Das perfekte Scheitern
Ich stelle Menschen gerne Fragen, weil mich ihre Arbeit, ihre Strategien, ihre Standpunkte oder ihre Thesen interessieren. Für meine Kolumne NACHGEFRAGT habe ich das Gespräch mit Prof. Christian Rieck gesucht. Er ist überzeugt, dass auf die Klugen und Erfolgreichen, auf die strahlenden Gewinner, die schon fast alles erreicht haben, ein letztes großes Abenteuer unserer Zeit wartet: das Scheitern. Ich habe bei Prof. Christian Rieck nachgefragt, wie man groß angelegte Projekte effizient und verlässlich in den Sand setzt, und er antwortet mit ein paar Highlights aus seinem neuesten Buch „Die Kunst des perfekten Scheiterns“.
Mario: Sie haben in dem Vorwort zu Ihrem neuen Buch „Die Kunst des perfekten Scheiterns“ eine Begegnung mit einer wahren Meisterin des Scheiterns geschildert. Wie würden Sie ihre Kunst des Scheiterns beschreiben?
Prof. Rieck: Ich sehe das Scheitern als eine Art Kunstform. Es geht nicht nur darum, etwas nicht zu erreichen, sondern vielmehr darum, wie man es schafft, aus guten Ideen ein beeindruckendes Gebäude aufzubauen, um es dann mit einem Knall zum Einsturz zu bringen. Ob Sie meine Ratschläge anwenden, um aktiv zu scheitern, oder ob Sie das Scheitern damit lieber abwenden wollen, überlasse ich Ihnen.
Mario: Das klingt faszinierend! Geben Sie uns doch mal einen kleinen Einblick in die Techniken und Methoden, die Sie bei dieser Meisterin des Scheiterns beobachten konnten.
Prof. Rieck: Nicht, dass Sie jetzt gedanklich falsch abbiegen. Die Meisterin hatte nicht nur schlechte Ideen. Im Gegenteil, sie hatte überwiegend gute. Aber wie es sich für gekonntes Scheitern gehört, stellte Sie zunächst alle Zutaten für den Erfolg zusammen. Sie baute ein starkes Fundament auf und nutzte dann gezielt ein Feuerwerk abträgliche Methoden, um das Projekt mit einem großen Knall zum Scheitern zu bringen.


Prof. Christian Rieck ist Professor für Finance und Wirtschaftstheorie mit einer geheimen Liebe zu den Ingenieurwissenschaften. Er war als Berater im In- und Ausland tätig und ist ein gefragter Redner. In seinem neuen Buch „Die Kunst des perfekten Scheiterns“ vermittelt er in 52 Lektionen das nötige Fachwissen, um groß angelegte Projekte effizient und verlässlich in den Sand zu setzen.
Mario: Sie haben auch einen neuen Begriff geprägt: „Failisten“. Können Sie uns mehr darüber erzählen?
Prof. Rieck: Ja! Failisten sind Menschen, die das Scheitern zu ihrem Lebensinhalt machen. Der „Failismus“ ist eine Philosophie, die besagt: Scheitern ist das neue Siegen.
Mario: Das klingt nach einer erfrischenden Perspektive! Glauben Sie, dass diese Einstellung das Leben der Menschen verändern kann?
Prof. Rieck: Absolut! Wenn Menschen lernen können, das Scheitern nicht als einmaliges Ereignis zu sehen, sondern als Teil eines andauernden Prozesses – dann können sie viel mutiger sein und immer größere Risiken eingehen, bis sie so richtig endgültig scheitern und nicht auf halber Strecke stehen bleiben.
Mario: Gibt es auch so etwas wie ein perfektes Scheitern?
Prof. Rieck: Ja, denn schließlich ist nicht jedes Scheitern zugleich perfektes Scheitern. Einfach Pech haben kann schließlich jeder. Perfektes Scheitern ist vielmehr eine Kunstform. Es geht nicht nur darum, einfach zu scheitern; es erfordert eine Kombination aus verschiedenen Faktoren, die nicht leicht zu erreichen sind.
Mario: Welche Zutaten sind Ihrer Meinung nach notwendig, um perfektes Scheitern zu erreichen?
Prof. Rieck: Es gibt drei wesentliche Zutaten: Erstens müssen Sie das Potenzial für Erfolg haben. Zweitens müssen Sie es durch eigenes Zutun vermasseln. Und drittens darf das Vermasseln nicht vorsätzlich geschehen – Sie sollten im festen Glauben handeln, das Richtige zu tun, ohne sich selbst zu betrügen.
Mario: Das klingt komplex! Warum glauben Sie, dass viele Menschen bereits vor der ersten Stufe des perfekten Scheiterns scheitern?
Prof. Rieck: Viele Menschen scheitern schon vor Punkt 1, weil sie nie die Möglichkeit ergreifen, etwas Großes zu versuchen. Sie bleiben in ihrer Komfortzone und verpassen somit die Chance auf echtes Scheitern.
Mario: Und was ist mit den sogenannten Pechvögeln? Wie passen sie in dieses Konzept des perfekten Scheiterns?
