Agilität

Die fünf Aufgaben des Product Owners

Von am 11.11.2024

Ein Product Owner gilt häufig als die anspruchsvollste aller Scrum-Rollen. Er „besitzt“ das Produkt und hat somit die komplette Verantwortung für die Produktentwicklung. Als „Produktinhaber“ entwickelt er eine Produktvision, die übergeordneten Ziele und überführt die Probleme, Anforderungen und Ziele aller Stakeholder in Aufgaben für das Projektteam.

In einem IT-Projekt zur Entwicklung einer neuen Softwarelösung für ein E-Commerce-Unternehmen übernahm der Product Owner nicht die erforderliche Verantwortung. Anfänglich war er stark in die technische Umsetzung involviert und verbrachte viel Zeit mit dem Entwicklungsteam, anstatt sich auf die strategische Ausrichtung des Produkts zu konzentrieren. Dies führte schnell dazu, dass wichtige Stakeholder-Anforderungen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Auch im weiteren Verlauf ließ die Kommunikation zwischen dem Team und den Stakeholdern zu wünschen übrig. Infolgedessen wurden Features entwickelt, die zwar technisch beeindruckend waren, jedoch nicht den Bedürfnissen der Nutzer entsprachen. Als das Produkt schließlich präsentiert wurde, stellte sich heraus, dass zentrale Funktionen fehlten und bestehende Probleme nicht gelöst wurden.

Fakt ist: Ohne Product Owner gibt es kein ordentliches Backlog und keine Priorisierung. Daher wird das Team mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in die richtige Richtung arbeiten. Vom Product Owner wird erwartet, dass er dem Team jederzeit als Ansprechpartner für aufkommende Fragen zur Verfügung steht. Wenn der Product Owner außerdem nicht aktiv mit den Stakeholdern kommuniziert, um deren Anforderungen zu berücksichtigen, ist die Unzufriedenheit mit dem Projekt vorprogrammiert. Stakeholder fühlen sich unter diesen Umständen möglicherweise ignoriert oder missverstanden, was das Vertrauen in das Projekt beschädigt und die Akzeptanz des Endprodukts gefährdet.

Ohne eine klare Vision und Priorisierung des Product Backlogs besteht die Gefahr, dass das Entwicklungsteam in verschiedene Richtungen arbeitet, was zu Verwirrung führt. Man kann sogar sagen, dass der Erfolg gefährdet ist, wenn diese Rolle nicht adäquat besetzt wird.

Obwohl der Tätigkeitsbereich eines Product Owners je nach Umgebung variieren kann, umfasst er typischerweise fünf zentrale Aufgaben, die alle Bereiche von der Geschäftsstrategie bis hin zum Produktdesign abdecken.

Foto: Austin Distel auf Unsplash

Aufgabe 1: Die Rolle als Visionär

Eine Produktvision beschreibt das ideale Produkt aus Sicht des Kunden. Das Leitmotiv einer Produktvision ist also die Frage, wie das Produkt das Problem oder die Bedürfnisse der Kunden optimal adressieren und lösen kann.

In seiner Funktion als Visionär ist der Product Owner verantwortlich für die Entwicklung und Kommunikation einer klaren Produktvision, die als Leitstern für das Projektteam dient. Diese Vision beschreibt nicht nur die langfristigen Ziele des Produkts, sondern auch den Wert, den es den Nutzern und dem Unternehmen bieten soll. Der Product Owner muss in der Lage sein, diese Vision überzeugend zu vermitteln, um das Team zu inspirieren und zu motivieren. Durch regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Vision an Marktveränderungen oder Nutzerfeedback stellt er sicher, dass das Produkt relevant bleibt. Ein starker Visionär fördert zudem eine gemeinsame Ausrichtung im Team und hilft, Prioritäten im Product Backlog festzulegen, sodass alle Beteiligten auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten können.

Aufgabe 2: Die Rolle als Interessenvertreter

Erfahrungsgemäß haben aber nur wenige Product Owner das Glück, im direkten Kontakt zu allen relevanten Stakeholdern zu stehen – besonders wenn sie in großen Unternehmen arbeiten. Die meisten Product Owner haben oft viele verschiedene Stakeholder und die schwierige Aufgabe, deren oft gegensätzlichen Forderungen zu managen.

