Einsteiger

Das AKV-Prinzip

Von am 13.10.2025

„Ich dachte, das macht der Kollege!“ – Mit diesen Worten beginnen die Schwierigkeiten in einem Projekt, denn in vielen Fällen scheitern Ziele an fehlender Klarheit über Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung. Doch das muss nicht sein. Das AKV-Prinzip ermöglicht es, Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung systematisch zuzuordnen. Das reduziert Reibungsverluste und öffnet den Weg für mehr Agilität und Effizienz – ein Muss also für jeden Projektleiter.

Lena O. wurde mit der Entwicklung eines automatisierten Produktionsprozesses zur präzisen Linsenfertigung betraut, der enge Qualitäts- und Sicherheitsnormen erfüllen sollte. Ihr Projekt gliederte sich in Konzeption, Entwicklung, Labor-Tests und Markteinführung. Doch die Prototypen wurden zu spät im Labor getestet. Keiner war eindeutig verantwortlich für die Testplanung: Jeder glaubte, der andere würde sich darum kümmern. Ohne klare Zuständigkeiten blieb die Teststrategie lange Zeit vage; die Tests der Prototypen wurden erst gar nicht durchgeführt. Die Folge: Verzögerungen, Budgetüberschreitungen und am Ende stand eine verschobene Markteinführung.

Lena hatte es versäumt, die Verantwortlichkeiten eindeutig festzulegen – wer plant, wer testet, wer entscheidet? Unklare Verantwortlichkeiten erhöhen das Risiko von Fehlentscheidungen und Verzögerungen. Wenn niemand eindeutig zuständig ist, fehlen klare Entscheidungswege und wichtige Schritte werden vergessen. In manchen Projekten entsteht Doppelarbeit, weil mehrere Personen dieselbe Aufgabe übernehmen; in anderen Projekten bleiben Lücken, weil niemand die Verantwortung für kritische Aufgaben übernimmt. Nur wenn von Anfang an klar ist, wer plant, wer entscheidet, wer umsetzt und wer testet, werden Schnittstellen minimiert und Verzögerungen vermieden.

Unklare Verantwortlichkeiten streuen Sand ins Getriebe des Projekts. Sie führen schnell zu verzögerten Entscheidungen, Doppelarbeit oder Lücken bei Kernaufgaben im Projekt. Deshalb geraten in der Folge oft die Zeitpläne aus den Fugen..

Foto: Igor Omilaev auf Unsplash

Was versteht man unter dem AKV-Prinzip?

Wenn Zuständigkeiten in Projekten nicht klar geregelt sind, dann sind Verzögerungen oft vorprogrammiert. Und das wiederum kostet Geld – was natürlich jeder Projektleiter vermeiden will. Aber mal ehrlich: Ist in Deinem Team klar geregelt, wer welche Aufgaben übernimmt? Was passiert, wenn eine Person ausfällt? Wissen die Projektmitarbeiter, wen sie bei einem Problem um Hilfe bitten können? Und haben alle Teammitglieder die notwendigen Befugnisse, um ihre Arbeit ohne unnötige Hürden auszuführen?

Hier kommt das AKV-Prinzip ins Spiel: Aufgaben – Kompetenzen – Verantwortung. Es ordnet Aufgaben klar zu:

  • (A) – Aufgaben: Wer soll welche Aufgaben übernehmen?
  • (K) – Kompetenzen: Welche Entscheidungen kann und darf jemand treffen?
  • (V) – Verantwortung: Wer trägt die letztendliche Verantwortung?

Ziel ist die klare Zuordnung von Aufgaben und die Vermeidung von Doppelarbeiten oder Lücken. Im AKV-Prinzip bedeutet Kompetenz nicht „was jemand fachlich kann“, sondern „was jemand darf“. Gemeint sind also die Befugnisse, die eine Person hat, um Entscheidungen zu treffen oder Ressourcen einzusetzen. Deshalb findet man die Methode auch manchmal unter dem Namen ABV-Prinzip, womit das B in diesem Fall für „Befugnis“ steht.

