Chaos und Ordnung
Sind wir spontan oder strukturiert?
Ordnung bedeutet Gesetzmäßigkeit und ermöglicht funktionierende Beziehungen im physischen, sozialen und geistigen Raum. Ordnung erlaubt uns, in einem System das Fehlende zu erkennen und zu ergänzen, Überflüssiges zu beseitigen, Fehlerhaftes zu korrigieren. Ordnung ist immer auch An-, Ein-und Zuordnung. In unserer Vorstellung passiert Ordnung stets im Raum und betrifft immer mehrere Dinge oder Personen. Eine Einzelheit muss erst geordnet werden, wenn sie im Raum mit anderen Dingen zusammentrifft. Wir verbinden Ordnung häufig mit räumlichen Ausdrücken:
aufräumen, wegräumen, umräumen, zurechtlegen, ausrichten, einteilen, aufgliedern, aufstellen, zusammenstellen, auf die Reihe bringen etc.
Ordnung gewährleistet Sicherheit, ermöglicht uns, Sinn zu finden, sie hilft uns bei unseren Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten wahrzunehmen.
Das Chaos der Welt
In Krisenzeiten haben Menschen häufig das Gefühl, in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, im Chaos zu versinken. Sie finden nur noch Stückwerk, aber kein Ganzes mehr. All das hat auch Einfluss auf ihr Denken, das sich nicht mehr sammeln kann, weil es den Überblick verloren hat. Innehalten schafft Struktur im Denken und im Leben.
In Zeiten perfekter Systeme und manischer Selbstoptimierung ist Zeitmanagement angesagt und Unordnung ein No-Go. Natürlich sollte es im Leben nicht so durcheinandergehen wie bei „Hempels unterm Sofa“. Aber ein gewisses kreatives Chaos kann ein notwendiger und gleichzeitig spannender Gegenpol zur heute vorherrschenden sterilen Ordnung sein.
Ordnung am Arbeitsplatz
Die meisten Menschen ärgern sich über ihre mangelnde Ordentlichkeit. Denn Ordnung zu halten, so dass alles an seinem Platz ist, hat Vorteile:
- mehr Klarheit und Überblick
- der Kopf ist frei für Gedanken und Entscheidungen
- Raum für neue Dinge und neue Vorgänge
- schnelleres Auffinden von gesuchten Dingen
- die Arbeit wird vereinfacht, der Alltag wird erleichtert
- Ordnung fördert die Selbstachtung und das Selbstbewusstsein
Rangordnung
Wenn von „Ordnung“ gesprochen wird, bezieht sich das oft auch auf die Rangordnung der Menschen. Es gibt eine Skala, auf der jemand seinen Platz entweder weiter vorne oder weiter hinten hat. Rangfolgen und Skalierungen, Plätze und Positionen stellen die Ebenbürtigkeit nicht in Frage, sie strukturieren das soziale System und stellen damit die Flussrichtung für Energie, Emotion, Information, Motivation und Tradition klar. Dies ist unverzichtbar für die Entwicklung des Systems, für die Vermeidung von Konflikten und das Wachstum des Einzelnen.
Ordnung in der Familie
Die Tatsache, dass ein Kind in das Familiensystem hineingeboren wird, dass es also das Leben von seinen Eltern bekommen hat, weist ihm zugleich auch seinen Platz innerhalb des Systems zu: Das Kind ist unverrückbar Kind seiner Eltern, und die Eltern sind unumstößlich die Eltern dieses Kindes. Das heißt, es etabliert sich ein Beziehungsgefüge, das darüber befindet, wer innerhalb des Systems welchen Rang einnimmt.
Entsprechend gilt diese Platzierung für die Reihe der Geschwister. Der Erstgeborene wird sein Leben lang der Erstgeborene sein und bleiben, wie dies analog für den zweiten und alle weiteren Nachfolger gilt.
An diesem Ordnungsgefüge der innerfamiliären Beziehungen, also an die zeitliche Platzierung, die sich über die Zugehörigkeitsdauer definiert, knüpfen sich wichtige Interaktionsbedingungen, die beachtet werden müssen, wenn das System reibungslos funktionieren soll.
