Projektmanagement im KI-Zeitalter
Ich stelle Menschen gerne Fragen, weil mich ihre Arbeit, ihre Strategien, ihre Standpunkte oder ihre Thesen interessieren. Für meine Kolumne NACHGEFRAGT habe ich das Gespräch mit Sidra Sammi gesucht. Die Projekt-Expertin ist überzeugt, dass es vor allem zwischenmenschliche Fähigkeiten sind, die im Zeitalter der KI über Nichterfolg oder Erfolg entscheiden. Ich habe bei Sidra Sammi nachgefragt, warum gerade Soft Skills am Ende ausschlaggebend sind.
Mario: Lassen Sie uns über die Rolle von Soft Skills im Projektmanagement sprechen. Warum sind diese Fähigkeiten so wichtig?
Sidra: Die Bedeutung von Soft Skills im Projektmanagement ist enorm. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Zusammenstellung der Projektteams, der Erreichung von Projektzielen und der Verbesserung von Projektergebnissen. All dies erfordert die Koordination und Verwaltung von Stakeholdern, Prozessen und Ressourcen – und das funktioniert nur durch effektive Kommunikation.
Mario: Wie trägt persönliche und präzise Kommunikation zum Projekterfolg bei?
Sidra: Eine klare Kommunikation sorgt dafür, dass alle Beteiligten auf dem gleichen Stand sind und Missverständnisse vermieden werden. Transparenz schafft Vertrauen, was wiederum ein gutes Teamgefühl fördert. Das ist hilfreich, um kreative Lösungen zu entwickeln, Herausforderungen besser zu meistern und Konflikte schneller zu erkennen und zu lösen.
Mario: Oft wird in der Projektmanagement-Welt die Bedeutung technischer Fähigkeiten betont. Warum reicht das nicht aus?
Sidra: Technisches Know-how und analytisches Denken sind natürlich wichtig, aber sie allein reichen nicht aus, um Projekte erfolgreich zu managen. In einem zunehmenden VUCA-Umfeld (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität) ist die Bedeutung menschenzentrierter Fähigkeiten unbestreitbar.
Mario: Welche Erkenntnisse haben Unternehmen in Bezug auf Soft Skills gewonnen?
Sidra: Nach dem ersten KI-Hype haben viele Unternehmen erkannt, dass sie den Schwerpunkt auf die Entwicklung professioneller Soft Skills legen müssen. Laut der Studie „Developing an adaptable and productive workforce for the future“ (The trends and challenges facing senior leadership teams in 2024, ILX-Group 2023) messen 97 Prozent diesen Fähigkeiten zumindest einige oder signifikante Bedeutung bei. Besonders gefragt sind Führungskompetenz, Kommunikation sowie emotionale Intelligenz und Empathie – Bereiche, in denen KI noch nicht punkten kann.
Mario: Wie können Projektmanagerinnen und -manager emotionale Intelligenz in ihrer Arbeit einsetzen?
Sidra: Projektmanager müssen in der Lage sein, die Emotionen und Bedürfnisse ihrer Teammitglieder zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Eine unterstützende und einfühlsame Arbeitsumgebung steigert das Engagement und die Zufriedenheit des Teams, was wiederum die Leistung und den Erfolg des Projekts fördert.
Mario: Was sind die zentralen Aufgaben eines Projektmanagers in Bezug auf Teamkoordination?
Sidra: Projekte sind temporäre Organisationen mit dem Ziel, vordefinierte Ziele zu erreichen. Die zentrale Aufgabe besteht darin, Menschen – einschließlich Projektbeteiligter, Teammitglieder, Zulieferer und Management – effektiv zu koordinieren. Ohne klare Kommunikation, effektive Konfliktlösung sowie emotionale Intelligenz kann selbst das technisch versierteste Projektmanagement scheitern.


Sidra Sammi, seit 2022 bei der ILX Group für die Geschäftsentwicklung DACH verantwortlich, vereint über ein Jahrzehnt an umfassender Expertise im B2B-Vertrieb. Ihre Stärke liegt im Identifizieren spezifischer Herausforderungen in Organisationen und der Präsentation maßgeschneiderter Lösungen rund um bekannte Best-Practice-Methoden wie PRINCE2, ITIL und PRINCE2 Agile. In Frankfurt geboren, ist sie seit fast zwei Jahrzehnten in Großbritannien ansässig, wo sie ihren Abschluss in International Relations und Development Studies absolvierte.
Mario: Wie spiegelt sich dieser Bedarf an Soft Skills in aktuellen Zertifizierungen wider?
