Führung

Meuterei an Bord

Von am 29.09.2025

Ein Projektleiter ahnt es oft schon bei der Zusammenstellung seines Teams: „Hier muss ich mit Störmanövern von Teilen meiner Leute rechnen.“ In der Gruppe, die eigentlich an einem Strang ziehen sollte, prallen unterschiedliche Interessen aufeinander. In das Projekt wird ein Konflikt hineingetragen, der eigentlich auf der Ebene der Geschäftsführung hätte entschieden werden müssen. Wie kann das Projekt unter diesen Vorzeichen noch erfolgreich sein?

Dirk G. hat ein heikles Projekt übernommen. Die Mitglieder seines Teams, die aus verschiedenen Unternehmensbereichen kommen, verfolgen teilweise gegensätzliche Interessen. Die Frontlinie verläuft mitten durch Dirks Projekt. Zwei Mitarbeiter kommen aus einem Geschäftsbereich, der sich bekanntermaßen gegen das Projekt stellt. Diese beiden Teammitglieder, fürchtet Dirk G., dürften keine Gelegenheit auslassen, ihm Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Und tatsächlich: Schon nach wenigen Teamsitzungen erlebt er die ersten Störmanöver. Damit ist klar: Dirk K. braucht dringend eine Strategie, wie er mit den Meuterern in seinem Projekt umgehen kann.

Bei Meuterern im Projektteam handelt es sich häufig um Spezialisten, die von ihrer Fachabteilung bewusst in das Projekt entsandt wurden, um es zu sabotieren. Getarnt als Lösungsarchitekt, technischer Projektleiter oder Programmierer sitzen sie an neuralgischen Punkten des Projekts. Damit sind sie in der Lage, hohen Schaden anzurichten. Vor allem wenn ein Projekt Strukturen im Unternehmen verändern soll, entstehen Widerstände, die bis hin zu Sabotageakten führen. Manchmal verschärft sich die Situation noch dadurch, dass gleichzeitig auch Teile des mittleren Managements gegen das Projekt opponieren. Das Wissen um den verdeckten Widerstand der Linienmanager ist für Meuterer eine Steilvorlage – man kann sich der Rückendeckung von oben gewiss sein.

Die Querschüsse von Meuterern und Saboteuren können ein Projekt ernsthaft gefährden. Der Projektleiter muss in dieser Situation Führungsstärke zeigen. Niemals darf er seinen Gegnern das Feld tatenlos überlassen.

Foto: Clay Banks auf Unsplash

Option 1 – Kapitulation und Rückzug

Eine mögliche Reaktion liegt darin, den Projektauftrag abzulehnen. Wenn von vornherein klar ist, welche Teammitglieder gegen das Projekt opponieren, kann das ein gangbarer Weg sein: Die Meuterer werden aus dem Team entfernt, eine neue Teamzusammensetzung erwirkt. Zu bedenken ist jedoch: Als Projektleiter erregen Sie mit dieser Aktion eine erhebliche Aufmerksamkeit, schließlich setzen Sie mit Ihrem Rückzug der Geschäftsführung das Messer an die Brust.

Ein solcher Schritt sollte daher wohl überlegt sein. Wenn es gut läuft, legen Sie dadurch den Konflikt offen und führen die notwendigen Entscheidungen herbei. Wenn Sie damit nicht durchkommen, riskieren Sie ein Scheitern des Projekts – und hinterlassen den nicht gerade karrierefördernden Eindruck, dass Sie sich gleich bei der ersten Schwierigkeit aus dem Projekt zurückziehen wollen.

Option 2 – Offene Kampfansage

Auch die offene Kampfansage ist eine Möglichkeit, den Meuterern Paroli zu bieten.  Als Projektleiter suchen Sie die direkte Auseinandersetzung mit ihnen, getreu dem Highlander-Prinzip: „Es kann nur einen geben!“

Auch dieser Weg ist riskant. Wenn Sie die Machtverhältnisse falsch einschätzen, geht der Schuss nach hinten los: In der offenen Auseinandersetzung gibt es am Ende nur Gewinner und Verlierer. Und letztlich gewinnt derjenige, der die besseren Machtoptionen hat und bereit ist, sie konsequent und entschlossen einzusetzen. Ziehen Sie also nur in den Kampf, wenn die Aussichten gut stehen, ihn auch zu gewinnen. Viele Projektleiter haben schon ihre eigene Machtposition überschätzt und sind dadurch in eine sich immer schneller drehende Konfliktspirale geraten.

