Einfach mal runterschalten
Downshifting (engl.: to shift down = runterschalten)
Downshifting kommt aus den USA. In einer Studie gaben 48 Prozent der Berufstätigen an, in den zurückliegenden fünf Jahren freiwillig ihre Arbeitszeit verkürzt, Beförderungen abgelehnt oder Berufsziele heruntergeschraubt zu haben. Auch in einer britischen Umfrage entpuppte sich jeder Vierte als Downshifter. Reduzierer gibt es in jeder sozialen Schicht – und sie sind trotz finanzieller Einbußen durchweg glücklich mit ihrer Entscheidung.
Häufigster Grund für das berufliche Kürzertreten ist der Wunsch, mehr Zeit für die Familie und sich selbst zu haben. Es steigt also nicht nur die Zahl derer, die einfach nicht mehr können und nach einem Burnout Arbeit und Leben in ein gesünderes Gleichgewicht bringen müssen. Immer öfter streben gerade jüngere Menschen schon frühzeitig nach einer harmonischen Work-Life-Balance. In Zeiten epidemischer Verbreitung von Burnout-Syndromen ist Downshifting das Wort der Stunde. Es klingt zudem auch viel moderner als das deutsche Wort „Kürzertreten“.
Viele Facetten
Downshifting hat viele Varianten: Sabbatical, Halbtagsjob oder Homeoffice. Egal, für welche Variante man sich entscheidet, im Vordergrund stehen immer das individuelle Glück und die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Es bedarf einer großen Portion Mut und Entschlossenheit, die nächste Beförderung auszuschlagen, sich finanziell einzuschränken und dafür mehr Lebensqualität zu gewinnen.
Burnout = Akku leer
„Burnout“ beschreibt einen Zustand, in dem bei den Betroffenen nichts mehr geht, bei dem sie sich „ausgebrannt“ fühlen. Sie leiden unter körperlicher und seelischer Erschöpfung. Ein Zustand, der sich nicht schlagartig, sondern schleichend einstellt, meist als Folge einer längeren Überforderung.
Viele Symptome werden darunter zusammengefasst: psychosomatische Beschwerden, wie Schlafstörungen, Herzprobleme oder Tinnitus. Im schlimmsten Fall kommt es zu schweren Depressionen, zum völligen Zusammenbruch, zu Selbstmordgedanken.
Wer sehr hart und lange arbeitet, fühlt sich erschöpft und braucht Erholung, um wieder Kraft zu schöpfen. Beim Burnout ist der Energie-Akku leer.
Es ist ein Zustand körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung über einen längeren Zeitraum: chronische Ermüdung, Gefühle von Überdruss und innerer Leere sowie negative Einstellungen zur Arbeit und zu den Kollegen.
Burnout kann jeden betreffen, besonders gefährdet sind Menschen, die sehr ehrgeizig sind und große Verantwortung tragen. (Vgl. Arnfrid Schenk, DIE ZEIT, 26.04.01)
Ursachen des Burnout
- emotionale Schwerstarbeit, wie sie Ärzte, Pflegekräfte und Sozialarbeiter leisten
- die Verdrängung von Stress und Überdruss-Signalen
- die Unfähigkeit, sich schwach zu zeigen
- Ziele und Lebensentwürfe, die gestört werden
- Organisationsstrukturen, die dauernd für Stress sorgen
Maßnahmen gegen Burnout
Der Betroffene muss eine Einstellung entwickeln, die dem Körper die notwendige Entspannung und Erholung erlaubt. Er sollte regelmäßig Pausen einlegen. Am Ende von stressigen Arbeitssituationen ist es besonders wichtig, das Hormon Adrenalin im Blut wieder abzubauen. Das gelingt am besten durch Bewegung, Jogging, Schwimmen oder Tanzen. Koch/ Kühn 2000
Burnout-Gefährdung
Der Körper weiß genau, wann das Gleichgewicht ins Wanken gerät. Er sendet anfangs feine, später immer deutlichere Signale: erst Reizbarkeit und Magenbeschwerden, dann Schlafstörungen und Verspannungen im Schulterbereich.
