Gute Führung, gute Ergebnisse

Ich stelle Menschen gerne Fragen, weil mich ihre Arbeit, ihre Strategien, ihre Standpunkte oder ihre Thesen interessieren. Für meine Kolumne NACHGEFRAGT habe ich das Gespräch mit Karsten Drath gesucht. Er ist überzeugt, dass gute Führung und das emotionale Mitnehmen der Mitarbeitenden Unternehmen langfristig erfolgreich machen. Ich habe bei Karsten nachgefragt, was langfristiger Erfolg eigentlich mit der Persönlichkeit einer Führungskraft zu tun hat.

Mario: Lieber Karsten, lassen Sie uns gleich mit einer grundlegenden Frage beginnen: Warum ist gute Führung heute anspruchsvoller als früher?

Karsten: Führung wird immer dann besonders schwierig, wenn die Zeiten schwierig und vor allem ungewiss sind. Besonders dann brauchen Menschen glaubwürdige Rollenvorbilder, die ihnen Orientierung, Zusprache und Zuversicht geben. Und das ist halt anspruchsvoll.

Mario: Was sind Ihrer Meinung nach die entscheidenden Faktoren, um Mitarbeitende zu motivieren und selbstständiges Denken zu fördern?

Karsten: Neben allen Führungsinstrumenten spielt hier vor allem die grundlegende Haltung der Führungskraft eine wichtige Rolle.  Wenn ich die richtigen Leute im Team habe, muss ich als Chef keine Motivation und Eigenverantwortung fördern, denn die ist gegeben. Ich sollte es aber unbedingt unterlassen, durch mein Verhalten Menschen zu demotivieren oder ihr selbständiges Denken zu beschneiden. Dies macht natürlich kein Vorgesetzter bewusst, aber dennoch sehen wir es immer wieder in Unternehmen.

Mario: Wie sieht aus Ihrer Sicht gute Führung aus?

Karsten: Unterschiedliche Mitarbeiter brauchen eine für sie passende Art der Führung. Manche sind noch unsicher und brauchen viel Anleitung und Rückversicherung, andere sind erfahren und brauchen viel Freiraum und Verantwortung. Aber auch unterschiedliche Situationen erfordern eine individuelle Herangehensweise. Manchmal bin ich als Chef der Organisator, dann wieder der Gastgeber und manchmal auch der Coach. Und auch die Fähigkeit Visionen zu vermitteln ist wichtig. Wenn ich das verstanden und verinnerlicht habe, dann bin ich auf dem Weg zu guter Führung.

Ein gutes Beispiel ist der Gütersloher Medienkonzern Bertelsmann. In einer Untersuchung wurden die Tochterunternehmen nach der Qualität ihrer Führung eingestuft. Dabei wurde besonders darauf geachtet, wie gut sich die Mitarbeitenden mit den Unternehmenszielen identifizieren können.

Mario: Welche Ergebnisse wurden aus dieser Untersuchung gewonnen?

Karsten: Die Ergebnisse zeigten einen klaren Zusammenhang zwischen guter Führung, hoher Identifikation der Belegschaft und dem Unternehmensergebnis. Unternehmen mit engagierten Mitarbeitenden erzielten tendenziell bessere Gewinne.

Mario: Wie lässt sich dieser Zusammenhang erklären?

Karsten: Langfristiger Erfolg hängt stark von der individuellen Einstellung und inneren Haltung des Managements ab. Die Art und Weise, wie Führungskräfte ihre Mitarbeitenden führen und motivieren, hat direkten Einfluss auf die Leistung des Unternehmens.

Mario: Was würden Sie anderen Führungskräften raten, um ihre Führungsqualitäten zu verbessern?

Karsten: Die Königsdisziplin für Führungskräfte ist Selbstreflektion und externes Feedback. Der regelmäßige Blick in den Spiegel, am besten begleitet durch einen Coach oder Mentor, ist der stärkste Hebel für die Verbesserung der eigenen Führungsfähigkeit und Vorbildfunktion.