Selbst wenn Sie den Kampf gewinnen und die Meuterer am Ende von Bord gehen müssen, ist der Widerstand nicht unbedingt gebrochen. Gut möglich, dass die Unterlegenen nach Rache sinnen und Ihnen von außen Knüppel zwischen die Beine werfen. Die gewonnene Schlacht könnte sich als Pyrrhus-Sieg entpuppen.

Option 3 – Isolieren und Ausgrenzen

Eine weitere Option liegt darin, mit der Projektarbeit einfach loszulegen, wohl wissend, dass Sie Meuterer an Bord haben. Das wird anstrengend: Sie müssen die Gegner im Auge behalten und jederzeit mit Scharmützeln rechnen.

Wenn Sie diesen Weg wählen, geht es darum, den Schaden möglichst klein zu halten. Halten Sie deshalb die Gegner so weit es geht von den Kernaufgaben des Projekts fern. Aber Vorsicht: Die Aufständischen werden nichts unversucht lassen, das Projekt zu sabotieren. Wenn Sie einen solchen Sabotageakt nicht rechtzeitig erkennen, kann der Schaden enorm sein.

Die Gegner zu isolieren und auszugrenzen, kostet viel Kraft. Die ständigen Kämpfe und Reibereien lassen das Projekt vermutlich nicht zur Ruhe kommen. Das wirkt sich früher oder später auch auf die Projektergebnisse aus.

Option 4 – Koalitionen schmieden

Erfolgversprechender ist eine andere Form der Ausgrenzung: Scharen Sie eine Mehrheit des Teams hinter sich! Wenn Sie die Mehrzahl der Projektmitarbeiter hinter sich wissen, können Sie eine positive Gruppendynamik entfachen, die von den Meuterern nur schwer zu stoppen sein wird. Die Aufrührer finden keine Mehrheiten mehr und isolieren sich durch ihre Blockadehaltung zunehmend selbst.

Wie gehen Sie vor, um die Mehrheit Ihrer Teammitglieder für sich zu gewinnen? Vergewissern Sie sich zunächst in persönlichen Gesprächen, wer sich mit dem Projekt identifiziert und bereit ist, sich voll und ganz einzubringen. Identifizieren Sie die Wortführer und verbünden Sie sich mit ihnen. Bereiten Sie alle wichtigen Entscheidungen in kleiner Runde mit den Wortführern vor. Auf diese Weise stellen Sie sicher, dass Sie im Projekt immer eine Mehrheit hinter sich haben.

Nun können die Projektgegner mit ihren Argumenten nicht mehr durchdringen. Sie sehen sich in der Minderheit und spüren, wie sie sich mit ihrem Verhalten immer mehr isolieren. Das kann zur Folge haben, dass ihre Aktionen in ihrer Verzweiflung und Aussichtslosigkeit noch destruktiver werden – doch damit katapultieren sie sich noch mehr ins Abseits.

Survival-Tipps

  • Es gilt das Highlander-Prinzip: „Es kann nur einen geben“. Leadership bedeutet, den Meuterern und Saboteuren niemals tatenlos das Feld zu überlassen.
  • Sei mutig. Es ist einfacher und lohnender, für eine gute Teambesetzung zu kämpfen, als sich während des Projekts mit Meuterern herumzuschlagen.
  • Vermeide faule Kompromisse. Denke darüber nach, den Konflikt offenzulegen, indem Du Deinem Auftraggeber mit einem Rückzug aus dem Projekt drohst.
  • Choose your battles. Ziehe nur in den Kampf gegen die Meuterer, wenn Du wirklich sicher sein kannst, am Ende als Sieger daraus hervorzugehen.
  • Isoliere die Meuterer und halte sie aus den Kernaufgaben des Projekts heraus. Sorge dafür, dass sie möglichst wenig Schaden anrichten können.
  • Bringe die Mehrheit Deiner Mannschaft hinter Dich. Demonstriere den Meuterern, dass Du Dich sich von ihnen nicht aufhalten lässt.

Mario Neumann

Der Trainer und Autor schreibt seit 2021 in diesem Online-Magazin locker und pragmatisch über Projektmanagement. Für seine Arbeit wurde er schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle seine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.