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Das eigene Team auf dem Prüfstand

Von am 10.06.2024

Damit ein Projekt erfolgreich ist, müssen die Projektmitarbeiter gut zusammenarbeiten. Projektleiter sollten sich deshalb das Team, das man ihnen vorschlägt, genau ansehen: Was sind das für Leute, mit denen ich arbeiten soll? Welche Kompetenzen bringen sie in das Team ein? Wo liegen ihre Stärken, wo ihre Schwächen?

Marco M. wirft einen Blick auf die Liste mit den Namen seiner Mitstreiter in dem bevorstehenden Kundenprojekt. Dabei fällt ihm auf, dass sein Team aus einigen Topleuten und ansonsten aus offensichtlichen „Mitläufern“ besteht. Sein Chef hatte ihm einige Platzhirsche zugeteilt, während er den Rest des Teams oft ziemlich versauern ließ. Die Zweiteilung bestätigt sich schon nach wenigen Tagen und erweist sich in der Folge als sehr konfliktträchtig. Der wöchentliche Jour-fix wird regelmäßig zum Schauplatz von Scharmützeln zwischen den Protagonisten.

Ein Projektteam ist in der Regel eine Zwangsgemeinschaft. Die Mitglieder arbeiten nicht freiwillig zusammen, sondern weil sie gemeinsam eine bestimmte Aufgabe lösen sollen. Fühlt sich ein Mitarbeiter hier unwohl, kann er nicht ausbrechen. Demotivation, Frust und Konflikte sind die Folge. Manchmal genügt eine Meinungsverschiedenheit zwischen zwei Dickköpfen, um einen endlosen Streit auszulösen. Die übrigen Teammitglieder ducken sich weg, um nicht zwischen die Fronten zu geraten. So kommt die Projektarbeit schnell zum Erliegen.

Eine problematische Teamzusammensetzung gärt als Konflikt vor sich hin. Selbst wenn man den Mitarbeitern inhaltlich wenig vorwerfen kann, so belastet doch deren Verhalten die Zusammenarbeit im Team. Die Konflikte schaukeln sich früher oder später hoch und verschlechtern das Klima im Projekt.

Ganz gleich, ob Du als Projektleiter die Teamauswahl beeinflussen kannst oder nicht: In jedem Fall lohnt es sich, mit jedem künftigen Projektmitarbeiter ein Vorstellungsgespräch zu führen. Auf diese Weise erhältst Du einen persönlichen Eindruck vom Auftreten und von den Kompetenzen der einzelnen Teammitglieder.

Systematische Beurteilungen statt Bauchgefühl

Wenn Menschen aufeinandertreffen, findet immer auch eine Beurteilung statt. Dieser Beurteilungsvorgang wird unbewusst gesteuert, er läuft quasi automatisch ab. Häufig gründet die Meinung vom anderen auf diesem ersten Eindruck. Sympathie, Antipathie, Vorurteile, Sprache, Gestik und Mimik spielen in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. Leider führen solche Gefühlsentscheidungen nicht selten zu Fehlbeurteilungen, gerade auch im Arbeitsalltag eines Projektleiters.

Systematische Beurteilungsmethoden können dabei helfen, Leistung und Verhalten eines Mitarbeiters möglichst gerecht zu beurteilen und damit solche Fehlurteile zu vermeiden. Prinzipiell unterscheiden diese Methoden zwischen zwei Hauptbeurteilungskriterien: sozialen Kompetenzen (Verhalten) und fachlichen Kompetenzen (Leistung). Im einzelnen verbergen sich dahinter wichtige Beurteilungskriterien wie Vertrauen, Zusammenarbeit und Auftreten bei den sozialen Kompetenzen und Fachkompetenz, Arbeitseinsatz und Arbeitsqualität auf Seiten der fachlichen Kompetenzen.

Foto: Luke Chesser auf Unsplash

Wie kommst Du zu einer fairen Beurteilung der einzelnen Kriterien? Wichtig sind natürlich schon die Eindrücke, die Du bei Deinen Gesprächen in den ersten Tagen gewonnen hast. Möglicherweise musst Du jetzt noch einige weitere Gespräche führen. Beobachte auch, wie sich der Mitarbeiter gegenüber anderen Teammitgliedern verhält und wie er sich fachlich schlägt.

