Game of Thrones
Ich stelle Menschen gerne Fragen, weil mich ihre Arbeit, ihre Strategien, ihre Standpunkte oder ihre Thesen interessieren. In meinem Online-Magazin möchte ich die Antworten meiner Interviewpartner gerne mit Euch teilen.
Heute habe ich meine FÜNF FRAGEN an Veronika Kiesswetter gestellt. Sie ist PR & Communications Managerin bei AXELOS in London.
Mario: Nicht jeder kennt Game of Thrones, auch wenn es natürlich eine breite Fangemeinde hat. Die Fans der Serie fühlten sich „danach“ alle ein bisschen verloren und wussten nicht, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollten. Aber du hast dir kurzerhand die epische Geschichte aus der Sicht von PRINCE2 angesehen. Wie bist du auf die Idee gekommen, die Geschichte mit dem Thema Projektmanagement zu verknüpfen?
Veronika: Ich schaue immer wieder mal, in welchen alltäglichen Situationen Projektmanagement eine Rolle spielt. Und irgendwie ist das ja überall der Fall, das heißt, dass das Thema nicht nur in den Unternehmen wichtig ist, sondern auch in unser aller Leben. Einer meiner Blog-Artikel, die ich für AXELOS geschrieben habe, handelt beispielsweise davon, wie man eine Stadtführung mit PRINCE2 plant. Als Game of Thrones-Fan lag es nahe, sich auch das Geschehen dort einmal unter dem Projektmanagementaspekt anzusehen. Auf die Idee kam ich ganz konkret, nachdem ich die letzte Folge der achten und letzten Staffel gesehen hatte … ich dachte, das war´s, es ist vorbei, wir wissen jetzt, wer in Königsmund regiert. Es war eine sehr lange Reise für Bran Stark, um endlich die sechs Königreiche zu regieren. Ich habe mich gefragt: Was hätte ein Projektmanager in Winterfell, Königsmund oder Braavos gemacht? Wie hätte er wohl die sieben Prinzipien verwendet, um die sechs Königreiche zu vereinen? Ja, wir haben John Schnee nicht auf dem Eisernen Thron sitzen sehen, aber es war tatsächlich eine epische Fahrt, die acht Jahre dauerte und in deren Verlauf ich immer mal wieder dachte, wie viele Parallelen es doch zur Geschäftswelt und insbesondere dem Projektmanagement gibt. An erster Stelle beispielsweise die fortlaufende geschäftliche Rechtfertigung, wie wir sie in vielen Unternehmen tagtäglich erleben. Einer der Hauptgründe für den Beginn eines großen Krieges in Game of Thrones besteht darin, die Lennisters vom Eisernen Thron zu stürzen. Schließlich waren sie unrechtmäßig dort (ja, Cerseis Kinder waren nicht die von König Robert Baratheon), und König Joffrey war ein sadistischer und grausamer Tyrann. Darüber hinaus gab es eine absolute geschäftliche Rechtfertigung für das Projekt „Die lange Nacht“, auch bekannt als der Krieg gegen den Nachtkönig. Und warum? Ganz einfach, weil dies das Ende von Westeros bedeutet hätte und niemand in Zombies verwandelt werden wollte.
Mario: Für mich, der ich Game of Thrones nie gesehen habe, klingt das alles sehr verwirrend, aber es macht auch Lust darauf, einmal einzutauchen in diese komplexen Handlungsstränge. Projekte sind ja meistens auch sehr komplex. Ich bin gespannt, welchen Aspekt du als nächstes herausgreifst.
Veronika: Der zweite Faktor ist „Lernen aus Erfahrungen“. Jeder, der Game of Thrones gesehen hat, kennt den verrückten König Aerys Targaryen, der von Jamie Lennister alias dem Königsmörder getötet wurde, weil … nun, er verrückt wurde und begann, Menschen bei lebendigem Leib zu verbrennen. Dies sollte all jenen, die das „Spiel der Throne“ spielen, eine Lektion erteilt haben. Es scheint, als ob einige das Geschehen komplett geleugnet haben, weil sie es nicht kommen sahen (genau wie einige der Fans). Vor allem Daenerys Targaryen hätte aus dem, was ihr Vater getan hat, eine Menge lernen müssen. Aber stattdessen wurde sie langsam selbst zur verrückten Königin, die Königsmund zerstörte und unschuldige Menschen abschlachtete.
Mario: Spannend finde ich, dass sich hier scheinbar ebenso klare Rollen herauskristallisieren wie im Projektmanagement. Zum Glück sind sie in unserem Business-Alltag nicht ganz so erschreckend?
