Change

Mit Fingerspitzengefühl managen

Von am 07.10.2024

Wenn ein Projekt in bestehende Strukturen eingreift und die Abläufe verändert, müssen die betroffenen Führungskräfte und Mitarbeiter gewohnte Denk- und Verhaltensmuster aufgeben. Das führt zu Unsicherheiten und Widerständen, an denen selbst vermeintlich einfache Projekte wie die Einführung einer neuen Software scheitern können. Für den Projektleiter heißt das, den Change-Prozess mit Fingerspitzengefühl zu managen, um so die Akzeptanz der Betroffenen zu gewinnen.

Joachim K. leitet seit drei Monaten ein Projekt, in das die Geschäftsführung hohe Erwartungen setzt: Die Kundenpflege soll durch ein modernes Customer Relationship Management (CRM) geradezu revolutioniert werden. Das Projekt verlief bislang ohne größere Probleme, Joachim K. kam mit seinem Team nach Plan voran. Sicher, ihm war schon länger zu Ohren gekommen, dass das geplante CRM-System im Kollegenkreis auch kritisch diskutiert wird. Die Projektarbeit hat das aber bislang nicht behindert.

In letzter Zeit mehren sich jedoch die Stimmen, die das CRM-System offen ablehnen. Je näher der Einführungstermin rückt, desto mehr Widerstand regt sich. Langsam, möglicherweise schon zu spät wird Joachim K. klar, dass er die Bedenken ernst nehmen muss. Die planmäßige Einführung des neuen Systems erscheint plötzlich ernsthaft gefährdet.

Der Fall ist bezeichnend für eine Gefahr, die immer wieder unterschätzt wird: Erst wird ein Projekt mit Euphorie gestartet. Der Geschäftsführer freut sich zum Beispiel auf ein tolles neues CRM-System – möchte aber nicht wahrhaben, wie sehr das Vorhaben in gewohnte Arbeitsabläufe eingreift und damit den Widerstand der Betroffenen provoziert. Die angekündigten Veränderungen verunsichern die Mitarbeiter und Führungskräfte: „Wie wirkt sich das auf meine Arbeit, womöglich meinen Arbeitsplatz aus?“ Die Unsicherheit schürt Ängste, die sich schließlich im Widerstand gegen das Projekt entladen.

Bei größeren Veränderungen ist immer mit Widerständen zu rechnen. Nimm die Sorgen und Ängste der Betroffenen ernst. Als Projektleiter solltest Du frühzeitig auf sie zugehen, um die notwendige Akzeptanz für das Projekt zu erreichen.

Der Fisch stinkt vom Kopf her

Häufig verhält sich das Management wie folgt: Es fasst eine wegweisende Entscheidung, ruft eine Projektgruppe ins Leben, benennt einen Projektleiter, der den Beschluss realisieren soll – und wendet sich neuen Aufgaben zu.

Eigentlich sollte klar sein, dass mit dieser Vorgehensweise ein Change-Projekt kaum gelingen kann. In Veränderungssituationen orientieren sich Führungskräfte und Mitarbeiter am Verhalten ihrer obersten Chefs. Sie werden das Projekt nur unterstützen und umsetzen, wenn sie merken: Die Sache ist ernst gemeint! Das setzt voraus, dass die Geschäftsleitung für alle spürbar hinter dem Projekt steht und immer wieder signalisiert, dass die Veränderung notwendig und unumgänglich ist.

Quelle: "Projekt-Kompass"

Mit Maßnahmen frühzeitig gegensteuern

Soll der Aufwand für das Change Management im Rahmen bleiben, empfiehlt es sich, möglichen Ängsten und Widerständen frühzeitig zu begegnen. Das bedeutet vor allem: Schaffe Transparenz! Erkläre allen Betroffenen, welche Ziele das Projekt hat und welche Veränderungen es bringen wird.

Nur so kannst Du den unvermeidlichen „Flurfunk“ rechtzeitig eindämmen. Denn kommt die Gerüchteküche erst einmal ins Brodeln, wird es schwierig: Da werden dann dramatische Veränderungen an die Wand gemalt und für betroffene Mitarbeiter schlimme persönliche Auswirkungen prophezeit – auch wenn fast alles aus der Luft gegriffen ist und so gar nicht stimmt. Ist jedoch ein solches Gerücht erst einmal im Umlauf, lässt es sich kaum mehr einfangen. Widerstände gegen das Projekt sind dann unvermeidlich.