Unterschätztes Risiko: Die falschen Leute im Team

Das Beispiel von Marco M. ist bezeichnend. Viele Projektleiter, die in ein größeres Projekt starten, zögern es hinaus oder verzichten ganz darauf, ihr Projektteam richtig aufzustellen. Die einen glauben, dass unter ihrer Führung schon alles laufen wird – und überschätzen dabei ihre Fähigkeiten und ihre Einflussmöglichkeiten auf schwierige Charaktere. Andere hingegen schrecken einfach nur vor unangenehmen Personalentscheidungen zurück und denken, die Zeit wird’s schon richten.

Vermeide diese Falle und unterschätze nicht das Risiko, mit den falschen Leuten im Team auf die Reise zu gehen. Führe stattdessen gleich in den ersten Wochen die notwendigen „Umbauarbeiten“ an Deinem Team durch. Wenn Du zu lange damit wartest, sind die Mitarbeiter zu Deinem Team geworden und es wird immer schwieriger, die Notwendigkeit personeller Veränderungen zu rechtfertigen.

Auch das gegenteilige Verhalten kommt vor, mit ähnlich fatalen Folgen. Es gibt Projektleiter, die schnell, oft zu schnell mit eisernem Besen kehren. Sie lehnen Mitarbeiter ab, die ihnen nicht „in den Kram passen“. Das Problem dabei: Solange noch keine Klarheit über Ziele, Pläne, Strukturen und Arbeitsabläufe besteht, solltest Du noch keine personellen Veränderungen vornehmen. Auch der Kapitän eines Schiffs kann seine Crew nicht zusammenstellen, solange er nicht weiß, wohin die Reise gehen soll.

Achtung: Der Schein trügt manchmal

Es sicher richtig, das Team und das Verhalten der einzelnen Mitarbeiter zu beobachten, gleichzeitig solltest Du aber auch gewarnt sein: Selbst erfahrene Projektleiter sind bei solchen Leistungsbewertungen nicht vor Fehlern gefeit. Jeder Mensch ist schon einmal mit Vorurteilen angetreten, die er dann korrigieren musste, denn Menschen stellen sich oft anders dar, wenn man erst einmal näher mit ihnen zusammenarbeitet.

Bleibt also festzuhalten: Ohne dass Du es willst, fließen persönliche Affinitäten und subjektive Kriterien mit in die Beurteilung ein. Es entstehen Einschätzungen, die auf einer falschen Wahrnehmung oder einer unwissentlichen Beeinflussung des Urteilsvermögens beruhen. Wer andere beurteilt, sollte daher seine eigenen Einschätzungen kritisch hinterfragen. Dazu ist es erforderlich, zumindest die wichtigsten Fehlerquellen zu kennen und sich immer wieder bewusst zu machen.

Survival-Tipps

  • Achte darauf, dass Du bestimmte Kriterien nicht überbewertest, insbesondere wenn ein Mitarbeiter in einer Eigenschaft alle anderen überstrahlt. Das macht schnell blind für die anderen Beurteilungskriterien.
  • Lass‘ Dich nicht von den Leistungen der jüngsten Vergangenheit beeindrucken. Zur Beurteilung solltest Du auch weiter zurückliegende Leistungen heranziehen.
  • Beurteile nicht vorwiegend Leistungen, wegen derer ein Mitarbeiter ins Projekt geholt wurde. Achte auch darauf, welche zusätzlichen Leistungen der Mitarbeiter erbringt.
  • Unterschätze nicht die Leistungen eines Mitarbeiters, wenn er lange an derselben Aufgabe arbeitet – so etwas führt schleichend zu einer schlechteren Beurteilung.
  • Lass‘ Dich nicht von Lorbeeren längst vergangener Leistungen eines Mitarbeiters blenden. Angesichts der historischen Verdienste übersieht man geflissentlich schlechtere Leistungen im aktuellen Projekt.
  • Achte darauf, dass Du Mitarbeiter in einer wichtigen oder höherwertigen Position nicht besser beurteilst als Mitarbeiter in unwichtigeren oder niedrigeren Positionen.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.