Jedes Projekt hat seine Tücken 2
Jedes Projekt ist einzigartig, mit eigenen Fallstricken, Hindernissen und Risiken, die den Projektleiter vor spezielle Herausforderungen stellen. Vorgefertigte Lösungen sind meist unzureichend. Wer denkt, nach einem festen „Schema F“ vorgehen zu können, wird schnell überrascht. Obwohl die Phasen ähnlich sind, erfordert jede Projektart eine individuelle Herangehensweise. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit weiteren Projektarten.
Projekte können sehr unterschiedlich sein. Das beginnt bereits bei der Unterscheidung, ob ein Projekt für interne Zwecke oder für einen externen Auftraggeber ausgeführt wird. Bei einem externen Projekt handelt es sich um einen Kundenauftrag, mit dem das Unternehmen Geld verdienen muss – das Projekt soll mehr einbringen als es kostet. Bei einem internen Projekt entstehen dagegen keine unmittelbaren Einnahmen. Weil kein zahlender Kunde und kein verbindlicher Vertrag existieren, wird es oft weniger ernst genommen als ein Kundenprojekt. Zumindest erscheint die Frage nach der Wirtschaftlichkeit in einem anderen Licht. Es macht also einen Unterschied, ob ein Projekt einen internen oder externen Auftraggeber hat.
Jede Projektart weist somit eigene Tücken und Risiken auf, die Projektleiter frühzeitig erkennen und steuern müssen. Bei Umweltprojekten sind etwa langwierige Genehmigungsverfahren und Umweltauflagen Herausforderungen, während bei Produktentwicklungen unvorhersehbare Marktentwicklungen und technische Schwierigkeiten auftreten können. Forschungsprojekte sind oft durch Unsicherheiten und unklare Zielsetzungen geprägt, während bei Organisationsprojekten Widerstand im Team oder mangelnde Akzeptanz große Hürden darstellen. Jede Projektart erfordert spezielles Fachwissen, Flexibilität und eine vorausschauende Risikobewertung. Projektleiter sollten stets gut vorbereitet sein, um auf unerwartete Situationen schnell reagieren zu können und den Projekterfolg zu sichern.
Unterschätzt man die Tücken bestimmter Projektarten, steigt das Risiko von Verzögerungen, Kostenüberschreitungen und Misserfolg, da die typischen Probleme nicht rechtzeitig erkannt und bewältigt werden.


Foto: Michael Ofurum auf Pixabay
Die Tücken von Verbesserungsprojekten
KVP, Six Sigma, Lean Management oder einfach nur eine gute Idee, wie man etwas verbessern könnte: Damit beginnen häufig Verbesserungsprojekte. Meist sind sie nur als kleinere Maßnahmen gedacht, die sich ohne größeren Aufwand umsetzen lassen. Das Problem ist nur: Die kleinere Maßnahme wächst sich oft zu einem veritablen Projekt aus – und darauf sind die Beteiligten nicht vorbereitet.
Vanessa soll mit ihrem Projekt den „Wildwuchs“ in der Buchhaltung in den Griff bekommen. Hierzu sollen künftig alle Landesgesellschaften ihre Buchungen gemäß einer einheitlichen Kontierungsrichtlinie durchführen. Ein typisches Verbesserungsprojekt.
Generell geht es in einem Verbesserungsprojekt darum, Produkte, Services, Prozesse oder einzelne Tätigkeiten in einem Unternehmen zu verbessern. Dabei setzt man weniger auf große und langwierige Projekte als auf kleine, schnell umsetzbare Maßnahmen. Die Folge ist oft, dass mehrere Maßnahmen oder „Kleinprojekte“ parallel laufen und nicht ausreichend koordiniert werden.
Die Auftraggeber von Verbesserungsprojekten haben meist sehr konkrete Vorstellungen davon, was sie erreichen wollen. Das können eine Steigerung der Produktivität, eine Verbesserung der Qualität oder Einsparungen bei Kosten und Personal sein. Der Projektleiter sollte diese Erwartungen von Anfang an auf seiner Agenda haben – und schnell anhand von belastbarem Zahlenmaterial erste Erfolge nachweisen können.
Einige Tücken:
- Noch wichtiger als der Projektauftrag ist die konkrete Beschreibung des Problems, das im Zuge des Verbesserungsprojekts behoben werden soll.
- Verbesserungsprojekte stehen oft unter einem enormen Druck, Probleme schnell zu beseitigen und spürbare Verbesserungen zu erzielen.
- Ein Verbesserungsprojekt stellt immer den Status Quo in Frage. Das kann Widerstand unter den Betroffenen erzeugen.
- Der Auftraggeber erwartet schnell belastbare Zahlen für die eingetretene Verbesserung. Darauf solle man sich von Anfang an einstellen.