Rangordnung im Geschäftsleben
In Betrieben und Unternehmen gilt intern in erster Linie der Dienstrang. Das Dienstalter hat Priorität vor dem Lebensalter.
Wer kommt vor wem?
- Der Eigentümer kommt vor dem Geschäftsführer
- Der Geschäftsführer vor dem Abteilungsleiter
- Der Abteilungsleiter vor dem Mitarbeiter
- Der Mitarbeiter vor dem Auszubildenden
- Der Kunde vor dem Kollegen
- Der Gast vor dem Gastgeber
- Wissenschaft vor Wirtschaft
- Bei Gleichrangigen kommt Alter vor Jugend und (noch) Dame vor Herr
Rangordnung im Unternehmen
In vielen Unternehmen stehen die Rangordnungen in einer militärischen Tradition. Es gibt feingliedrige Hierarchien und Instanzen, über die – Befehle von oben nach unten – Informationen von unten nach oben weitergereicht werden. Dabei geht es natürlich auch um Macht und die Zeichen der Macht. Je größer und monolithischer das Unternehmen, desto größer ist die Tendenz, die Ränge der Führungskräfte und Mitarbeiter über Ausstattungen mit symbolischer Bedeutung klarzustellen.
So haben Konzerne häufig genau geregelt, ab welchem Rang die Mitarbeiter welchen Dienstwagen fahren, ob sie Anspruch auf ein Büro mit einem oder zwei Fenstern haben und ab wann der Drehstuhl eine Kopfstütze und verstellbare Armlehnen haben muss.
Die Spontanen und die Strukturierten
Ordnung und Struktur geben uns im Leben Sicherheit, erhöhen unsere Produktivität und schöpferische Leistung. Man kann uns hinsichtlich des Arbeitsstils grob in die Spontanen und die Strukturierten einteilen. Das ist ein bisschen Schwarz-weiß-Malerei. Auch Strukturierte sind spontan und Spontane manchmal strukturiert – je nach Aufgabe, und Situation. Aber das eine oder das andere überwiegt meistens.
Als Hilfestellung zur Selbsteinschätzung kannst du anhand der nachfolgenden Aussagen feststellen, ob du eher der spontane oder der strukturierte Typ bist.
Der spontane Typ:
- Die Spontanen sind meist zufrieden mit ihrer sprunghaften Arbeitsweise, sie gibt auch Raum für Kreativität.
- Sie sind meistens mit Aufgaben beschäftigt, die ihnen Spaß machen.
- Sie schieben die ungeliebten oder unangenehmen Arbeiten vor sich her und behalten dadurch gute Laune.
- Sie erledigen ungeliebte Aufgaben in letzter Minute, öfters auch mit Nachtschichten oder zulasten von Urlaub.
- Sie laufen unter Zeitdruck zu Höchstform auf.
- Sie können mit dem Terminstress so gut umgehen, dass sie arbeitsfähig bleiben.
- Sie können damit leben, dass das Endergebnis nicht perfekt ist.
Der strukturierte Typ:
- Die Strukturierten sind zufrieden mit ihrer planvollen Arbeitsweise.
- Die Struktur gibt ihnen die Sicherheit, die dringendsten Dinge im Blick zu haben und sie rechtzeitig zu erledigen.
- Sie sind meistens mit notwendigen Aufgaben beschäftigt. Der Spaß kommt nicht unbedingt aus der Aufgabe selbst, sondern aus der Gewissheit, das Notwendige zu tun.
- Sie versuchen, auch ungeliebte Aufgaben rechtzeitig anzupacken.
- Sie arbeiten am besten ohne Zeitdruck.
- Sie sind bei Terminstress eher blockiert und wenig effizient.
- Wirklich zufrieden sind sie mit der Arbeit nur, wenn sie in ihren eigenen Augen perfekt ist.
So weit, so gut. Du hast dich einer Gruppe zugeordnet. Alles prima! Die Realität zeigt aber, dass beide Gruppen bei der heutigen Arbeitsverdichtung mit der Fülle der Aufgaben kaum mehr zurechtkommen. Am besten ist eine Struktur, die für Spontanität eine Lücke lässt.
Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.