Das frühe Scheitern
Nicht selten werden schon im Vorfeld bzw. in der Anfangsphase eines Projektes derart gravierende Fehler begangen, dass bei kritischer und fachkundiger Bertachtung oft von vornherein klar ist, dass das Projekt scheitern wird. In diesem Fachbeitrag beleuchten wir die häufigsten Ursachen für das Scheitern von Projekten und zeigen, warum eine kritische, frühzeitige Analyse essenziell ist, um den Erfolg eines Projekts zu sichern.
Kersten G. wurde eigens eingestellt, um ein ambitioniertes Bauprojekt zur Errichtung eines neuen Produktionsstandortes in Costa Rica zu leiten. Das neue Werk sollte innerhalb von nur zwölf Monaten errichtet werden, um die geplanten Produktionskapazitäten für den nordamerikanischen Markt rechtzeitig zu erhöhen. Die Geschäftsführung setzte auf ambitionierte Ziele, ohne jedoch eine realistische Planung oder eine gründliche Risikoanalyse durchzuführen. Auch Kersten ging zunächst davon aus, dass die Bauarbeiten ohne größere Verzögerungen verlaufen würden. Dabei wurden wichtige lokale Gegebenheiten, wie langwierige behördliche Genehmigungsverfahren und logistische Herausforderungen völlig unterschätzt oder bisweilen sogar ignoriert.
Wenn sich die Zielsetzung eines Projektes plötzlich als unrealistisch herausstellt, dann erhöhen Projektleiter oft den Druck auf die ausführenden Firmen. Auch Kersten wusste sich nicht anders zu helfen, als sich erste gravierende Probleme abzeichneten – etwa Verzögerungen bei Genehmigungen und Materiallieferungen. Er wollte schließlich den ursprünglichen Zeitplan einhalten – koste es, was es wolle. Letztlich führte diese Kombination aus unrealistischen Zielen und unzureichender Planung dazu, dass sein Projekt schon früh deutlich hinter dem Zeitplan zurückblieb, während die Kosten gleichzeitig explodierten. Als schließlich auch die Qualität der Arbeiten unter dem Zeitdruck litt, musste das Projekt vorzeitig gestoppt werden.
Viele Projekte scheitern eigentlich schon in der Anfangsphase – häufig sind es schwerwiegende Fehler in der Vorbereitung, die frühzeitig dafür sorgen, dass das Projekt ins Schlingern gerät. Dabei könnte man mit einer sorgfältigen und fachkundigen Analyse das Schlimmste verhindern.
Es sind die immer gleichen Fehler
Das Scheitern von Projekten ist häufig das Ergebnis wiederkehrender Herausforderungen, die bereits in der frühen Phase unterschätzt oder falsch eingeschätzt werden. Viele dieser Probleme entstehen durch eine unzureichende Vorbereitung, mangelhafte Zieldefinitionen oder eine ungenügende Risikoanalyse. Oft werden unrealistische Erwartungen gesetzt, Ressourcen falsch eingeschätzt oder die Komplexität des Vorhabens unterschätzt. Diese Fehler sind nicht nur auf mangelndes Fachwissen zurückzuführen, sondern auch auf eine unzureichende Betrachtung der tatsächlichen Rahmenbedingungen und Herausforderungen. Das Bewusstsein für diese wiederkehrenden Fallstricke ist essenziell, um frühzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen und die Erfolgschancen eines Projekts deutlich zu erhöhen.


Foto: Dimitris Vetsikas auf Pixabay
Unrealistische Ziele und Erwartungen
Das Scheitern von Projekten lässt sich häufig auf eine grundlegende Fehleinschätzung der Zielsetzungen zurückführen. Oftmals sind es die Auftraggeber, die aus mangelnder Fachkenntnis unrealistische Ziele formulieren. Diese unrealistischen Erwartungen werden ihnen häufig sogar vom Anbieter bestätigt und zugesagt, um den Auftrag zu sichern. Dabei bleibt jedoch die Frage offen, ob diese Zusagen tatsächlich realistisch sind oder nur dem Wettbewerb geschuldet, um den Zuschlag zu erhalten.
