Führung

Mitarbeiten ist zu wenig

Von am 24.04.2025

Ich stelle Menschen gerne Fragen, weil mich ihre Arbeit, ihre Strategien, ihre Standpunkte oder ihre Thesen interessieren. Für meine Kolumne NACHGEFRAGT habe ich das Gespräch mit Franz Arnold gesucht. Er ist überzeugt, dass Qualität, Produktivität und Kundennähe nur zu erreichen sind, wenn sich jeder an seinem Platz eigenständig dafür engagiert. Ich habe bei Franz Arnold nachgefragt, warum unsere Arbeitswelt mehr Eigenständigkeit braucht.

Mario: Franz, der Begriff „Mitarbeiter“ wird häufig verwendet. Was sind die grundlegenden Bedeutungen dieses Begriffs?

Franz: Der Begriff „Mitarbeiter“ bezieht sich auf Personen, die in einem Unternehmen oder einer Behörde tätig sind und dort Arbeit leisten. Er impliziert eine unterstützende Rolle, in der jemand mitarbeitet, um die Ziele eines anderen zu erreichen. Es ist wichtig zu erkennen, dass dieser Begriff nicht nur für fest angestellte Personen gilt, sondern auch für freie Mitarbeiter, die im Unternehmen tätig sind.

Mario: In letzter Zeit wird vermehrt das Wort „Mitarbeitende“ verwendet. Was steckt hinter dieser Veränderung?

Franz: Die Verwendung des Begriffs „Mitarbeitende“ ist ein Versuch, die Gender-Problematik zu berücksichtigen und eine inklusivere Sprache zu fördern. Damit wird vermieden, ständig zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterscheiden zu müssen. Der Begriff bleibt jedoch in seiner Grundbedeutung erhalten: Es geht weiterhin um Menschen, die aktiv an der Arbeit im Unternehmen beteiligt sind.

Mario: Sie erwähnen, dass der Begriff „Mitarbeiter“ auch eine gewisse Hierarchie impliziert. Können Sie das näher erläutern?

Franz: Ja, das ist ein interessanter Punkt. Der Begriff „Mitarbeiter“ deutet darauf hin, dass diese Personen nicht in einer führenden Position arbeiten, sondern vielmehr unterstützen. Das bedeutet, dass es oft jemanden gibt, der die Richtung vorgibt oder die Entscheidungen trifft, während die Mitarbeitenden dazu beitragen, diese umzusetzen. Diese Dynamik kann in der Praxis dazu führen, dass das Gefühl von Eigenständigkeit eingeschränkt wird.

Mario: Einige könnten argumentieren, dass diese Diskussion über Begriffe als Wortklauberei angesehen werden kann. Wie stehen Sie dazu?

Franz: Ich verstehe diesen Einwand durchaus. Dennoch halte ich es für sinnvoll, sich mit den Bedeutungen von Bezeichnungen auseinanderzusetzen. Sprache prägt unser Denken und Handeln. Wenn wir uns bewusst machen, was ein Begriff ausdrückt und wie er in der Realität wahrgenommen wird, können wir besser verstehen, ob er tatsächlich das widerspiegelt, was wir erreichen wollen – insbesondere in Bezug auf Eigenständigkeit und Mitbestimmung am Arbeitsplatz.

Mario: Sie erwähnen Begriffe wie „Innere Kündigung“ und „Dienst nach Vorschrift“. Welche Auswirkungen haben diese Verhaltensweisen auf ein Unternehmen?

Franz: Diese Verhaltensweisen sind problematisch, da sie oft auf ein mangelndes Engagement hinweisen. Wenn Mitarbeitende nur das Nötigste tun und sich nicht aktiv für die Ziele des Unternehmens einsetzen, leidet nicht nur die Produktivität, sondern auch das Betriebsklima. Solche Einstellungen können sich schnell ausbreiten und zu einer Kultur führen, in der Eigenverantwortung und Initiative nicht gefördert werden.

Franz Wilhelm Arnold hat Zeit seines Berufslebens Unternehmer und Manager beraten. Er hat sie bei der Entwicklung von Unternehmensstrategien und deren Umsetzung sowie bei vielfältigen Veränderungsprojekten unterstützt. Die Personalführung war von Beginn des Berufslebens bis in die Gegenwart das dominante Thema seiner Beratung, seiner Vorträge und seiner Seminare.

Mario: In Ihrem Buch kritisieren Sie das traditionelle Verständnis von Führung. Was schlagen Sie stattdessen vor?

Franz: Ich plädiere für eine Art der Führung, die den Einzelnen mehr als nur „Mitarbeit“ ermöglicht. Es geht darum, eine Kultur zu schaffen, in der Mitarbeitende als aktive Gestalter ihrer Arbeit wahrgenommen werden. Das bedeutet, ihnen Raum für Eigenverantwortung zu geben und sie in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Eine solche Herangehensweise fördert nicht nur das Engagement, sondern auch die Kreativität und Innovationskraft innerhalb des Teams.