Schnelltest zum Burnout-Syndrom: Wer fünf der folgenden Aussagen zustimmen kann, gilt als burnoutgefährdet oder befindet sich bereits in der Krise.
- Ich arbeite wie ein Tier, aber für wen eigentlich?
- Ich bin wahnsinnig aktiv, aber es kommt nichts dabei heraus
- Ich falle jeden Abend ins Bett wie ein Stein, ich bin erschöpft
- Ich fühle mich wie ein Hamster im Laufrad
- Ich helfe immer wieder gern
- Ich möchte wissen, was von mir erwartet wird
- Ich trage eine unbändige Wut in mir
- Ich habe Angst, dass etwas schiefgehen könnte
- Ich stresse mich durch das Leben
Erich Gamsjäger, Psychologe, in: DIE WELT, 23.06.2007
Stress und Gesundheit
Stress ist der wohl häufigste Grund, warum sich Arbeitnehmer für einen geringeren Stundensatz entscheiden. Am Ende des Arbeitstages bleiben viele Aufgaben liegen und weitere kommen hinzu. Aufgaben lassen sich zwar nach hinten verschieben, die Abgabefristen leider nicht. Je höher die Position, desto wichtiger und weitreichender sind die Entscheidungen, die man treffen muss. Wer unter Dauerstress steht, neigt dazu, die Freude an seinem Job zu verlieren. Diese Freude gilt es auf jeden Fall zu bewahren.
Dauerstress macht krank. Auch besonders stressresistente Menschen haben ihre Grenzen. Zwar machen sie trotz des Drucks einen guten Job, doch „einen guten Job machen“ ist nicht gleichzusetzen mit „ihn gerne machen“. Nicht selten mündet permanenter Druck in einem Burnout oder einer Depression. Das Warnsignal dafür, dauerhaft kürzer zu treten!
Zeitdruck, Überstunden, Deadlines: Hohes Arbeitspensum und die damit einhergehenden Anforderungen sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass viele sich in ihrem Arbeitsalltag gestresst und überfordert fühlen. Das betrifft nicht nur Führungskräfte mit einer großen Verantwortung, sondern auch Freiberufler.
„Gute Arbeit“ auch für Freiberufler
Freiberufler und Selbständige haben manchmal Kunden oder Klienten, mit deren Wertesystem sie nicht konform sind. Die Aufträge dann trotzdem auszuführen raubt ihnen Kraft, mehr als das Honorar energetisch ausgleichen kann. Bei gleicher oder sogar höherer Arbeitslast haben sie mehr Energie, sobald sie sich die Kunden und die Aufträge aussuchen können.
Die Energiebilanz wird auch besser, wenn ein Freiberufler Tageszeit und Rahmenbedingungen für die Arbeit selbst bestimmen kann, z.B. mal im Garten Texte lesen oder ein Manuskript am Wochenende bearbeiten. Vielleicht gibt es also nicht nur ein Downshifting hinsichtlich der Arbeitszeit (Quantität), sondern auch hinsichtlich der Arbeitsqualität. In der Politik gibt es den plakativen Begriff „gute Arbeit“. Die steht für Arbeit unter guten Bedingungen.
Das Ziel
Downshifting hat das Ziel, ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben zu führen. Beim Downshifting steht nicht der bewusste Konsumverzicht im Vordergrund, sondern die Reduktion der Arbeitszeit. In der Bundesrepublik Deutschland hat ein Arbeitnehmer grundsätzlich das Recht auf Arbeitszeitverringerung.
Mit Downshifting ist keinesfalls eine Abkehr von der Gesellschaft gemeint. Es bedeutet vielmehr vorsichtige, kluge Schritte zu unternehmen, um die Arbeitsbelastung auf ein individuell verträgliches bzw. gewünschtes Maß zu reduzieren und den so gewonnenen Freiraum für mehr Vielfalt und Lebenssinn zu nutzen.
Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.