Diese Erfahrung hat auch Kersten in seinem Bauprojekt gemacht. Mal waren es die beteiligten Firmen, mal die Lieferanten für wichtige Materialien und Maschinen – ihre Zusagen hielten oft genug nicht der Realität stand. Die Folge war eine zunehmende Diskrepanz zwischen den gesetzten Zielen und den tatsächlichen Möglichkeiten, was im Verlauf des Projekts zu erheblichen Problemen führte. Anbieter sind in solchen Fällen oft gezwungen, Versprechungen zu machen, um den Auftrag nicht zu verlieren, ohne dabei die Machbarkeit wirklich zu prüfen. Für den Erfolg eines Projekts ist es daher entscheidend, dass der Projektleiter ein gewisses Maß an Fachwissen entwickelt, um die Erwartungen realistisch einschätzen und entsprechend steuern zu können. Nur so kann verhindert werden, dass unrealistische Zielvorgaben das Projekt von Anfang an gefährden und letztlich zum Scheitern führen.
Unvollständige Spezifikationen
Neben unrealistischen Zielen gehört eine unvollständige oder unklare Spezifikation des Projektziels zu den häufigsten Ursachen für das Scheitern von Projekten. Wenn die Anforderungen und Erwartungen zu Beginn nicht eindeutig definiert sind, besteht die Gefahr, dass alle Beteiligten unterschiedliche Vorstellungen vom Endergebnis haben. Dies führt oft zu Missverständnissen und Konflikten im Verlauf des Projekts.
Ein anschauliches Beispiel ist eine Würstchenbude, bei der ein Kunde eine Currywurst bestellt und sich später beschwert, dass keine Pommes dabei sind. Der Kunde ging von etwas aus, das für ihn selbstverständlich war, ohne seinen Wunsch explizit zu kommunizieren. Ähnlich verhält es sich bei Projekten: Ohne klare Spezifikationen kann es leicht passieren, dass Erwartungen nicht erfüllt werden, weil sie nie richtig formuliert wurden. Für Auftraggeber bedeutet dies, dass sie sich sehr genau überlegen müssen, was sie wirklich wollen und ihre Wünsche präzise artikulieren. Nur durch eine detaillierte und verständliche Zieldefinition lassen sich Missverständnisse vermeiden und die Erfolgschancen eines Projekts deutlich erhöhen.
Eine unzureichende Planung
Nach der Spezifikation des Projektziels steht eine sorgfältige und realistische Planung des Projektablaufs auf dem Programm. Dabei bedeutet „optimal“ nicht nur Effizienz, sondern auch die Berücksichtigung von Eventualitäten durch das Einplanen von Pufferzeiten und Flexibilität. Fehler in der Planungsphase, wie unrealistische Zeitvorgaben oder unzureichende Ressourcenplanung, wirken sich später erheblich negativ auf die Kontrolle des Projektfortschritts aus. Ein effektives Projektmanagement erfordert den kontinuierlichen Vergleich zwischen Ist- und Soll-Zustand: Das heißt, regelmäßig den aktuellen Stand in Bezug auf Zeitplan, erreichte Meilensteine und eingesetzte Mittel zu überprüfen.
Wenn die Planung unzureichend war – wie dies bei Kersten augenscheinlich der Fall war – kann es passieren, dass das Projekt trotz engagierter Arbeit des Teams frühzeitig gestoppt wird. Wenn der ursprüngliche Plan einen zu schnellen Fortschritt vorgibt oder keine ausreichenden Puffer für unerwartete Probleme vorgesehen sind, dann gerät das Vorhaben schnell aus den Fugen. Solche Fehler führen dazu, dass Korrekturen kaum noch möglich sind. Eine realistische, flexible Planung sowie eine kontinuierliche Kontrolle sind daher essenziell, um das Projekt erfolgreich zum Abschluss zu bringen.
