Wie man Projekte vermasselt
Selbst ein Projekt, das unter nahezu perfekten Rahmenbedingungen startet, ist damit nicht automatisch vor dem Scheitern bewahrt. Insbesondere der Projektleitung kommt im weiteren Verlauf des Projekts eine entscheidende Rolle zu. Deren Aufgabe ist es, das Projekt über die komplette Laufzeit hinweg auf Kurs zu halten. Und Gelegenheiten gibt es viele, um ein gut laufendes Projekt doch noch zu vermasseln.
Angelina K. hat in Ihrem Unternehmen die Projektleitung für die Entwicklung eines neuen Medikamentes übernommen. Das Medikament hatte in frühen Studien vielversprechende Ergebnisse gezeigt – entsprechend groß war der Druck, zügig die Zulassung durch die Gesundheitsbehörden zu erreichen. Aufgrund des immensen Zeitdrucks vernachlässigten Angelina und Ihre Kollegen die Qualitätssicherung. Das Team konzentrierte sich vor allem auf die schnelle Produktion und die Einhaltung der Fristen, ohne ausreichend auf die Validierung der Herstellungsprozesse zu achten. Als schließlich die Daten für die Zulassungsprüfung zusammengestellt wurden, zeigten sich Unstimmigkeiten und Qualitätsmängel. Die mangelhafte Qualitätssicherung rächte sich nun; das Unheil nahm seinen Lauf.
Im Falle von Angelina forderten die Behörden zusätzliche Prüfungen und Nachbesserungen. Da derartige Projekte ohnehin unter einem immensen Druck stehen, können solche Nacharbeiten schnell das Budget oder den anvisierten Zeitplan sprengen. Für Angelina kam es ganz dick. Die Behörden verweigerten schließlich die Zulassung, weil wichtige Qualitätsstandards nicht erfüllt waren. Das Scheitern ihres Projekts war somit eine direkte Folge einer unzureichenden Qualitätssicherung, der Angelina im Projektverlauf zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Die Tücke in diesem speziellen Fall bestand darin, dass eine solche Vorgehensweise meist eine Zeit lang gut geht, dann aber unweigerlich zur Vollkatastrophe führt.
Es gibt in Projekten eine Reihe von Faktoren, die unweigerlich dazu führen, dass ein durchaus gut laufendes Projekt unweigerlich ins Rutschen gerät. Nicht selten ist es die Projektleitung, die sich – oft aus Unwissenheit – selbst ein Grab schaufelt.
Es sind die immer gleichen Fehler
Das Scheitern von Projekten ist häufig das Ergebnis wiederkehrender Herausforderungen, die von Projektleiter/innen unterschätzt oder falsch eingeschätzt werden. Die daraus resultierenden Fehler entstehen häufig aus mangelnder Erfahrung oder fehlender Lernbereitschaft. Sie führen dazu, dass Projekte ihre Ziele nicht erreichen, Ressourcen verschwendet werden und letztlich das Projekt scheitert. Das Bewusstsein für diese Fallstricke ist essenziell, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen und das Projekt auf Kurs zu halten.


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Inkonsequente Qualitätssicherung
Ein häufiger Grund für das Scheitern von Projekten liegt in einer inkonsequente Qualitätssicherung, wie schon das Beispiel von Angelina zeigt. Oft wird die Qualitätssicherung vernachlässigt, weil der Fokus auf einem schnellen Vorankommen liegt, um den Auftraggeber zufriedenzustellen und den Projektfortschritt sichtbar zu machen. Es wird fälschlicherweise angenommen, dass die Qualitätssicherung später noch nachgeholt werden kann. Doch genau hierin liegt die Tücke: Anfangs mag alles gut laufen, doch mit der Zeit sammeln sich Fehler an, die unbemerkt bleiben.