Mitarbeitern Aufgaben delegieren

Im AKV-Prinzip steht der Buchstabe „A“ für Aufgaben. Es subsumiert alle konkreten Tätigkeiten, die einer Rolle im Projekt zugewiesen sind:

  • Welche konkreten Aufgaben gehören zu der Rolle?
  • Welche Ergebnisse oder Deliverables werden erwartet?
  • Welche Anforderungen, Standards oder Qualitätskriterien gelten?
  • Wer ist zuständig für die Erledigung der Aufgabe (Owner)?
  • Welche Ressourcen stehen für die Aufgabe zur Verfügung?

Aufgaben definieren, was genau erledigt werden muss, welche Ergebnisse erzielt werden sollen und welche Standards bei der Ausführung gelten. Durch eine klare Aufgabenbeschreibung werden Überschneidungen vermieden, Verantwortlichkeiten sichtbar gemacht und der Fortschritt messbar.

Mitarbeiter mit Befugnissen ausstatten

Der Buchstabe „K“ aus dem AKV-Prinzip steht für Kompetenzen bzw. Befugnisse. Kompetenzen umfassen nicht nur das notwendige Wissen und die Fähigkeiten sondern vor allem die Befugnisse, die notwendig sind, um eine Aufgabe effektiv auszuführen.

  • Welche Entscheidungen darf die Person treffen?
  • Welche Berechtigungen hat die Person?
  • Über welche Ressourcen darf die Person verfügen?
  • Wen darf die Person anweisen oder koordinieren?
  • Welche Freigaben darf die Person erteilen?

Befugnisse legen fest, welche Entscheidungen getroffen, Ressourcen freigegeben und Maßnahmen initiiert werden dürfen.

Mitarbeiter verantwortlich machen

Der Buchstabe „V“ aus dem AKV-Prinzip steht für Verantwortung. Verantwortung bedeutet, dass eine Person oder Rolle die Pflicht hat, eine Aufgabe zuverlässig zu planen, durchzuführen und abzuschließen. Verantwortung umfasst sowohl die Handlungsbereitschaft als auch die Bereitschaft zur Rechenschaft.

  • Welche Prozesse überwacht die Person?
  • Für welche Bereiche übernimmt die Person Verantwortung?
  • Für welche Ergebnisse oder Meilensteine muss die Person am Ende geradestehen?
  • Worüber muss die Person Rechenschaft ablegen?

Verantwortung bedeutet die Verpflichtung, für die eigenen Entscheidungen und Handlungen Rechenschaft ablegen zu müssen

Ein Gleichgewicht herstellen

Lena überträgt beispielsweise einem Entwicklungsingenieur aus ihrem Team die Aufgabe, die notwendigen Labortests durchzuführen. Allerdings hat dieser nicht die Befugnis (Kompetenz), selbstständig im Labor zu arbeiten – dafür braucht er geschultes Laborpersonal. Das Laborteam wiederum fühlt sich nicht verantwortlich und schiebt die Aufgabe zurück. Ergebnis: Die Tests verzögern sich, das Projekt gerät ins Stocken und eine im Grunde einfache Aufgabe wird durch schlechte Organisation ausgebremst.

Nur wenn Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung zusammenpassen, kann ein Projekt reibungslos laufen – ansonsten bleiben Aufgaben hängen oder Verantwortliche undefiniert. Idealerweise stehen also die drei Faktoren Aufgaben – Kompetenzen – Verantwortung im Gleichgewicht. Meine Kompetenzen bzw. Befugnisse müssen ausreichen, damit ich die mir zugewiesenen Arbeiten auch zügig erledigen und die Verantwortung für die Ergebnisse vollumfänglich übernehmen kann. Dieses Gleichgewicht entspricht jedoch oft nicht der Realität. Gerade wenn ein Unternehmen agile und somit selbständige und proaktive Teams anstrebt, ist dieses Gleichgewicht von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung eine wichtige Voraussetzung.