Offen über die Auswirkungen sprechen

Auch wenn Du frühzeitig gegensteuerst, lassen sich nicht alle Befürchtungen zerstreuen. Einige Mitarbeiter werden das Change-Projekt weiterhin ablehnen, weil sie für sich negative Konsequenzen erwarten. In dieser Situation begehen die verantwortlichen Führungskräfte, aber auch Projektleiter häufig einen gravierenden Fehler: Sie malen das Projekt in rosaroten Farben und geben vor, die Veränderung hätte nur Gewinner.

Welcher Mitarbeiter ist so naiv, das zu glauben? Natürlich wird es Betroffene geben, die sich zurecht als Verlierer fühlen – zum Beispiel weil sie durch die Veränderung an Macht und Einfluss verlieren. Die Regel an dieser Stelle lautet daher: Spreche mit den Mitarbeitern offen und ehrlich über die Auswirkungen des Projekts – und gib ihnen den Raum, ihre Bedenken zur Sprache zu bringen.

Der lange Marsch durchs Tal der Tränen

Veränderungsprojekte sind häufig von anfänglicher Euphorie begleitet. Die Geschäftsleitung lässt sich von einer neuen Idee blenden, hegt hohe Erwartungen – und übersieht oder möchte nicht wahrhaben, dass dem verheißungsvollen Aufbruch meistens ein langer Marsch durch das „Tal der Tränen“ folgt. Die Stimmung schlägt nach einiger Zeit um, die Euphorie weicht einer Phase des Jammerns und Haderns: „Das bringt alles nichts“, klagen die Betroffenen, „da ändert sich ja sowieso nichts.“

Die depressive, von Frustration geprägte Phase ist bei größeren Veränderungen völlig normal, denn der Veränderungsprozess schreitet nur in kleinen Schritten voran und die Erfolge sind zunächst noch kaum spürbar. In dieser Phase ist es Aufgabe des Managements und des Projektleiters, besonders intensiv für die Veränderung werben. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Veränderungsenergie erlahmt und die Mitarbeiter in ihre alten Verhaltensmuster zurückfallen.

Neue Arbeitsabläufe brauchen Zeit

Als kritisch erweist sich oft die Schlussphase, wenn die neuen Arbeitsabläufe in Kraft treten. „Vorher ging alles schneller und einfacher!“ heißt es dann oft. Der Effekt lässt sich einfach erklären: Die Mitarbeiter folgen jetzt den neuen Arbeitsvorschriften, haben aber noch keine neuen Denk- und Verhaltensroutinen entwickelt. So gehen ihnen die Tätigkeiten noch recht schwer von der Hand – was natürlich frustriert. Zudem benötigen größere Veränderungen eine gewisse Übergangszeit, bis sich die neuen Abläufe eingespielt haben.

Man sollte sich daher klar machen: Gerade in dieser Schlussphase benötigen die Mitarbeiter Unterstützung, um mit der Veränderung zurecht zu kommen. Hier sind die Vorgesetzten, aber auch Du als Projektleiter mit Deinem Team gefordert.

Survival-Tipps

  • Nenne das Kind beim Namen. Weise darauf hin, wenn durch Dein Projekt neue Denk- und Verhaltensweisen von den Mitarbeitern erwartet werden.
  • Prüfe, inwieweit sich durch die bevorstehende Veränderung die Arbeitsinhalte, Arbeitsabläufe und Arbeitsbeziehungen der Mitarbeiter verändern.
  • Gib den Betroffenen genügend Zeit, um sich mit den Veränderungen vertraut zu machen. Das Aneignen neuer Fähigkeiten und Verhaltensweisen braucht (viel) Zeit.
  • Sorge dafür, dass die Führungsriege als Vorbild vorangeht und aktiv für die Veränderung wirbt. Unterstütze die Führungskräfte in der Kommunikation.
  • Halte die Führungskräfte in persönlichen Gesprächen auf dem Laufenden. Nur so sind diese in der Lage, ihren Mitarbeitern immer wieder Rede und Antwort zu stehen.
  • Denke daran: Gerade in der Übergangsphase, wenn die neuen Abläufe in Kraft treten, benötigen die Mitarbeiter Unterstützung seitens ihrer Führungskräfte, aber auch aus dem Projektteam.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.