Emotionen äußern sich im Körper
Emotionen sind eine Körperfunktion. Der Körper zeigt sie in Aktion, Reaktion und im Ausdruck. Es gibt wohl Hunderte von Emotionen mitsamt ihren Mischungen und Überlagerungen, Mutationen und Variationen. Es gibt so unendlich viele Nuancen von Emotionen, dass man jeweils nur schwer das genau treffende Wort findet.
Die Begriffe Gefühl und Emotion können wir fast synonym verwenden. Jedoch gibt es in der Bedeutung unterschiedliche Akzente. Ein Gefühl, wie zum Beispiel Trauer, Wut, Angst, Freude, ist ein innerpsychisches Phänomen. Erst wenn das Gefühl sich äußert, sich im Körper zeigt oder das Verhalten prägt, haben wir eine Emotion (lat. emovere = hinausbringen; emotus = hinausgebracht):
Wir weinen, weil wir traurig sind; wir schlagen, weil wir wütend sind; wir zittern, weil wir Angst haben; wir hüpfen, weil wir uns freuen. Emotionen sind „sprechende Gefühle“. Sie sind Wegweiser hin zu unseren Bedürfnissen.
Fühlen – denken – verhalten,
das geht nur zusammen. Doch das primäre Element ist die Emotion. Denn bevor wir noch gedacht haben (Kognition), haben wir schon gefühlt und der Körper weiß das schon. Bevor wir uns entscheiden, hat das Gefühl schon entschieden.
Bevor wir ein Verhalten an den Tag legen, ist die Emotion schon in uns aufgestiegen.
Emotionen im Management
Emotionen galten jahrzehntelang als Feind der Rationalität:
- Manager, die emotional wurden, machten einen schweren Fehler
- Entscheidungsprozesse, in die Emotionen einflossen, waren nicht vertrauenswürdig
- Stellungnahmen, die man als emotional erkannte, musste man nicht ernst nehmen
- Statt emotional gefärbter Führungskräfte wünschte man sich streng sachlich agierende Organisationsmitglieder
- Das streng sachliche emotionsfreie Handeln war das Ideal der Bürokratie


Foto: Matjaz Slanic auf istockphoto
Aber entwickelt sich eine Organisation tatsächlich um so besser, je mehr es ihr gelingt, alle irrationalen und alle rein persönlichen, sich dem Kalkül entziehenden Empfindungen auszuschließen? – Ist es für die moderne Organisation tatsächlich notwendig auszuschließen, dass es im Management „menschelt“? Ganz im Geiste dieser „Entmenschlichung“ hat auch die Management lehre jahrzehntelang Rationalität gepredigt und Emotionen, sofern sie diese überhaupt beachtete, als Störfaktor betrachtet. Dementsprechend galt es, Emotionen, wenn schon nicht zu eliminieren, so doch zumindest unter Kontrolle zu halten. Inzwischen hat sich die Situation stark verändert. Die Grundeinstellung zu Emotionen im allgemeinen und zu Emotionen in Organisationen ist wesentlich positiver geworden:
Mitarbeiter möchten am Arbeitsplatz die Möglichkeit haben, emotionale Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Von Vorgesetzten wird erwartet, dass sie Verständnis und Zuwendung zeigen. Die Beraterbranche nimmt sich immer mehr des Themas an, und zwischenzeitlich werden auch Trainings angeboten, um emotionale Kompetenzen zu schulen (z.B. das Training im team-dynamischen Kreis).
Emotionalität gerät fast schon zu einem Wert an sich, die „emotionale Intelligenz“ hat dazu das Stichwort gegeben. Die Wissenschaft beginnt bereits sich zu öffnen und Fragen der Emotionalität in Managementprozessen genauer nachzugehen.
