist die Teamfähigkeit ein komplexes Zusammenspiel aus zahlreichen persönlichen Kompetenzen, die ein Projektleiter fördern und orchestrieren muss.
Unter guter Teamarbeit wird oft ein harmonisches Miteinander verstanden. Manchmal geht es sogar noch weiter und gute Teamarbeit wird dann empfunden, wenn alle einer Meinung sind. Grundsätzlich mag das stimmen, aber die Dosis macht bekanntlich das Gift. Natürlich ist es gut, nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen Streit vom Zaun zu brechen, auch mal nachsichtig zu sein, Kompromisse einzugehen und Auseinandersetzungen verhindern zu können. Allerdings führt gesteigerte Harmoniesucht oft eher noch zu mehr Problemen und ist gerade auf lange Sicht wenig hilfreich. Letztlich sind es andere Kompetenzen, die ein wirklich gutes Team ausmachen.


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Teamfähigkeit 1 – Empathie
Zahlreiche Studien haben längst belegt, dass die Intelligenz bei der Teamarbeit so gut wie keine Rolle spielt. Gruppen mit lauter Hochbegabten schneiden selbst bei klassischen Intelligenzaufgaben nicht messbar besser ab als weniger begabte Gruppen. Die Experimente zeigen, dass es vielmehr Empathie ist, die einen guten Teamplayer ausmacht.
Damit ein Team gut funktioniert, brauchen die Teammitglieder die Fähigkeit und auch die Bereitschaft, sich in die anderen einzufühlen und wahrzunehmen, was in ihnen vorgeht. Dabei geht es nicht nur darum, sich in die Eigenarten eines Gegenübers einzufühlen, sondern diese auch akzeptieren zu können.
Teamfähigkeit 2 – Kooperationsbereitschaft
Die Mitarbeiter müssen willens und in der Lage sein, im Team verschiedenste Interessen und Ansichten zugunsten eines gemeinsamen Ziels zu verhandeln. Jedes Teammitglied sollte die Bereitschaft mitbringen, im Konfliktfall einen Kompromiss zu finden. Dazu gehört es, seine Ideen einzubringen und gleichzeitig ein offenes Ohr für Gegenvorschläge zu haben.
In Zukunft wird die Kooperationsbereitschaft zu einem noch wichtigeren Erfolgsfaktor werden und die besondere Aufmerksamkeit der Projektleiter fordern: Der Trend zu immer größeren, vernetzteren und virtuell arbeitenden Teams läuft auf eine immer intensivere Kooperation hinaus. Gleichzeitig wächst aber ihre Bedeutung, denn in einer Wissensgesellschaft wird die Bereitschaft, Wissen zu teilen, mehr und mehr zum Erfolgsfaktor.
Teamfähigkeit 3 – Einsatzbereitschaft
Jedes Teammitglied muss bereit sein, sich für das Projekt zu engagieren und bei Problemen oder neuen Aufgaben nicht vorschnell aufzugeben. Sie unterstützen auch Kolleginnen und Kollegen bei Bedarf. Wenn beispielsweise das Projekt in einer Krise steckt, packen die Mitarbeiter zu und legen notfalls Überstunden ein, um das Vorhaben zu retten.
Teamfähigkeit 4 – Kompromissbereitschaft
Die Forderung nach Kompromissbereitschaft kann man mit zwei einfachen Grundsätzen auf den Punkt bringen: Zunächst bildet man sich eine klare Meinung, bleibt aber offen für eine bessere Lösung. Aus der Sicht des Projektleiters heißt das: „Ich habe mir zu allen Punkten einer Agenda eine Meinung gebildet, für die ich auch kämpfen werde. Wenn Ihr mich aber überzeugt, dass ich falsch liege und Ihr eine besser Lösung habt, dann nehme ich mir die Freiheit und gehe Euren Weg.“
Teamfähigkeit 5 – Kommunikation
Gemeint ist die Fähigkeit, sich über die laufende Arbeit auszutauschen und offen miteinander zu reden – anstatt dass die Leute nur am Kaffeeautomaten oder auf dem Flur miteinander reden und verstummen, wenn der Projektleiter um die Ecke kommt. Eine gute Kommunikation im Team vermeidet Gerüchte und das Reden hintenherum.
Das mag trivial klingen, aber sobald die Kommunikation miteinander schwierig wird, neigen die Beteiligten dazu, ihre Anliegen nicht mehr authentisch zu besprechen. Stattdessen ziehen sie sich zurück und sprechen mit Dritten über das unsägliche Verhalten der anderen. Damit ist bereits Sand im Getriebe. In einem gut funktionierenden Team nimmt man sich die Zeit und fasst sich ein Herz, um sich auszusprechen, wenn man sich über jemanden im Team geärgert hat. Nur das kann Reibungsverluste verhindern.
Teamfähigkeit 6 – Konfliktfähigkeit
Mit Konflikten und Auseinandersetzungen können nur wenige umgehen, der Rest versucht alles, um jedem Streit aus dem Weg zu gehen. Mit Konfliktfähigkeit hat das nur sehr wenig zu tun. Dabei ist es so wichtig, auf drohende und akute Streitereien richtig zu reagieren. Ein gutes Team zeichnet sich dadurch aus, dass die Beteiligten ein gutes Gespür für aufkommende Konflikte haben, um diese schon im Keim zu ersticken und zu entschärfen, bevor der große Knall in Form einer lautstarken Auseinandersetzung kommt.
Teammitglieder brauchen den Mut, Konflikte wenn nötig auszutragen, anstatt ihnen aus dem Weg zu gehen, verbunden mit der Fähigkeit, den Konflikt zu einer tragfähigen Lösung hinzuführen. Es sind schon viele Projekt bzw. Teams aufgrund fehlender Konfliktfähigkeit gescheitert. Besonders in Vereinen kann man das gut beobachten. Da werfen ehrenamtliche Mitarbeiter im Konfliktfall schnell das Handtuch.
Survival-Tipps
- Verkneife es Dir, mit Deiner Meinung hinterm Berg zu halten, Kritik zu verbannen oder Deine eigenen Überzeugungen zu verraten, nur um Konflikten aus dem Weg zu gehen.
- Lasse Diskussionen zu, aber verhindere endlose Debatten. Es geht darum, gemeinsam Entscheidungen zu treffen, die von allen mitgetragen werden.
- Übe konstruktive Kritik. Kritisiert zu werden ist zwar für niemanden schön, ist aber ein wichtiger Teil in der Kommunikation und Konfliktlösung innerhalb des Teams.
- Konflikte kommen vor. Es ist Deine Aufgabe, sie zu lösen. Wegschauen, ignorieren und hoffen, dass es vorbei geht, wird Dir nicht viel bringen.
- Lebe die „Goldenen Teamfähigkeiten“ selbst vor. Als Projektleiter kannst Du nicht Empathie und Kooperationsbereitschaft fordern, wenn Du selbst egoistisch und nur auf Deinen eigenen Vorteil bedacht bist.


Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.