Sidra: In der neuen Version der bekannten Projektmanagement-Zertifizierung PRINCE2 7 wurde das integrierte Element „Menschen“ neu eingeführt. Es steht im Mittelpunkt der anderen vier Elemente: „Prinzipien“, „Praktiken“, „Prozesse“ und „Projektkontext“. Dies würdigt die Fähigkeit des Menschen, starke Beziehungen aufzubauen, um den Projekterfolg zu ermöglichen.
Mario: Welche Rolle spielt KI im modernen Projektmanagement?
Sidra: KI spielt bereits eine entscheidende Rolle und wird in Zukunft noch wichtiger werden. Aber letztendlich sind es immer noch Menschen, die an Projekten beteiligt sind. Projekte setzen sich oft aus Mitarbeitenden verschiedener Unternehmensbereiche zusammen, die unterschiedliche Prioritäten haben können.
Mario: Was ist Ihrer Meinung nach entscheidend für eine erfolgreiche Projektkultur?
Sidra: Eine erfolgreiche Projektkultur motiviert Mitarbeitende und fördert ein gemeinsames Verständnis innerhalb des Teams. Letztendlich hängen die Effektivität und Ergebnisse eines Projekts davon ab, wie gut gebildete Teams sowie funktionsübergreifende interne Mitarbeitende zusammenarbeiten – einschließlich externer Lieferanten und Partner.
Mario: Lassen Sie uns noch über die Rolle des Menschen im Projektmanagement sprechen. Warum ist der Mensch als zentraler Erfolgsfaktor so wichtig?
Sidra: Der Mensch ist deshalb der zentrale Erfolgsfaktor im Projektmanagement, weil er die Fähigkeit hat, komplexe Entscheidungen zu treffen, kreative Lösungen zu entwickeln und zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen. Neben diesen menschlichen Fähigkeiten gibt es natürlich Möglichkeiten, wie Künstliche Intelligenz (KI) uns unterstützen kann, die Effizienz und Effektivität in Projekten zu steigern.
Mario: Wie sollte KI im Kontext des Projektmanagements betrachtet werden?
Sidra: Es ist wichtig, KI nie als Ersatz für den Menschen zu sehen, sondern immer als Ergänzung. Das Ziel ist es, Projektmanagerinnen und -managern genau dort Unterstützung zu bieten, wo es sinnvoll ist. Unter diesem Aspekt hat KI das Potenzial, das Projektmanagement revolutionär zu verändern.
Mario: Welche spezifischen Bereiche können durch den Einsatz von KI verbessert werden?
Sidra: Lassen Sie uns zwei Bereiche genauer betrachten: Erstens die Automatisierung einfacher Aufgaben mit KI. KI kann hervorragend wiederholende und routinemäßige Aufgaben erledigen, die sonst wertvolle Zeit der Projektmanagerin oder des Projektmanagers in Anspruch nehmen würden.
Mario: Können Sie ein Beispiel für diese Automatisierung geben?
Sidra: Natürlich! Ein KI-gestütztes Tool kann beispielsweise die Terminplanung automatisieren, Projektzeitpläne aktualisieren und die Ressourcenzuweisung verwalten. Stellen Sie sich vor, Teammitglieder müssen täglich ihre Stunden erfassen und ihren Fortschritt dokumentieren. Ein KI-Tool kann diese Aktualisierungen automatisch verfolgen, Erinnerungen senden und in Echtzeit Berichte erstellen. Das reduziert nicht nur die administrative Belastung, sondern minimiert auch menschliche Fehler.
Mario: Was ist der zweite Bereich, in dem KI eine Rolle spielt?
Sidra: Der zweite Bereich ist die Unterstützung bei komplexen Entscheidungen. KI kann prädiktive Analysen durchführen, um Projektrisiken vorherzusagen und Strategien zur Risikominderung vorzuschlagen. Wenn ein Projekt Gefahr läuft, seine Frist zu verpassen, kann ein KI-Tool historische Daten analysieren und proaktive Maßnahmen empfehlen.
Mario: Welche weiteren Vorteile bietet der Einsatz von KI im Projektmanagement?
Sidra: Die Vorteile sind vielfältig. Durch die Automatisierung routinemäßiger Aufgaben können sich Projektmanager auf höherwertige Aktivitäten konzentrieren. Auch die Entscheidungsfindung wird vereinfacht, weil KI datengestützte Erkenntnisse liefert. Letztlich geht es auch um Kosteneinsparungen, denn KI verspricht vielfältige Möglichkeiten der Automatisierung. Außerdem können KI-Tools mehrere Projekte gleichzeitig verwalten und konsistente Unterstützung bieten.
