Well Team Times Nr. 276

Einfach mal runterschalten

Von am 10.11.2023

Downshifting (engl.: to shift down = runterschalten)

Downshifting kommt aus den USA. In einer Studie gaben 48 Prozent der Be­rufstätigen an, in den zu­rückliegenden fünf Jahren freiwillig ihre Arbeitszeit verkürzt, Beförderungen abgelehnt oder Berufsziele heruntergeschraubt zu haben. Auch in einer britischen Umfrage entpuppte sich jeder Vierte als Downshifter. Reduzierer gibt es in jeder sozialen Schicht – und sie sind trotz finanzieller Einbußen durchweg glücklich mit ihrer Entscheidung.

Häufigster Grund für das be­rufliche Kürzertreten ist der Wunsch, mehr Zeit für die Familie und sich selbst zu haben. Es steigt also nicht nur die Zahl derer, die einfach nicht mehr können und nach einem Burnout Arbeit und Leben in ein gesünderes Gleichgewicht bringen müssen. Im­mer öfter streben gerade jün­gere Menschen schon frühzeitig nach einer harmonischen Work-Life-Balance. In Zeiten epidemischer Verbreitung von Burnout-Syndromen ist Downshifting das Wort der Stunde. Es klingt zudem auch viel moderner als das deutsche Wort ­„Kürzertreten“.

Viele Facetten

Downshifting hat viele Vari­anten: Sabbatical, Halbtagsjob oder Homeoffice. Egal, für welche Variante man sich entscheidet, im Vordergrund stehen immer das individuelle Glück und die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben. Es ­bedarf einer großen Portion Mut und Entschlossenheit, die nächste Beförderung auszu­schlagen, sich finanziell einzuschränken und dafür mehr Lebensqualität zu gewinnen.

Burnout = Akku leer

„Burnout“ beschreibt einen Zustand, in dem bei den Betroffenen nichts mehr geht, bei dem sie sich „ausgebrannt“ fühlen. Sie leiden unter kö­rperlicher und seelischer Erschöpfung. Ein Zustand, der sich nicht schlagartig, sondern schleichend einstellt, meist als Folge einer längeren Überfor­derung.

Viele Symptome werden da­runter zusammengefasst: psy­chosomatische Beschwerden, wie Schlafstörungen, Herzprobleme oder Tinnitus. Im schlimmsten Fall kommt es zu schweren Depressionen, zum völligen Zusam­menbruch, zu Selbst­mordgedanken.
Wer sehr hart und lange arbeitet, fühlt sich er­schöpft und braucht Er­holung, um wieder Kraft zu schöpfen. Beim Burnout ist der Energie-Akku leer.

Es ist ein Zustand körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung über einen längeren Zeitraum: chronische Ermüdung, Gefühle von Überdruss und innerer Leere sowie negative Einstellungen zur Arbeit und zu den Kollegen.

Burnout kann jeden betreffen, besonders gefährdet sind Men­schen, die sehr ehrgeizig sind und große Verantwortung tragen. (Vgl. Arnfrid Schenk, DIE ZEIT, 26.04.01)

Foto: Matjaz Slanic auf istockphoto

Ursachen des Burnout

  • emotionale Schwerstarbeit, wie sie Ärzte, Pflegekräfte und Sozialarbeiter leisten
  • die Verdrängung von Stress­ und Überdruss-Signalen
  • die Unfähigkeit, sich schwach zu zeigen
  • Ziele und Lebensentwürfe, die gestört werden
  • Organisationsstrukturen, die dauernd für Stress sorgen

Maßnahmen gegen Burnout

Der Betroffene muss eine Ein­stellung entwickeln, die dem Körper die notwendige Ent­spannung und Erholung er­laubt. Er sollte regelmäßig Pausen einlegen. Am Ende von stressigen Arbeitssituatio­nen ist es besonders wichtig, das Hormon Adrenalin im Blut wieder abzubauen. Das gelingt am besten durch Bewe­gung, Jogging, Schwimmen oder Tanzen. Koch/ Kühn 2000

Burnout-Gefährdung

Der Körper weiß genau, wann das Gleichgewicht ins Wanken gerät. Er sendet anfangs feine, später immer deutlichere Sig­nale: erst Reizbarkeit und Magenbeschwerden, dann Schlaf­störungen und Verspannungen im Schulterbereich.
Schnelltest zum Burnout-Syn­drom: Wer fünf der folgenden Aussagen zustimmen kann, gilt als burnoutgefährdet oder be­findet sich bereits in der Krise.