  • Kompetenzen nicht vorhanden: Wenn Projektmitarbeitern die nötigen Befugnisse fehlen, um ihre Aufgaben zu erledigen, wird Zeit verschwendet und die Selbständigkeit gehemmt. Oft werden die Mitarbeitenden zwar für das Ergebnis der Aufgabe verantwortlich gemacht, können aber keine abschließenden Entscheidungen treffen.
  • Nur die Aufgabe wird übergeben: Projektleiter übergeben zwar gerne Aufgaben, jedoch nicht die nötigen Befugnisse oder die Verantwortung für diese Aufgaben. Das heißt, der Projektleiter behält die Entscheidung und Kontrolle über eine Aufgabe inne. Was fast zwangsläufig zu Mehrarbeit und Effizienzverlust auf beiden Seiten führt. Und nicht zuletzt zu einer hohen Frustration bei den Mitarbeitern.
  • Die Verantwortung wird nicht übernommen: Der Projektmitarbeiter oder die Projektmitarbeiterin hat zwar die nötigen Befugnisse für die Aufgabe, will aber die Verantwortung nicht übernehmen.

Das Delegieren von Aufgaben (ohne Kompetenzen und Verantwortung) mag vorübergehend sinnvoll sein, wenn auf Seiten der beauftragten Person noch Unsicherheit vorhanden ist. Sobald aber das nötige Know-how aufgebaut ist, sollten Projektleiter die entsprechenden Befugnisse und die Verantwortung ebenfalls übergeben.

Wenn Projektmitarbeiter die Verantwortung für eine Aufgabe nicht übernehmen wollen, obwohl die nötigen Befugnisse für Entscheidungen vorhanden sind, könnte es sein, das die betreffende Person überfordert ist mit der Aufgabe. Hier hilft es, wenn die Projektleitung enger begleitet oder fachliche Unterstützung gibt.

Fazit

Je größer und komplexer Projekte sind, desto wichtiger ist es, dass jeder im Team jederzeit weiß, wer wofür verantwortlich ist. Durch das AKV-Prinzip schaffst Du eine Menge Klarheit und Struktur im Projekt. Während Du also auf diesem Prinzip eine Matrix erstellst, machst Du Dir bereits Gedanken zu den einzelnen Personen. Du kannst also frühzeitig sicherstellen, dass Deine Mitarbeiter ihre Aufgaben möglichst gut erfüllen können, indem Du Verantwortungsbereiche definierst und Entscheidungskompetenzen einräumst. Auf diese Weise ist von Beginn an weniger „Sand im Getriebe“.

Survival-Tipps

  • Nutze das AKV-Prinzip. Lege vor Projektstart eindeutig fest: Wer macht was (Aufgabe)? Wer darf was (Kompetenz)? Und wer trägt am Ende die Verantwortung?
  • Dokumentiere Verantwortlichkeiten schriftlich: Erstelle eine AKV-Matrix und bestätige sie durch alle Beteiligten des Projektes.
  • Achte darauf, dass Projektmitarbeiter alle notwendigen Kompetenzen bzw. Befugnisse haben, sonst können sie keine Entscheidungen treffen, was zu Engpässen führt.
  • Definiere mindestens einen Verantwortlichen pro Aufgabe: Verteile Aufgaben so, dass eine klare primäre Verantwortlichkeit (Owner) existiert.
  • Nimm Signale von Überforderung wahr. Wenn jemand zwar die Kompetenzen hat, aber nicht die Verantwortung übernehmen will, dann ist das oft ein untrügliches Zeichen.
  • Bedenke: Durch die Delegation der richtigen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten werden Prozesse schlanker und Aufgaben können effektiver erledigt werden.

Mario Neumann

Der Trainer und Autor schreibt seit 2021 in diesem Online-Magazin locker und pragmatisch über Projektmanagement. Für seine Arbeit wurde er schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle seine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.