Redeweisen mit Emotionen
Es gibt viele Redeweisen, die darauf hinweisen, dass sich Emotionen, ehe sie zu sozialen Handlungen werden, im Körper bemerkbar machen. Zunächst allerdings nur durch Empfindungen in bestimmten Körperteilen oder Organen:
‒ da kommt mir die Galle hoch
‒ da krieg ich ‘n dicken Hals
‒ da krieg ich Gänsehaut
‒ da krieg ich Muffensausen
‒ da muss ich schlucken
‒ da schlottern mir die Knie
‒ da werden mir die Knie weich
‒ da wird mir ganz schwindelig
‒ das geht mir an die Nieren
‒ das geht mir auf den Sack
‒ das geht mir durch und durch
‒ das liegt mir auf der Leber
‒ davor hab ich Schiss
‒ es brennt mir unter den Nägeln
‒ es juckt mir in den Fingern
‒ es kribbelt mir im Bauch
‒ mir dreht sich der Magen um
‒ mir schnürt sich die Kehle zu
‒ mir stehen die Haare zu Berge
Wenn es auch nur in einem Organ oder Körperteil anfängt, so ist das Verkörperlichen von Emotionen etwas, das darüber hinausreicht. Es gilt, sich den emotionalen Erfahrungen ganz auszusetzen und sie möglichst weit in die physiologischen und neurologischen Systeme des Körpers hineinzulassen.
Der Moderator versucht, den Teilnehmer zur Wahrnehmung des ganzen Körpers zu führen und ihn dann vom Fühlen ins soziale Handeln zu begleiten. Er tut dies mit ganzer Aufmerksamkeit und Empathie:
„Was fühlst du gerade? Wie fühlt sich das an? Wo fühlst du das? Atme tief ein und aus. – Lass es zu, dass der ganze Körper mitfühlt. – Der Körper hilft dir, das Gefühl anzunehmen.“
Fehlt das soziale Handeln, staut sich die Emotion.
Staut sich die Emotion, verirrt sich die Kognition.
Verirrt sich die Kognition, beginnt die soziale Isolation.
Emotionen im Team
Für den Menschen als Teil eines sozialen Verbandes (z.B. eines Teams) ist es von elementarer Bedeutung, die angenehmen wie die unangenehmen Emotionen vor und mit anderen Menschen zum Ausdruck zu bringen. Dies macht ein harmonisches und soziales Zusammenleben überhaupt erst möglich.
Voraussetzung dafür ist die in einem guten Team vorhandene natürliche Vertrauensbasis. Die Beziehungen der Mitglieder müssen intakt und transparent sein. Ein eingespieltes Team wirkt regulierend: Es motiviert, gibt Impulse und Hilfestellungen, fängt die entstandene Situation emotional auf. Die Mitglieder erleben einander und fühlen mit. Die erlebten Szenen gehen unter die Haut – es sind Lernprozesse, die kribbeln.
Deshalb ist es beim team-dynamischen Training nicht nur erlaubt, sondern geradezu angebracht, seine Gefühle den anderen Teilnehmern „mit-zu-teilen“, das heißt, sie „mit-ihnen-zu-teilen“.
Rollenspiele und systemische unbewältigte Erlebnisse des Einzelnen emotional zu verarbeiten. Die gebundenen inneren Kräfte werden frei. Sie stärken den Einzelnen und kommen dem Team zugute. Unangenehme Emotionen In unserer Gesellschaft sind nur bestimmte Emotionen gern gesehen. Angenehme Emotionen sind erwünscht, unangenehme werden eher vermieden. Beim team-dynamischen Training haben alle Emotionen ihren Platz. Entscheidend ist nur, wie man mit den unangenehmen Emotionen umgeht und was man aus ihnen macht.
1. Möglichkeit:
Emotionen verdrängen Das schadet auf Dauer der Gesundheit. Emotionen brauchen ein Ventil und müssen abgebaut werden. Aufgestaute Emotionen bleiben stecken und rumoren solange herum, bis sie herausgelassen werden.
2. Möglichkeit:
Emotionen herauslassen. Das geht oft auf Kosten der anderen und macht unbeliebt. Gerade, wenn es sich um aufgestaute Emotionen handelt, deren Ursache nicht jeder nachvollziehen kann. „Einfach herauslassen“, das sind unkontrollierte Gefühlsäußerungen, oft in Extremformen wie Hass, Panik, Manie, Aversion, Aggression, Depression und Gewalt.
3. Möglichkeit:
Emotionen gestalten Unangenehme Gefühle lassen sich spielerisch darstellen, wenn die Hemmschwelle für den Betroffenen niedrig genug ist. Das Spiel wird zu einem positiven Ausgang geführt, die Kehrseite der Medaille ist erkennbar: Hass polt sich um zur Zustimmung, Wut wird zur Sanftheit, Trauer zur Freude. Scheinbar unerwünschte Emotionen werden sozial und produktiv, wenn man sie nur zulässt und sinnvoll gestaltet.


Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.