Prof. Rieck: Pechvögel sind diejenigen, deren Erfolg ohne eigenes Verschulden scheitert. Sie kommen an Stufe 2 nicht weiter, weil äußere Umstände ihren Erfolg zunichte machen. Das ist zwar bedauerlich, aber es zählt nicht als perfektes Scheitern.
Mario: Interessant! Wer sind Ihrer Meinung nach die wahren Könner im Bereich des perfekten Scheiterns?
Prof. Rieck: Die wahren Könner sind diejenigen, die schlafwandlerisch zur dritten Stufe gelangen. Das sind oft Menschen mit großem Potenzial – sie könnten ein Unternehmen wie SAP gründen, entscheiden sich aber aus einem Sicherheitsgefühl heraus dafür, in einer kleineren Position bei einem großen Konzern wie IBM zu bleiben.
Mario: Was denken Sie über diese Entscheidung? Ist es besser, sicher zu bleiben oder Risiken einzugehen?
Prof. Rieck: Es ist eine schwierige Entscheidung. Meist werden es ja die risikofreudigen Kollegen sein, die scheitern. Das wäre bedauerlich. Es gehört aus failistischer Sicht schon etwas Fortune dazu, dass die ehemaligen Kollegen mit ihrer Neugründung Milliardäre werden.
Perfektes Scheitern ist nicht einfach nur ein Missgeschick. Es erfordert eine Kombination aus Umständen und Entscheidungen, die zu einem bedeutenden Misserfolg führen, während man gleichzeitig das Potenzial für Erfolg hatte.
Mario: Können Sie uns ein Beispiel geben, um das Konzept zu verdeutlichen?
Prof. Rieck: Sicher! Stellen Sie sich vor, jemand purzelt mit einer Rotweinflasche die Kellertreppe herunter und bricht sich dabei die Wirbelsäule. Das zählt nicht als perfektes Scheitern, es sei denn, diese Person war auf dem Weg, ein erfolgreicher Weinhändler zu werden und hat ihr Geld lieber in Marketing investiert als in die Renovierung der Kellertreppe.
Mario: Das ist ein interessanter Punkt! Gibt es auch Beispiele für unbestritten perfektes Scheitern?
Prof. Rieck: Ja, absolut! Ein klassisches Beispiel wäre ein berühmter Yogalehrer, der jahrzehntelang praktiziert und bei einem seiner Kurse durch eine besonders anspruchsvolle Asana drei Rippen bricht. Ab diesem Zeitpunkt könnte er nur noch im Liegen unterrichten – wenn er überhaupt noch Schüler hätte.
Mario: Und wie sieht es mit finanziellen Entscheidungen aus? Können Sie da auch ein Beispiel nennen?
Prof. Rieck: Natürlich! Ein perfektes Scheitern wäre es auch, wenn jemand aus Angst 10 Prozent der Anteile an einem Start-up für 800 Dollar verkauft, das später zum teuersten Unternehmen der Welt wird. Diese Anteile wären heute etwa 200 Milliarden US-Dollar wert.
Mario: Das klingt nach einer schmerzhaften Lektion! Gibt es auch Grenzfälle im Bereich des perfekten Scheiterns?
Prof. Rieck: Ja, ein Grenzfall wäre beispielsweise, wenn jemand 1000 Bitcoin auf dem Konto eines Treuhänders hat, der sich weigert, das Passwort herauszugeben. Das kann nur dann als echtes Scheitern gewertet werden, wenn man den Treuhänder selbst ausgesucht hat und seine zwielichtige Vergangenheit ignoriert hat.
Mario: Und was wäre Ihrer Meinung nach der ultimative Misserfolg in diesem Szenario?
Prof. Rieck: Der ultimative Misserfolg wäre es wahrscheinlich, das Passwort genau dann zu erhalten, wenn ein Bitcoin nichts mehr wert ist. Das zeigt perfekt, wie wichtig Timing und Entscheidungen im Leben sind.
Mario: Vielen Dank für diesen inspirierenden Einblick in Ihre Welt des Scheiterns! Gibt es abschließend noch etwas, das Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben möchten?
Prof. Rieck: Scheitern Sie nicht zu früh! Sie sollten erst eine bedeutende Flughöhe erreichen, bevor Sie so richtig abstürzen. Nur so werden Sie ein wahrer Failist!
Mario: Lieber Prof. Rieck, herzlichen Dank, dass ich bei Ihnen nachfragen durfte.


Die Kunst des perfekten Scheiterns
Sie gehören also zu den Schönen, Klugen und Erfolgreichen, zu den strahlenden Gewinnern, die schon fast alles erreicht haben. Dann wartet hier das letzte große Abenteuer unserer Zeit auf Sie, das ultimative Wagnis für erfolgsverwöhnte Champions: das Scheitern. Selbstverständlich werden Sie sich auch hier nicht mit kläglichem Dilettantismus zufriedengeben, sondern – wie man es von Ihnen kennt – nach Perfektion und Höchstleistung streben. „Die Kunst des perfekten Scheiterns“ ist der ideale Begleiter für diese neue Herausforderung. Das kompakte Standardwerk vermittelt in 52 Lektionen das gesamte nötige Fachwissen, um groß angelegte Projekte effizient und verlässlich in den Sand zu setzen.