Well Team Times Nr. 295

Künstliche versus Emotionale Intelligenz

Von am 12.06.2025

Künstliche versus Emotionale Intelligenz

Der Inhalt des Intelligenzbegriffes ist nicht eindeutig und nicht einheitlich festgelegt. Bislang definierte man:

Intelligenz ist die Fähigkeit, sich an neue Situationen anzupassen und zur Bewältigung von Problemen die sogenannten Ich-Funktionen einzusetzen. Das Ich nimmt wahr, fühlt, denkt, erinnert, lernt, versteht, schaut voraus und plant.
(lat.) intellegere = einsetzen, verstehen

Emotionale Intelligenz ist die Fähigkeit, Emotionen bei sich selbst und anderen zu erkennen, zu verstehen, zu kommunizieren und zu managen.

Künstliche Intelligenz ist die Simulation menschlicher Intelligenz durch Computersysteme.

Was fehlt der KI, um Gefühle zu entwickeln?

KI verfügt nicht über echte emotionale Intelligenz, da es ihr an Bewusstsein, Empathie und subjektiver Erfahrung mangelt. KI kann in Daten gekleidete emotionale Zustände erkennen und darauf reagieren, tut dies jedoch ohne echtes Verständnis oder persönliche Beziehungen.

KI ist künstlich, aber in gewisser Weise auch auf dem Gebiet der Emotionen intelligent. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts, das verschiedene KI-Modelle verglich. Demnach kann KI sekundenschnell Gefühle vorhersagen.

Gefühl und Emotion

Die Begriffe können wir fast synonym verwenden. Jedoch gibt es in der Bedeutung unterschiedliche Akzente. Ein Gefühl, wie z.B. Trauer, Wut, Angst, Freude, ist ein innerpsychisches hänomen. Erst wenn das Gefühl sich äußert, sich im Körper zeigt oder das Verhalten prägt, haben wir eine Emotion (lat.: emovere = hinausbringen; emotus = hinausgebracht):
Wir weinen, weil wir traurig sind; wir schlagen, weil wir wütend sind; wir zittern, weil wir Angst haben; wir hüpfen, weil wir uns freuen. Emotionen sind „sprechende Gefühle“. Sie sind Wegweiser hin zu unseren Bedürfnissen.

Die KI simuliert Emotionen. Ihr fehlt es allein schon an der Körperlichkeit, die alle Gefühle hervorbringt. Ob KI irgendwann ein Bewusstsein entwickeln kann, das Emotionen erleben und teilen kann, ist umstritten.

Emotionale Intelligenz

Der US-amerikanische Psychologe Daniel Goleman, der mit seinem Buch „Emotionale Intelligenz“ einen Weltbestseller landete, bezeichnet den Intelligenz-Quotienten als „Schwellenkompetenz“, die man lediglich als Eintrittskarte in den Club der Wichtigen brauche. Dort komme es letztlich auf die Emotionale Intelligenz an. Unter diesem Begriff versteht er die ausgewogene Wechselbeziehung von Emotion und Intellekt, das sich ergänzende Zusammenwirken von Gefühl und Verstand. Emotionale Intelligenz ist eine übergeordnete Fähigkeit in dem Sinne, dass sie bestimmt, wie gut wir unsere anderen Begabungen überhaupt nutzen können. Zum Beispiel werden Menschen mit hoher akademischer Intelligenz von ihrem Talent keinen Gewinn haben und in ihrer Karriere scheitern, wenn es ihnen an Empathie oder Beziehungsfähigkeit mangelt. Denn dies sind wichtige Komponenten emotionaler Intelligenz. Wissenschaftlich ausgedrückt bedeutet dies, dass unsere emotionalen Zentren im Gehirn so lange die höheren intellektuellen Zentren blockieren, bis wir in der Lage sind, störende motionen zu meistern.
Emotionale Intelligenz hat auf alle anderen großen Einfluss, insbesondere auf die sozialen Fähigkeiten:

  • die eigenen Emotionen wahrnehmen
  • die eigenen Emotionen handhaben
  • Emotionen in die Tat umsetzen
  • über Empathie verfügen
  • mit Beziehungen gut umgehen

Foto: Matjaz Slanic auf istockphoto

Intelligent in jedem Alter

Emotionale Intelligenz kann in jedem Alter gesteigert werden, vorausgesetzt man ist dazu motiviert. Sie verbessert sich oft, wenn wir älter werden, weil wir automatisch lernen, mit uns selbst und anderen umzugehen. Haben wir gewisse Schlüsselfertigkeiten der emotionalen Intelligenz nicht erwerben können, kann dennoch ein neuer Umgang mit den Mitmenschen erlernt werden. Man muss es allerdings selber wirklich wollen – es erfordert Anstrengung und Übung.