Mario: Wie können Unternehmen konkret beginnen, diese neue Führungsphilosophie umzusetzen?

Franz: Es ist zunächst erforderlich, dass sich das Management für die Kultur der Eigenständigkeit entscheidet. Dazu gehört dann, dass die Führungskräfte Eigenständigkeit ermöglichen und fördern. Dieser Prozess kann durch eine veränderte Sprache unterstützt werden:  vom Begriff „Mitarbeiter“ hin zum Begriff SELBSTARBEITER. Zudem sollten Führungskräfte aktiv Feedback einholen und einen offenen Dialog fördern. Workshops zur Teamentwicklung können helfen, Vertrauen aufzubauen und die Zusammenarbeit zu stärken. Letztlich ist es wichtig, eine Umgebung zu schaffen, in der jeder Einzelne ermutigt wird, seine Ideen einzubringen und Verantwortung zu übernehmen.

Mario: Franz, Sie sprechen von „Dynamischer Führung“. Was genau verstehen Sie darunter und welche Ziele verfolgen Sie damit?

Franz: Dynamische Führung zielt darauf ab, die individuellen Möglichkeiten der Mitarbeitenden zu entfalten und ihre Lust an der Arbeit zu unterstützen. Es geht darum, dass Menschen sich aus eigenem Antrieb engagieren und dass sie ihr Potenzial ausschöpfen können, so wie es ihrer persönlichen Dynamik entspricht. In einer Zeit, in der viele Menschen ihr Engagement in Freizeitaktivitäten oder Vereinen zeigen, ist es wichtig, dieses Engagement auch im beruflichen Umfeld zu fördern. Wenn Mitarbeitende sich dort uneingeschränkt einbringen können, steigert das nicht nur ihre Lebensqualität, sondern auch den Erfolg des Unternehmens.

Mario: Wie beeinflusst das Engagement der Mitarbeitenden die Unternehmensergebnisse?

Franz: Engagierte Mitarbeitende sind für den Erfolg eines Unternehmens unerlässlich. Wenn sie ihre Talente einbringen und sich aktiv an der Lösung von Herausforderungen beteiligen, profitieren nicht nur sie selbst, sondern auch das Unternehmen als Ganzes. Die Fähigkeit der Mitarbeitenden, Hemmnisse selbstständig zu überwinden und aus eigenem Antrieb neue Lösungen zu entwickeln, wird in Zukunft entscheidend sein. Unternehmen müssen erkennen, dass sie auf  Eigenständigkeit und die Wahrnehmung von Verantwortung angewiesen sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Mario: Sie erwähnen das Thema Menschenbild in Ihrer Argumentation. Welche Rolle spielt das Menschenbild in der Dynamischen Führung?

Franz: Das Menschenbild ist zentral für die Dynamische Führung. Wir müssen den Glauben haben, dass Menschen in der Lage sind, Aufgaben eigenständig zu lösen und Verantwortung zu übernehmen. Wenn wir ihnen zutrauen, dass sie aus eigenem Antrieb zur Teamarbeit und zum Unternehmenserfolg beitragen können, schaffen wir eine Kultur des Vertrauens und der Selbstständigkeit. Dieses Vertrauen ist entscheidend für die Freisetzung des Potenzials der Mitarbeitenden.

Mario: Franz, Sie sprechen von Führungskräften, die ein negatives Menschenbild vertreten. Was sind die typischen Merkmale dieser Haltung?

Franz: Führungskräfte mit einem negativen Menschenbild neigen dazu, ihren Mitarbeitenden die Fähigkeiten für eigenständige Lösungen abzusprechen. Sie unterstellen oft eine eingeschränkte Einsatzbereitschaft und bezweifeln, dass Mitarbeitende Verantwortung übernehmen wollen. Diese Haltung geht häufig mit einem hohen Selbstbewusstsein der Führungskraft einher – je kritischer sie ihre Mitmenschen sehen, desto mehr halten sie von sich selbst. Dies führt zu einer Kultur, in der kein eigenständiger Beitrag erwartet wird.

Mario: Wie beeinflusst diese Sichtweise das Arbeitsumfeld und die Unternehmenskultur?

Franz: Eine solche Sichtweise hat gravierende Auswirkungen auf das Arbeitsumfeld. Wenn Mitarbeitende nicht als fähig angesehen werden, eigenständig zu handeln oder Verantwortung zu übernehmen, entsteht eine Atmosphäre des Misstrauens und der Kontrolle. Dies hemmt nicht nur die Motivation, sondern auch die Kreativität und Innovationskraft der Mitarbeitenden. In einer solchen Kultur wird oft nur das umgesetzt, was die Führungskraft für richtig hält. Das ist aber oft zu wenig und so schadet diese Kulturletztlich dem Unternehmen.

Mario: Was können Unternehmen tun, um von dieser kontrollierenden Haltung wegzukommen und ein positiveres Menschenbild zu fördern?