In seiner Rolle als Interessenvertreter fungiert der Product Owner als Bindeglied zwischen den verschiedenen Interessengruppen, einschließlich Kunden, Nutzern und dem Projektteam. Der Product Owner identifiziert die Bedürfnisse und Erwartungen der Stakeholder und sorgt dafür, dass diese in die Produktentwicklung einfließen. Durch regelmäßige Kommunikation, wie Meetings und Feedback-Runden, hält er alle Beteiligten informiert und engagiert. Dies fördert nicht nur das Vertrauen, sondern ermöglicht auch eine frühzeitige Identifikation von Problemen oder Änderungswünschen. Ein effektiver Stakeholder-Manager priorisiert die Anforderungen entsprechend der strategischen Ziele des Unternehmens und stellt sicher, dass das Team auf die wertvollsten Features fokussiert bleibt, um eine maximale Kundenzufriedenheit zu erreichen.

Aufgabe 3: Die Rolle als Priorisierer

Erfolgreiche Product Owner sind darin geübt, Kundenbedürfnisse zu verstehen und zu prognostizieren, um den Entwicklungsprozess noch effektiver verwalten zu können. Eine der wichtigsten Aufgaben ist dabei die Priorisierung des Product Backlogs. Der Product Owner entscheidet, welche Features und Aufgaben am wichtigsten sind, um den maximalen Wert für das Unternehmen und die Nutzer zu schaffen. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der Marktbedürfnisse, der Unternehmensziele und der technischen Machbarkeit.

Der Product Owner nutzt verschiedene Techniken, um die Prioritäten festzulegen. Durch enge Zusammenarbeit mit dem Projektteam und regelmäßige Abstimmungen mit Stakeholdern stellt er sicher, dass die wertvollsten Features zuerst entwickelt werden. Diese Priorisierung ermöglicht es dem Team, schnell auf Veränderungen zu reagieren und kontinuierlich Mehrwert zu liefern, was letztlich zu einer höheren Kundenzufriedenheit führt.

Aufgabe 4: Die Rolle als Entscheider

Als Product Owner kann man den ganzen Tag mit der Verwaltung von Stakeholdern verbringen. Alle möglichen Stakeholder wollen ständig etwas vom Projekt. Neue Anforderungen, Status-Updates, Einflussnahme, kurzum: alle Arten von Kommunikationsströmen, die es zu managen gilt. Deshalb ist es wichtig, dass man als Product Owner nicht nur das Mandat hat Entscheidungen zu treffen, sondern auch den Mut, dies tatsächlich zu tun.

In seiner Rolle als Entscheider muss der Product Owner somit die Bereitschaft mitbringen, „unbequeme“ Entscheidungen zu treffen, die nicht jedem innerhalb der Organisation gefallen. Sein Fokus liegt dabei immer darauf, Mehrwert für Kunden und das Unternehmen gleichermaßen zu schaffen. Dabei benötigt der Product Owner das Vertrauen des Managements, um produktstrategische Entscheidungen wirklich eigenverantwortlich treffen zu können – ohne jeden Schritt von „oben” absegnen zu lassen. Hier zeigt sich häufig, dass Product Owner eine starke Persönlichkeit benötigen, die auch unter Druck Durchsetzungsstärke mit diplomatischem Geschick vereinen.

Aufgabe 5: Die Rolle als Kommunikator

Product Owner fungieren außerdem als primäre Ansprechperson und Vermittler zwischen Stakeholdern und dem Projektteam. Als solche müssen sie ausgezeichnete Kommunikationsfähigkeiten besitzen, um sicherzustellen, dass alle wichtigen Entscheidungen und Strategien von den Stakeholdern unterstützt werden und Entwickler über klare Anweisungen und Zielvorgaben verfügen.

Survival-Tipps

  • Du bist als Visionär verantwortlich für die Produktvision. Definiere die langfristigen Ziele und stelle sicher, dass alle ein gemeinsames Verständnis für die Richtung des Produkts haben.
  • Sammle die Anforderungen, priorisiere diese und sorge dafür, dass die Bedürfnisse der Stakeholder im Produkt berücksichtigt werden
  • Kommuniziere mit den verschiedenen Interessensgruppen und sorge dafür, dass alle auf dem gleichen Stand sind.
  • Priorisiere den Backlog. Du entscheidest, welche Features und Aufgaben am wichtigsten sind, um den maximalen Wert für das Unternehmen und die Nutzer zu schaffen.
  • Treffe alle Entscheidungen über das Produkt und dessen Funktionen. Diese Entscheidungsfähigkeit ist wichtig, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können.
  • Wenn Vision, Strategie und Produktprioritäten festgelegt sind, solltest Du einen Großteil Deiner Zeit damit verbringen, die eigentliche Produktentwicklung zu überwachen.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.