Diese Problematik zeigt sich oft bei Softwareprojekten: Module werden nacheinander entwickelt, ohne sie zeitnah zu testen. Die Annahme ist, dass man die Tests später noch durchführt. Doch je mehr Module hinzukommen, desto schwieriger wird es, den Überblick zu behalten und Fehler systematisch zu identifizieren. Das Ergebnis ist eine komplexe Software, in der Fehler versteckt sind und schwer zu finden sind – oft nur durch aufwändige Nacharbeiten. Ignoriert man die Notwendigkeit von Qualitätskontrollen, riskiert man einen schleichenden Zerfall des Projekts bis hin zum Totalausfall.
Inkompetenz im Team
Ein weiterer Grund für das Scheitern von Projekten liegt darin, dass man sich nie vollständig auf die Leistungsfähigkeit aller Teammitglieder verlassen kann. Bei Projekten ist es üblich, dass die beteiligten Personen oft „zusammengewürfelt“ werden, was eine gewisse Unsicherheit mit sich bringt. Trotz sorgfältiger Auswahl besteht immer das Risiko, dass einzelne Teammitglieder nicht die erforderlichen Fähigkeiten mitbringen. Ein Kandidat könnte beispielsweise eine angebliche Expertise vorweisen, die in der Praxis kaum vorhanden ist, ohne dass dies sofort erkennbar wäre. Zudem kann es vorkommen, dass ein Teammitglied in bisherigen Projekten noch nicht auf die fragliche Kompetenz angewiesen war und daher keine Schwächen offenbart hat. Diese Unsicherheiten führen dazu, dass man nie sicher sein kann, ob alle Teammitglieder tatsächlich die nötigen Qualifikationen mitbringen. Das Risiko inkompetenter oder ungeeigneter Mitarbeiter im Projektteam ist somit stets präsent und kann den Erfolg erheblich gefährden.
Problematische Teamkonstellationen
Niemand ist perfekt; jeder bringt individuelle Schwächen mit. Bei der Zusammenstellung eines Projektteams ist es daher entscheidend, diese Schwächen zu erkennen und das Team so aufeinander abzustimmen, dass sich die Stärken ergänzen. Im Idealfall entsteht durch die unterschiedlichen Persönlichkeiten ein ausgewogenes Gleichgewicht, das die Zusammenarbeit fördert und die Erfolgschancen erhöht. Allerdings erfolgt die Teamzusammenstellung meist in einer Phase, in der noch keine endgültigen Entscheidungen gefallen sind und das Bild unvollständig ist. Hier spielt auch Glück eine Rolle: Es ist nicht immer vorhersehbar, ob das Team harmonisch zusammenarbeitet oder ob die gewählten Mitglieder sich gegenseitig behindern. Wenn die Verfehlungen bei der Auswahl oder Zusammenstellung des Teams nicht erkannt oder ignoriert werden, kann dies die Zusammenarbeit erheblich erschweren oder bisweilen sogar unmöglich machen. Ein unausgewogenes Team führt häufig zu Konflikten, ineffizienter Arbeitsteilung, was letztlich zum Scheitern des Projekts beitragen kann.
Fehlendes Risikobewusstsein
Selbst die sorgfältigste Projektplanung kann Risiken nicht vollständig ausschließen. Risiken sind ein unvermeidbarer Bestandteil jedes Projekts und können durch unvorhergesehene Ereignisse zum Scheitern führen. Kersten wurde beispielsweise zum Verhängnis, dass sein Projekt finanziell viel zu knapp kalkuliert wurde. Während des Projekts stiegen die Rohstoffpreise unerwartet, wodurch sich die Kostenstruktur erheblich erhöhte, was den Projektabschluss in Gefahr brachte.
Um solchen Situationen vorzubeugen, ist es essenziell, bereits in der Planungsphase ein systematisches Risikomanagement zu etablieren. Dieses umfasst die Identifikation potenzieller Risiken, deren Bewertung sowie die Entwicklung von Strategien zur Vermeidung oder Minderung dieser Risiken. Durch proaktives Risikomanagement können frühzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, um negative Auswirkungen auf den Projektverlauf zu minimieren. Es hilft dabei, Unsicherheiten zu kontrollieren und das Projekt auch bei unerwarteten Ereignissen auf Kurs zu halten. Ohne eine solche Vorsorge besteht die Gefahr, dass unvorhergesehene Probleme den Erfolg des Projekts gefährden oder sogar zum Scheitern führen.