Mario: Das klingt vielversprechend! Glauben Sie, dass Unternehmen bereit sind, diese Technologien zu integrieren?
Sidra: Ja, viele Unternehmen erkennen bereits das Potenzial von KI im Projektmanagement und investieren in entsprechende Tools und Schulungen für ihre Mitarbeitenden. Die Kombination aus menschlicher Expertise und technologischer Unterstützung wird entscheidend sein für den zukünftigen Erfolg im Projektmanagement.
Mario: Wie transformiert KI dieses Feld?
Sidra: KI revolutioniert das Projektmanagement, indem sie Tools und Erkenntnisse bereitstellt, die Effizienz und Effektivität erheblich steigern können. Durch die Automatisierung einfacher Aufgaben und die Unterstützung komplexer Entscheidungsprozesse ermöglicht KI es Projektmanagerinnen und -managern, sich auf strategische Initiativen zu konzentrieren und bessere Ergebnisse zu liefern.
Mario: Welche spezifischen Vorteile bietet die Integration von KI in PRINCE2-Prozesse?
Sidra: Die Integration von KI in PRINCE2-Prozesse sorgt dafür, dass Projekte mit größerer Präzision und Agilität verwaltet werden können. Das bedeutet, dass wir schneller auf Veränderungen reagieren und fundierte Entscheidungen treffen können.
Mario: Was müssen Projektmanagerinnen und -manager tun, um die Vorteile der KI voll auszuschöpfen?
Sidra: Es ist wichtig, ein solides Verständnis für KI-Technologien und deren Anwendungen zu entwickeln. Dazu gehört das Erlernen des Umgangs mit KI-Tools, das Interpretieren von KI-generierten Daten und die Integration dieser Technologien in bestehende Projektmanagementpraktiken.
Mario: Welche Schulungsangebote sind Ihrer Meinung nach besonders hilfreich für Projektmanager?
Sidra: Schulungsprogramme, Workshops und Zertifizierungen in KI und Datenanalyse sind entscheidend. Diese Angebote statten Projektmanagerinnen und -manager mit den notwendigen Fähigkeiten aus, um im sich entwickelnden Umfeld des Projektmanagements wettbewerbsfähig zu bleiben.
Mario: Neben der Technologie spielen auch zwischenmenschliche Fähigkeiten eine wichtige Rolle. Warum sind diese Soft Skills so entscheidend?
Sidra: Die Fähigkeiten, effektiv mit Menschen zu kommunizieren, Konflikte zu lösen und Teams zu motivieren, sind von zentraler Bedeutung für den Erfolg jedes Projekts. Während KI viele Aufgaben automatisieren kann, bleibt der menschliche Faktor unerlässlich.
Mario: Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen KI und Soft Skills im Projektmanagement?
Sidra: Die Frage ist nicht „KI oder nicht“, sondern wie wir beide Aspekte sinnvoll kombinieren können. Die Wahrheit liegt im klugen Miteinander von Methoden und Kompetenzen – also einer Balance zwischen Technik und Mensch.
Mario: Was ist Ihrer Meinung nach der Schlüssel zur kontinuierlichen Entwicklung in diesem Bereich?
Sidra: Die kontinuierliche Entwicklung menschenzentrierter Fähigkeiten ist entscheidend, um im KI-gesteuerten Arbeitsumfeld relevant und erfolgreich zu bleiben. Weiterbildung ist der einzige Weg zur Zukunftssicherung.
Mario: Wie sollten Organisationen vorgehen, um ihre Mitarbeitenden in diesem Bereich zu unterstützen?
Sidra: Organisationen sollten gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden individuelle fördernde Maßnahmen finden und umsetzen. Wenn sowohl Unternehmen als auch Mitarbeitende diesen Weg erkennen, steht dem Miteinander von KI und emotionaler Intelligenz (EQ) nichts mehr im Weg.
Mario: Vielen Dank für Ihre wertvollen Einblicke! Gibt es abschließend noch etwas, das Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben möchten?
Sidra: Ja! Es ist wichtig, offen für neue Technologien zu sein und gleichzeitig die Bedeutung zwischenmenschlicher Fähigkeiten nicht aus den Augen zu verlieren. Nur durch eine Kombination beider Ansätze können wir im modernen Projektmanagement erfolgreich sein.
Mario: Liebe Sidra, herzlichen Dank, dass ich bei Ihnen nachfragen durfte.


Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.