Franz: Unternehmen sollten aktiv an einer Kultur des Vertrauens arbeiten. Das bedeutet, dass Führungskräfte lernen müssen, ihre Mitarbeitenden als fähige Individuen zu betrachten und ihnen Raum für Eigenverantwortung zu geben. Aktive Unterstützung bei der Kompetenzentwicklung sowie regelmäßiges Feedback können helfen, dieses Vertrauen aufzubauen. Zudem sollten Unternehmen klare Werte definieren, die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung fördern – denn nur so kann eine positive Unternehmenskultur entstehen, in der alle Beteiligten ihr volles Potenzial entfalten können.

Mario: Franz, Sie sprechen vom Konzept des „Selbstarbeiters“. Was genau verstehen Sie darunter und wie unterscheidet sich dieser von einem traditionellen Mitarbeiter?

Franz: Der „Selbstarbeiter“ ist das Gegenstück zum klassischen Mitarbeiter. Während Mitarbeitende oft in vorgegebenen Strukturen arbeiten und ihre Aufgaben im Rahmen eines festgelegten Systems erledigen, nimmt der Selbstarbeiter die Arbeit selbst in die Hand. Er strebt nach individueller Autonomie und übernimmt Verantwortung für die ihm übertragenen Aufgaben. Diese Eigenverantwortung führt dazu, dass er alles unternimmt, um Lösungen zu finden und erfolgreich zu sein.

Mario: Welche Herausforderungen bringt das Selbstarbeiten mit sich?

Franz: Das Leben als Selbstarbeiter ist kein Schlaraffenland. Die Übernahme von Verantwortung bedeutet auch, dass man unter Druck steht, Ergebnisse zu liefern. Der Selbstarbeiter muss sich ständig motivieren und engagieren, um seine Ziele zu erreichen. Dieser Druck kann herausfordernd sein, aber gleichzeitig bietet er die Möglichkeit zur Selbstwirksamkeit – das Gefühl, aktiv etwas bewirken zu können und die eigenen Ideen in die Tat umzusetzen.

Mario: Warum ist Selbstwirksamkeit in der heutigen Arbeitswelt so wichtig?

Franz: In einer Zeit, in der wir mit wachsender Komplexität und Anonymität konfrontiert sind – sei es durch digitale Organisationen oder durch die Schnelllebigkeit des Lebens – wird es immer wichtiger, selbst aktiv zu werden. Selbstwirksamkeit gibt den Menschen das Gefühl, dass sie Einfluss auf ihre Umgebung haben können. Dieses Engagement fördert nicht nur das persönliche Wohlbefinden, sondern auch die Innovationskraft innerhalb eines Unternehmens.

Mario: Wie beeinflusst das Konzept des Selbstarbeiters die Teamdynamik in Unternehmen?

Franz: In einer agilen Unternehmenswelt sind Mitarbeitende oft nicht genug. Damit Teams erfolgreich arbeiten können, muss sich jeder Einzelne engagiert einbringen. Ein Team funktioniert nur dann effektiv, wenn alle Mitglieder bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und aktiv zur Lösung der gestellten Aufgaben beizutragen. Wenn sich jeder auf die anderen verlässt, leidet die Teamleistung. Wir brauchen Selbstarbeiter, um Agilität und Flexibilität in Unternehmen zu fördern.

Mario: Vielen Dank für Ihre wertvollen Einblicke! Gibt es abschließend noch etwas, das Sie Unternehmen mit auf den Weg geben möchten, um eine Kultur der Selbstarbeiter zu fördern?

Franz: Unternehmen sollten eine Umgebung schaffen, in der Eigenverantwortung geschätzt wird. Dazu gehört es, klare Ziele zu setzen und den Mitarbeitenden Freiräume für kreative Lösungsansätze zu geben. Die Klärung der Verantwortung des Einzelnen und Respekt vor dier Wahrnehmung dieser Verantwortung sind die Voraussetzung für eine Kultur der Eigenständigkeit. Zudem sollten Führungskräfte als Vorbilder agieren und selbst Initiative zeigen – denn nur so kann ein Umfeld entstehen, in dem Selbstarbeiter gedeihen können.

Mario: Lieber Franz, herzlichen Dank, dass ich bei Ihnen nachfragen durfte.

Führung zur Eigenständigkeit

Gute Führung erfordert sowohl Zeit als auch Methode. Führungskräfte müssen die Herausforderung meistern, die Komplexität menschlicher Dynamik in ständig wechselnden Situationen zu bewältigen. Das Konzept der „Dynamischen Führung“ von Franz Arnold bietet ihnen ein Modell und einen Prozess, die eine schnelle Orientierung in jeder Situation ermöglichen. Es definiert die Merkmale guter Führung und die Chancen, die eine effektive Personalführung bietet. Dabei steht stets der Mensch im Mittelpunkt. Das Konzept zeigt auf, wie man den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht wird. Sechs Wirkungsziele helfen, die Komplexität der Führungsarbeit zu reduzieren, mit dem Ziel, die Mitarbeitenden zur Eigenständigkeit zu führen. Dies steigert sowohl Motivation und Zufriedenheit als auch den Erfolg.