Destruktive Motivatoren
Es lässt sich nicht immer eindeutig feststellen, ob alle Protagonisten ausschließlich dem Projektziel verpflichtet sind oder ob andere Beweggründe ihre Handlungen beeinflussen. Häufig spielen persönliche Interessen eine Rolle, wie etwa Selbstdarstellung, Machtgier oder Konkurrenzdenken. Solche Motive können zu Konflikten innerhalb des Teams führen, da einzelne Mitglieder versuchen, ihre Position zu stärken oder sich gegenüber anderen hervorzuheben. Diese inneren Spannungen beeinträchtigen die Zusammenarbeit erheblich und mindern die Produktivität. Anstatt gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten, entwickeln sich oft Machtkämpfe oder Eifersüchteleien, die den Fortschritt verzögern oder das Projekt sogar zum Stillstand bringen. Zudem besteht die Gefahr, dass Teammitglieder ihre eigenen Interessen über das Projekt stellen und dadurch wichtige Entscheidungen verzögern oder sabotieren.
Mangelnde Kommunikation
Um den Projekterfolg zu sichern, muss stets großer Wert auf einen offenen und kontinuierlichen Austausch gelegt werden. Dies betrifft sowohl die interne Kommunikation innerhalb des Projektteams als auch die Abstimmung mit dem Auftraggeber und anderen beteiligten Parteien. Eine effektive Kommunikationsstrategie sollte bereits in der Planungsphase entwickelt werden. Hierfür empfiehlt es sich, während der gesamten Projektlaufzeit einen sogenannten Stundenplan oder Kommunikationsplan aufzustellen, der festlegt, wann und wie Treffen stattfinden. Dabei können kleinere Meetings zwischen einzelnen Mitgliedern, größere Teamrunden oder regelmäßige Abstimmungen zwischen Team und Projektleitung sowie dem Auftraggeber geplant werden. Selbst bei hochqualifizierten Fachkräften ist eine erfolgreiche Teamleistung nur durch ständigen Austausch möglich. Missverständnisse, fehlende Transparenz oder unklare Zielsetzungen können sonst leicht zu Verzögerungen, Fehlern oder Konflikten führen. Ein strukturierter Kommunikationsrahmen sorgt dafür, dass alle Beteiligten stets auf dem gleichen Stand sind, Probleme frühzeitig erkannt werden und gemeinsam Lösungen erarbeitet werden können. Nur durch eine offene und planmäßige Kommunikation lässt sich die Zusammenarbeit optimieren und die Erfolgschancen des Projekts deutlich erhöhen.
Survival-Tipps
- Investiere frühzeitig in die Qualitätssicherung und baue kontinuierlich Kontrollelemente ein. So lassen sich Fehler früh erkennen und beheben.
- Vergewissere Dich regelmäßig, ob im Team alle erforderlichen Kompetenzen vorhanden sind. Dies ist unerlässlich, um die Projektziele zu erreichen.
- Analysiere Deine Teammitglieder sorgfältig und achte auf eine ausgewogene Teamzusammenstellung. Das ist wichtig für eine gute Zusammenarbeit.
- Beschäftige Dich frühzeitig mit der Motivation der Beteiligten und setze klare Zielvereinbarungen. Nur so kann kannst Du dafür sorgen, dass alle an einem Strang ziehen.
- Entwickle bereits in der Planungsphase eine effektive Kommunikationsstrategie, die festlegt, wann und wie Treffen innerhalb des Projekts stattfinden.
- Denke daran: Dir kommt im Projekt eine zentrale Bedeutung zu. Solltest Du den Posten der Projektleitung nicht ausfüllen können, ist ein Scheitern vorprogrammiert.


Mario Neumann
Der Trainer und Autor schreibt seit 2021 in diesem Online-Magazin locker und pragmatisch über Projektmanagement. Für seine Arbeit wurde er schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle seine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.