  • Ich arbeite wie ein Tier, aber für wen eigentlich?
  • Ich bin wahnsinnig aktiv, aber es kommt nichts dabei heraus
  • Ich falle jeden Abend ins Bett wie ein Stein, ich bin erschöpft
  • Ich fühle mich wie ein Hamster im Laufrad
  • Ich helfe immer wieder gern
  • Ich möchte wissen, was von mir erwartet wird
  • Ich trage eine unbändige Wut in mir
  • Ich habe Angst, dass etwas schiefgehen könnte
  • Ich stresse mich durch das Leben

Erich Gamsjäger, Psychologe, in: DIE WELT, 23.06.2007

Stress und Gesundheit

Stress ist der wohl häufigste Grund, warum sich Arbeitneh­mer für einen geringeren Stundensatz entscheiden. Am Ende des Arbeitstages bleiben viele Aufgaben liegen und weitere kommen hinzu. Auf­gaben lassen sich zwar nach hinten verschieben, die Abga­befristen leider nicht. Je höher die Position, desto wichtiger und weitreichender sind die Entscheidungen, die man tref­fen muss. Wer unter Dauer­stress steht, neigt dazu, die Freude an seinem Job zu ver­lieren. Diese Freude gilt es auf jeden Fall zu bewahren.
Dauerstress macht krank. Auch besonders stressresistente Men­schen haben ihre Grenzen. Zwar machen sie trotz des Drucks einen guten Job, doch „einen guten Job machen“ ist nicht gleichzusetzen mit „ihn gerne machen“. Nicht selten mündet permanenter Druck in einem Burnout oder einer De­pression. Das Warnsignal da­für, dauerhaft kürzer zu treten!
Zeitdruck, Überstunden, Dead­lines: Hohes Arbeitspensum und die damit einhergehenden Anforderungen sind maßgeb­lich dafür verantwortlich, dass viele sich in ihrem Arbeitsall­tag gestresst und überfordert fühlen. Das betrifft nicht nur Führungskräfte mit einer gro­ßen Verantwortung, sondern auch Freiberufler.

„Gute Arbeit“ auch für Freiberufler

Freiberufler und Selbständige haben manchmal Kunden oder Klienten, mit deren Wertesys­tem sie nicht konform sind. Die Aufträge dann trotzdem auszuführen raubt ihnen Kraft, mehr als das Honorar energe­tisch ausgleichen kann. Bei gleicher oder sogar höherer Arbeitslast haben sie mehr Energie, sobald sie sich die Kunden und die Aufträge aus­suchen können.
Die Energiebilanz wird auch besser, wenn ein Freiberufler Tageszeit und Rahmenbedin­gungen für die Arbeit selbst bestimmen kann, z.B. mal im Garten Texte lesen oder ein Manuskript am Wochenende bearbeiten. Vielleicht gibt es also nicht nur ein Downshif­ting hinsichtlich der Arbeits­zeit (Quantität), sondern auch hinsichtlich der Arbeitsquali­tät. In der Politik gibt es den plakativen Begriff „gute Ar­beit“. Die steht für Arbeit un­ter guten Bedingungen.

Das Ziel

Downshifting hat das Ziel, ein selbstbestimmtes, erfülltes Le­ben zu führen. Beim Down­shifting steht nicht der be­wusste Konsumverzicht im Vordergrund, sondern die Re­duktion der Arbeitszeit. In der Bundesrepublik Deutschland hat ein Arbeitnehmer grund­sätzlich das Recht auf Arbeits­zeitverringerung.
Mit Downshifting ist keines­falls eine Abkehr von der Ge­sellschaft gemeint. Es bedeutet vielmehr vorsichtige, kluge Schritte zu unternehmen, um die Arbeitsbelastung auf ein individuell verträgliches bzw. gewünschtes Maß zu reduzie­ren und den so gewonnenen Freiraum für mehr Vielfalt und Lebenssinn zu nutzen.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.