Fehlendes Risikobewusstsein
Selbst die sorgfältigste Projektplanung kann Risiken nicht vollständig ausschließen. Risiken sind ein unvermeidbarer Bestandteil jedes Projekts und können durch unvorhergesehene Ereignisse zum Scheitern führen. Kersten wurde beispielsweise zum Verhängnis, dass sein Projekt finanziell viel zu knapp kalkuliert wurde. Während des Projekts stiegen die Rohstoffpreise unerwartet, wodurch sich die Kostenstruktur erheblich erhöhte, was den Projektabschluss in Gefahr brachte.
Um solchen Situationen vorzubeugen, ist es essenziell, bereits in der Planungsphase ein systematisches Risikomanagement zu etablieren. Dieses umfasst die Identifikation potenzieller Risiken, deren Bewertung sowie die Entwicklung von Strategien zur Vermeidung oder Minderung dieser Risiken. Durch proaktives Risikomanagement können frühzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, um negative Auswirkungen auf den Projektverlauf zu minimieren. Es hilft dabei, Unsicherheiten zu kontrollieren und das Projekt auch bei unerwarteten Ereignissen auf Kurs zu halten. Ohne eine solche Vorsorge besteht die Gefahr, dass unvorhergesehene Probleme den Erfolg des Projekts gefährden oder sogar zum Scheitern führen.
Ein zu klein bemessenes Budget
Das Budget bildet die zentrale Grundlage für den Erfolg eines Projekts. Es ist entscheidend, dass bei der Budgetplanung keine Fehler gemacht werden, da ungenaue oder zu optimistische Schätzungen schwerwiegende Folgen haben können. Alle anfallenden Kosten und Aufwände müssen professionell ermittelt und so genau wie möglich kalkuliert werden. Dabei ist es wichtig, alle Posten sorgfältig zu durchdenken, um versteckte oder unerwartete Ausgaben frühzeitig zu identifizieren. Ein häufiges Problem sind beispielsweise unterschätzte Kosten für Rechte, Lizenzen oder Genehmigungen, die im Verlauf des Projekts erheblichen finanziellen Mehraufwand verursachen können. Auch Preissteigerungen bei materialintensiven Projekten können schnell zu erheblichen Problemen führen.
Wenn das Budget nicht realistisch geplant ist, besteht die Gefahr, dass das Projekt während der Umsetzung an finanziellen Grenzen stößt oder sogar scheitert. Eine präzise Budgetierung erfordert daher eine gründliche Analyse aller potenziellen Kosten sowie Puffer für unvorhergesehene Ausgaben. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Projekt innerhalb der finanziellen Rahmenbedingungen bleibt und erfolgreich abgeschlossen werden kann. Unterschätzte Budgets sind eine der häufigsten Ursachen für Projektmisserfolge und sollten daher stets mit größter Sorgfalt erstellt werden.
Survival-Tipps
- Eigne Dir aktiv Wissen und Fachkenntnisse am, um die Erwartungen des Auftraggebers realistisch einschätzen zu können.
- Prüfe bei der Zieldefinition, ob die gesetzten Vorgaben machbar sind und lasse Dich nicht von unrealistischen Versprechungen leiten – weder vom Auftraggeber, noch von Anbietern.
- Formuliere deine Projektziele so klar und präzise wie möglich, um Missverständnisse von Anfang an zu vermeiden.
- Plane dein Projekt realistisch und berücksichtige Pufferzeiten, um flexibel auf unerwartete Probleme reagieren zu können.
- Setze auf ein systematisches Risikomanagement, um unvorhergesehene Probleme frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern.
- Stelle sicher, dass dein Budget realistisch und umfassend geplant ist, um unerwartete Kosten frühzeitig zu vermeiden.


Mario Neumann
Der Trainer und Autor schreibt seit 2021 in diesem Online-Magazin locker und pragmatisch über Projektmanagement. Für seine Arbeit wurde er schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationalen Deutschen Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle seine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.