Mario: Lassen Sie uns nochmal auf eine grundlegende Frage schauen: Was hat langfristiger Erfolg mit der Persönlichkeit einer Führungskraft zu tun?

Karsten: Langfristiger Erfolg ist eng mit den grundlegenden Verhaltenspräferenzen einer Führungskraft verbunden. Diese Präferenzen beeinflussen, wie eine Person in verschiedenen Situationen agiert und reagiert.

Mario: Es gibt sogar Hinweise darauf, dass genetische Faktoren eine Rolle spielen. Können Sie das näher erläutern?

Karsten: Ja, das ist richtig. Eine Zwillingsstudie aus dem Jahr 2012 hat gezeigt, dass die Gensequenz RS4950 zu etwa 25 % vorhersagen kann, ob jemand eine Führungsposition einnehmen wird. Das klingt zunächst abwegig, zeigt aber, dass unsere DNA einen Einfluss auf unsere Eignung für Führungsrollen haben kann.

Mario: Aber die DNA ist nicht der einzige Faktor, oder? Was spielt noch eine Rolle bei der Entwicklung der Persönlichkeit?

Karsten: Genau! Die Persönlichkeit eines Menschen besteht zu etwa 50 % aus genetischen Dispositionen, aber auch aus den Lebenserfahrungen in der Prägephase – insbesondere in den ersten sieben Jahren. Diese Erfahrungen formen unser Verhalten und unsere Reaktionen im späteren Leben.

Mario: Wie beschreibt die Persönlichkeitspsychologie diese Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Verhalten?

Karsten: Die Persönlichkeitspsychologie untersucht Traits, also zeitstabile Eigenschaften, die bestimmte Verhaltensmuster in bestimmten Situationen beschreiben können. Zum Beispiel beschreibt die Eigenschaft „Extraversion“ Aspekte wie Geselligkeit und Vertrauensbereitschaft in sozialen Interaktionen.

Mario: Gibt es auch andere Faktoren, die das Verhalten beeinflussen können?

Karsten: Absolut! Neben den Traits spielen auch aktuelle Stimmungen oder Gemütszustände – sogenannte States – eine wichtige Rolle. Eine normalerweise ausgeglichene Person kann beispielsweise in einer Krisensituation vorübergehend neurotische Merkmale zeigen.

Mario: Und was ist mit erlerntem Verhalten? Wie beeinflusst das das Handeln von Führungskräften?

Karsten: Erlerntes Verhalten, oder Habits, ist von größter Bedeutung, denn nur dieses können wir willentlich beeinflussen. So haben viele erfahrene Führungskräfte gelernt, unter Druck nicht impulsiv zu reagieren, sondern erst einmal abzuwarten und nachzudenken. Die bewusste Unterbrechung dieses Reiz-Reaktions-Musters ist der Anfang guter Führung.

Mario: Wie lassen sich diese drei Faktoren – Traits, States und Habits – voneinander abgrenzen?

Karsten: In der Persönlichkeitspsychologie geht es darum, zeitstabile Eigenschaften (Traits) von vorübergehenden Gefühlszuständen (States) und erlerntem Verhalten (Habits) zu unterscheiden. Alle drei Faktoren zusammen beeinflussen das beobachtbare menschliche Verhalten und sind wichtig für das Verständnis von Führungspersönlichkeiten. Direkt beeinflussen lassen sich allerdings nur die Habits. Frei nach Erich Kästner „Es gibt nichts Gutes außer man tut es“.

Mario: Vielen Dank für Ihre interessanten Einblicke! Gibt es abschließend noch etwas, das Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben möchten?

Karsten: Ja! Es ist wichtig zu erkennen, dass sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren unsere Persönlichkeit formen. Für Führungskräfte bedeutet dies, dass sie sich ihrer eigenen Eigenschaften bewusst sein sollten und gleichzeitig bereit sein müssen, sich weiterzuentwickeln und anzupassen.

Mario: Lieber Karsten, herzlichen Dank, dass ich bei Ihnen nachfragen durfte.