Veronika: Absolut richtig, aus Sicht des Projektmanagements könnte die Show als fantastische Metapher für das angesehen werden, was passiert, wenn es keine definierten Rollen und Verantwortlichkeiten gibt. Denken wir nur an all das Blutvergießen, das hätte vermieden werden können, wenn sie nur eine RACI-Matrix erstellt hätten. Aber Spaß beiseite, dort wie hier ist es wichtig, Rollen und Verantwortlichkeiten zu definieren. Während Game of Thrones änderten sich die Rollen ständig. Daenerys begann als jemand, der entschlossen war, Sklaverei und Ungerechtigkeit zu beenden, endete aber als verrückte Königin. Cersei begann als schöne Königin von Robert Baratheon und landete (für eine Weile) selbst auf dem Eisernen Thron – als eher tyrannische Herrscherin. Dann haben wir Jon Schnee, der immer der Gute mit den richtigen Führungsqualitäten war, der zum Königinmörder wurde. Wer könnten also die Lieferanten von Game of Thrones sein? Wie wäre es mit den Unbefleckten und den Dothraki, die die Truppen bereitstellen – etwas absolut Wesentliches in der Geschichte. Wer könnte der Sponsor sein? Wie wäre es mit Tyrian Lennister als Daenerys Hand, die ihren Kampf um den Eisernen Thron unterstützt? Die Benutzer? Das könnten die verschiedenen Häuser sein, da sie diejenigen sind, die von ihrem Herrscher einen Wert erhalten. Ja ich weiß, ich bin schon wieder mitten drin – die Fans können mich sicher verstehen und alle anderen kann ich vielleicht neugierig machen.
Mario: Da merkt man einfach deine Leidenschaft für beide Themen und Welten. Ich führe dich gerne zurück zu unserem Thema und dem vierten und fünften Punkt von PRINCE2. Wie sieht es damit aus, nach Managementphasen bzw. nach dem Ausnahmeprinzip zu steuern. Siehst du hier auch Parallelen zu Game of Thrones?
Veronika: Klar, zum Thema „Steuern über Managementphasen“ lässt sich sagen: Nun, in Game of Thrones gab es viele verschiedene Handlungsstränge. Aber die beiden Hauptmanagementphasen waren der Kampf gegen den Nachtkönig und der Kampf um Königsmund und den Eisernen Thron. Diejenigen, die das „Spiel der Throne“ spielten, mussten sicherstellen, dass die erste Phase erfolgreich abgeschlossen wurde, bevor sie in die zweite Phase eintraten. Und während wir lange dachten, dass der Kampf um Königsmund und um den Eisernen Thron dasselbe wäre, fanden wir heraus, dass dies nicht der Fall war – was eine weitere Phase für diejenigen bedeutete, die noch am Leben waren. Zum Thema „Steuern nach dem Ausnahmeprinzip“ stelle ich lieber eine Frage: „Haben wir für jedes Ziel bestimmte Toleranzen definiert?“ Vielleicht nicht wirklich, denn das Hauptziel war immer: gewinnen und überleben oder verlieren und sterben. Aber ich frage mich, ob ein Projektmanager in der Lage gewesen wäre, Daenerys davon zu überzeugen, dass sie den Truppen nach der Schlacht gegen den Nachtkönig eine Zeittoleranz hätte gewähren sollen, um sich zu erholen – Sansa hat es versucht, war aber nicht erfolgreich. Es gab nie eine große Debatte über die Kosten, aber wir wissen, dass ein Lennister immer seine Schulden bezahlt. Im Laufe der Serie fanden wir auch heraus, dass der Eiserne Thron der mächtigen Eisernen Bank von Braavos riesige Geldbeträge schuldet, und das bleibt ein Thema bis Staffel 7. Zumindest aus der Sicht des Eisernen Throns wäre es besser gewesen, Toleranz bei den Kosten festzulegen, anstatt ständig Geld zu leihen. In Bezug auf die Zeit … nun, wir alle wissen, dass der Winter kommt.
Mario: Unternehmen erleben in Sachen Projektmanagement auch so manchen „Winter“ und das unabhängig von der Jahreszeit. Zwei Punkte fehlen noch zu deinen sieben Prinzipien, um die sechs, Königreiche zu vereinen. Welche sind das und was können Projektmanager davon lernen?
Veronika: Der sechste Punkt ist die klare „Produktorientierung“, das Projekt muss also auf die Definition und Lieferung von Produkten (zur Erklärung: Produkt ist laut PRINCE2 ein materieller oder immaterieller Input oder Output) ausgerichtet sein. Auch das ist definitiv geschehen. Die Allianz musste den Nachtkönig töten, um zu überleben. Und sie konzentrierte sich voll und ganz darauf. Daenerys dachte, es sei ihr Geburtsrecht, auf dem Eisernen Thron zu sitzen, und sie hat sich ein bisschen zu sehr darauf konzentriert. Und deshalb hat sie ihn wieder verloren. Der siebte und letzte Punkt, denn so wie Game of Thrones muss ja auch dieses Interview einmal enden, ist das „Anpassen an das Projekt“. Proaktive Entscheidungen waren während der gesamten Serie immer sehr wichtig. Und die Projektumgebung änderte sich, während die Handlung durch die verschiedenen Königreiche reiste, also ja, die Charaktere passten ihre Vorgehensweise definitiv an. Vor allem durch den Einsatz von Drachen, um ihre Kämpfe zu gewinnen. Und damit wären wir auch schon am Ende der sieben PRINCE2-Prinzipien.
Mario: Danke für das Interview.
Zur Person
Veronika Kiesswetter ist langjährige Kommunikationsexpertin und arbeitet seit Juni 2018 bei AXELOS. Dort ist sie für alle Themen rund um PR und Kommunikation zuständig und ist selbstverständlich auch in PRINCE2 sowie Managing Successful Programmes (MSP) zertifiziert. In ihrer Freizeit arbeitet Veronika auch als qualifizierte Stadtführerin in London … und hat alle Game of Thrones-Staffeln gesehen (und auch die Bücher gelesen).
Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.