Soziale Intelligenz

Die soziale Intelligenz ist ein Aspekt der emotionalen Intelligenz: die Fähigkeit, andere zu verstehen und in menschlichen Beziehungen klug zu handeln. Es gibt allerdings auch eine zynische Auffassung von sozialer Intelligenz: die Fähigkeit, andere zu manipulieren – sie dahin zu bringen, das zu tun, was man will, gleichgültig, ob sie es selber wünschen. (Vgl. Goleman 1996, 64)

Multiple Intelligenz

Der US-amerikanische Psychologe Howard Gardner postuliert, dass jeder Mensch mehrere „Intelligenzen“ entwickeln könne, die von Tests gar nicht erfasst werden können. Gardner kommt auf insgesamt sieben Intelligenzen:

  • sprachliche Intelligenz
  • musikalische Intelligenz
  • logisch-mathematische Intelligenz
  • räumliche Intelligenz
  • körperlich-kinästhetische Intelligenz
  • interpersonale Intelligenz (hilft, andere Menschen zu verstehen)
  • intrapersonale Intelligenz (hilft beim Umgang mit den eigenen Fähigkeiten, Wünschen und Ängsten)

Gardner definiert Intelligenz als ein „biopsychologisches Potenzial zur Verarbeitung von Informationen, das in einem kulturellen Umfeld aktiviert werden kann, um Probleme zu lösen oder geistige oder materielle Güter zu schaffen, die in einer Kultur hohe Wertschätzung genießen“.

Intelligenz und Spontanität

Intelligenz ist die Fähigkeit, in jeder Lebenssituation spontan und unbeschwert zu agieren, ohne vorgefasstes Programm. Menschen, die nicht ganz so intelligent sind, brauchen ein Programm. Sie müssen fürchten, dass sie nicht genügend Intelligenz haben, dem Leben, so wie es ist, gegenüberzutreten. Sie müssen sich vorbereiten, Proben abhalten. Sie bereiten eine Antwort vor, bevor die Frage überhaupt gestellt wurde. Und damit erweisen sie sich nicht als intelligent, denn die Frage bleibt nie die gleiche. Das Leben stellt die Fragen immer neu. Jeder Tag bringt seine Probleme und stellt seine eigenen Anforderungen. Und jeder Moment erhebt seine eigene Frage. Wenn wir vorgefertigte Antworten im Kopf haben, sind wir gar nicht in der Lage, die aktuelle Frage richtig zu verstehen. Wir sind dann so voll von unserer Antwort, dass wir nicht fähig sind, richtig hinzuhören – und alles, was wir tun, entspricht unserer vorgefertigten Antwort, die irrelevant ist, die mit der Realität, so wie sie ist, nichts zu tun hat.

Intelligent sein heißt

dem Leben immer neu ins Auge zu sehen, der Realität spontan zu begegnen. Wenn es auch klug und manchmal unerlässlich ist, sich auf bevorstehende Situationen vorzubereiten, die Intelligenz erweist sich immer erst in dem Moment, wo alles anders kommt, als man denkt.

Kollektive Intelligenz

Unter kollektiver Intelligenz verstehen wir den bewussten Umgang einer Gruppe oder eines Teams mit dem geistig-emotionalen Resonanzfeld, in dem die Individuen zusammen wirken.
Die mit dem Begriff bezeichneten Potenziale können durch Einsatz etwa von team-dynamischen Moderationsmethoden zu einer Problemlösungsund Gestaltungskompetenz entwickelt
werden.
Kollektive Intelligenz entsteht in einem dynamischen Prozess. Die Gruppe erlangt Fähigkeiten, die die einfache Addition der Fähigkeiten und Eigenschaften aller beteiligten Individuen weit übersteigen und zu denen die Gruppe nur gemeinsam Zugang hat. Geeignete Methoden und Interaktionsformen lösen das individuelle Bewusstsein von persönlichen Interessen und Geltungsbedürfnissen und fördern eine wertschätzende mehrperspektivische Wahrnehmung, die über das Alltagsbewusstsein hinausgeht.

Insbesondere in dynamischen Veränderungsprozessen, die in produktiven sozialen Systemen laufen, spielt es eine entscheidende Rolle, in welchem Maße Zugang zu kollektiver Intelligenz
geschaffen werden kann.

Welche Faktoren fördern kollektive Intelligenz?

  • Einander mit ungeteilter Aufmerksamkeit zuhören
  • andere Meinungen und Ansichten gelten lassen
  • Intuition und gedankliche Assoziation zulassen
  • Gefühle und Gedankengänge wahrnehmen
  • Bedenken, Zweifeln und Ängsten Raum geben
  • Stille zulassen

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.