Die Tücken von Entwicklungsprojekten
Neue Produkte, Prozesse oder Systeme entwickeln – darin liegt das Ziel von Entwicklungsprojekten. Oft finden sie unter großem Zeitdruck statt (um zum Beispiel den Termin für eine geplante Markteinführung einzuhalten) und enden mit der Übergabe an die Produktion oder den Vertrieb. Da eine Neuentwicklung häufig weite Bereiche des Unternehmens betrifft, kann ein solches Vorhaben schnell sehr schwierig werden.
Thomas hat die Aufgabe, einen Lieferantenwechsel vorzubereiten – und wurde in diesem Zusammenhang mit einem Entwicklungsprojekt betraut. Ziel ist die Anpassung der eigenen Anlagen an den Lüftertyp eines neuen Anbieters. Thomas steht dabei gehörig unter Druck, auch weil die Entwicklungsabteilung selbst am Limit arbeitet: Bei Märkten, die sich immer schneller verändern, und technologischem Fortschritt, der immer rasanter wird, müssen Unternehmen ständig neue Produkte entwickeln und bestehende verbessern. Das erfordert wiederum schnelle und effiziente Prozesse für die Umsetzung von Produktentwicklungen.
Im Gegensatz zu Forschungsprojekten haben Entwicklungsprojekte immer ein klar definiertes Entwicklungsziel. So auch für Thomas: Sein Ziel ist ein für die Produktion freigegebener Lüfter, der künftig in allen Anlagen verbaut werden kann.
Einige Tücken:
- Entwicklungsprojekte helfen dabei, langfristig Kosten zu sparen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Ihre große Bedeutung setzt alle Beteiligten unter großen Druck.
- Produkte sollen immer schneller am Markt sein und müssen trotzdem hohen qualitativen Ansprüchen genügen – hierauf muss sich der Leiter eines Entwicklungsprojektes einstellen.
- Zum Projektleiter eines Entwicklungsprojekts wird häufig der Mitarbeiter mit dem größten Fachwissen ernannt. Ihm fällt es oft schwer, den Spagat zwischen fachlichen Aufgaben und Managementaufgaben hinzubekommen.
- Der Erfolg von Entwicklungsprojekten wird maßgeblich durch die Kompetenz und Erfahrung des Projektleiters bestimmt.
Die Tücken von Veränderungsprojekten
Der Wettbewerb zwingt Unternehmen, ihre Prozesse laufend zu überprüfen und bei Bedarf zu restrukturieren. Daraus entstehen Veränderungsprojekte, die häufig auf der Ebene der Abteilungen oder Bereiche initiiert werden. Vielfältige Risiken bringen diese Projekte immer wieder zum Scheitern.
Katharina hat die Aufgabe, ein System einzuführen, das im Unternehmen künftig die Projekt- und Zeitdaten zuverlässig erfassen soll. Bald merkt sie, dass es sich hier um ein Veränderungsprojekt handelt: Es geht nicht nur darum, eine technische Lösung für die Erfassung der Daten zu finden. Vielmehr muss sie auch die betroffenen Mitarbeiter vom Sinn und Zweck der geplanten Änderung überzeugen. Eine Zeitdatenerfassung löst nun einmal Befürchtungen aus – und es ist völlig normal, wenn Katharinas Kollegen mit Ängsten und Widerstand reagieren.
Wer sich in Veränderungsprojekten ausschließlich auf die „harten Faktoren“ beschränkt, also beispielsweise auf die Einführung einer Software, vernachlässigt die Bedürfnisse der Mitarbeiter, die diese Veränderung ja mittragen müssen. Fühlen sich die Mitarbeiter überfordert oder übergangen, bekommt der Projektleiter schnell große Probleme. Wie Studien belegen, scheitern die meisten Veränderungsvorhaben an unzureichender und ungenauer Information der Mitarbeiter: Sie tragen das Projekt nicht mit, weil ihnen Sinn und Zweck der Veränderung unklar bleiben.
Ein weiterer Grund, warum viele Veränderungsvorhaben scheitern, liegt in einem unverhältnismäßig großen Zeitdruck. Zu viel soll zu schnell erreicht werden. Die Mitarbeiter sollen mitmarschieren und Maßnahmen umsetzen, bevor sie überhaupt Zielrichtung und Ausmaß der Veränderung begreifen konnten.
Einige Tücken:
- Veränderungsprojekte müssen „vermarktet“ werden, bevor sie beginnen – nur so lassen sich die betroffenen Mitarbeiter auf die Reise mitnehmen.
- In Veränderungsprojekten hat nicht die Problemlösung Vorrang – sondern die Notwendigkeit, die Betroffenen von der Veränderung zu überzeugen.
- Veränderungsprojekte scheitern meist nicht an den Widerständen, sondern an einem falschen Umgang mit ihnen.
- Ein Veränderungsprojekt ist erst dann erfolgreich abgeschlossen, wenn die Veränderung wirklich greift.


Mario Neumann
Der Trainer und Autor schreibt seit 2021 in diesem Online-Magazin locker und pragmatisch über Projektmanagement. Für seine Arbeit wurde er schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle seine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.