Konkurrenz und Kooperation im Team
Konkurrenz und Kooperation im Team
Zwischen Konkurrenz und Kooperation herrscht ein Antagonismus. Der Zwiespalt im Verhalten bewegt uns Menschen stark und ständig:
- Konkurriere ich, so sehe ich meine Ähnlichkeit zu den anderen, aber ich möchte besser („schneller, höher, weiter“) sein. Mein Ziel ist das Gewinnen, der bessere Platz, die Beförderung, die freie Auswahl. Welche Position habe ich? Wie kann ich sie verbessern? Wer steigt auf, wer steigt ab, wer bleibt zurück?
- Kooperiere ich, so sehe ich meine Unterschiedlichkeit zu den anderen. Ich habe spezielle Eigenschaften. Wie viel sind sie wert? Ich möchte damit die Lücken füllen, die anderen ergänzen, gebraucht werden. Ich möchte gefragt, begehrt sein.
Konkurrieren oder kooperieren?
Füge ich mich ein oder stelle ich mich entgegen? Oft steuert mich ein Reflex. Um mein Verhalten aber im eigenen und im Interesse aller abzustimmen, bedarf es einer Orientierung, einer Ordnung, die auf eindeutigen Kriterien beruht und in die ich eingeordnet bin. Auf welchen Platz gehöre ich? Mit wem konkurriere ich, wen kann ich ergänzen? Wo konkurriere und wo kooperiere ich? Beides kann für meine Entwicklung und mein Ansehen im Team richtig sein. Je genauer wir uns selbst und die anderen kennen, desto besser wissen wir, wo und wie wir einander ergänzen können.
Konkurrenz: Es geht um den eigenen Rang: Ich zeige was ich kann. Ich bin hoffentlich der Gewinner.
Kooperation: Es geht um das gemeinsame Ergebnis: Ich gebe, was ich kann und was gebraucht wird. Ich bin hoffentlich ein unverzichtbarer Partner.
Die Grunddynamiken sind in allen sozialen Systemen die gleichen, ob es ein Paar, eine Familie, eine Firma, ein Verein, eine Partei, ein Arbeits-, Ärzte-oder Trainingsteam ist.
Konkurrenz unter Männern
Der Affenforscher Frans de Waal prägte den Begriff „Alpha-Männchen“ für jene dominanten Exemplare einer tierischen Gemeinschaft, die mit viel Imponiergehabe auftreten und sich an die Spitze der Rangordnung kämpfen. Was für Gorillas gilt, lässt sich nach einer Studie auch bei Menschen, etwa bei Chirurgen beobachten. Je höher der Männeranteil im Operationssaal, desto mehr Konkurrenz gibt es.
So spielen sich in überwiegend männlichen Teams deutlich mehr Konflikte ab als in gemischten Teams – teilweise sogar auf Kosten der Patienten. Dabei drehen sich die Auseinandersetzungen nicht etwa um fachliche Belange. Die meisten Rangeleien lassen sich auf zwei Belange zurückführen: Status und Sexualität. Anschreien, Bloßstellen oder Ignorieren sind der Studie zufolge die beliebtesten Kampfstrategien im OP-Saal. Hundert Prozent Männer im Team heißt minimale Zusammenarbeit, heißt maximale Konfrontation. Arbeiten dieselben Chirurgen mit Kolleginnen zusammen, dann zeigen sie sich deutlich freundlicher. Sie loben, erklären Sachverhalte und bedanken sich öfter. Das klingt nach einem Klischee, ist aber belegt mit empirisch erhobenen Daten. Lassen sich diese Daten auch auf andere Teams übertragen? Etwa auf Politiker, Aufsichtsräte? Ist darum eine Frauenquote angebracht? In manchen Ministerien und Aufsichtsräten sind hundert Prozent der Positionen männlich besetzt. (Vgl. Verena Müller, in: DIE ZEIT, 05.07.2018)
Und wie steht es mit der Zusammensetzung der Vorstände? Bis ein Drittel der Vorstandsposten mit Frauen besetzt ist, wird es bei derzeitigem Tempo noch bis zum Jahr 2040 dauern. Dieser Wert gilt als magische Grenze für eine Veränderung in der Teamdynamik.
(https://t3n.de/news/deutsche-unternehmen-frauen-chefetage-1093254/)
In Workshops
machen Trainer die Erfahrung, dass die Prozesse am harmonischsten und effektivsten ablaufen, wenn sich die Teilnehmergruppe
ungefähr zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen zusammensetzt.
Konkurrenz und Kooperation im Trainingsteam
In einem team-dynamischen Training entsteht zwischen den Teilnehmern sehr leicht ein Konsens. Man geht auf eine gemeinsame Welle, zeigt seine Fähigkeit zur Kooperation, man zeigt sich von der Schokoladenseite. Aber die Konkurrenz als ganz natürlicher Wesenszug von wachen, wachsenden Menschen hat es sehr schwer, sich zu zeigen und Bahn zu brechen. Es ist ein Glücksfall für den Prozess der Gruppe, wenn sich jemand wagt, seine Konkurrenzgefühle (Streit, Neid, Missgunst, Eifersucht, Wettbewerb) zu zeigen oder zu äußern. Daran können alle lernen, speziell ihre Empathie schulen und einsehen, dass jeder lernt und Ziele hat. Konkurrenz zeigt sich am ehesten, wenn zwei Teilnehmer eine ähnliche Stärke oder Reife haben und sich aneinander messen. Beide haben den (meist unbewussten) Drang, über den anderen zu dominieren.
Wenn zwei Teilnehmer konkurrieren, sollte es für beide eine Ehre sein, denn beide sind meist ganz wunderbare Menschen und wertvolle Teammitglieder. Dass sie in Wettbewerb treten, ist das Natürlichste von der Welt. Sie müssen sich näher miteinander befassen, um herauszufinden, wer wem in welcher Hinsicht das Wasser reichen kann.
Ausbildung im Judo
Vom Judo ist bekannt, das die jungen Judokas als Erstes lernen zu verlieren. Sie verbeugen sich vor dem Gewinner. Das gilt – auch ohne Verbeugung – für die Teamdynamiker. Sie lernen anzuerkennen, wenn der andere besser ist. Sie üben sogar, anerkennende Worte zu finden, denn die gehen nicht jedem leicht über die Lippen. Aber sie lernen auch, dass sie ihre speziellen Fähigkeiten entdecken, entwickeln und ins Spiel bringen müssen. Jeder kann Spitze sein, und sei es in einem ganz kleinen Spezialgebiet.
Demokratie braucht Konkurrenz und Kooperation
In der Demokratie haben es die Politiker nicht so leicht, insbesondere wenn sie engagiertes Mitglied einer Partei sind. Da gelten systemische Gesetzmäßigkeiten. Sie müssen ihre Konkurrenzgefühle, aber auch ihre Kooperationsbedürfnisse wahrnehmen und entsprechende Strategien sehr bewusst einsetzen. Innerhalb des Systems dürfen oder sollen sie sogar um ihren Platz kämpfen und für ihre Ideen streiten. Nach außen müssen sie aber geschlossen auftreten, d.h., sie müssen mit ihren Parteimitgliedern kooperieren.
Beispiel: Beim Parteitag streiten sie für ihren Antrag oder ihre Position, und in der Koalition zeigen sie sich dann kooperativ, auch gegenüber den Parteimitgliedern, mit denen sie intern gestritten haben.
Im Inneren des Systems mit den Kollegen konkurrieren und gleichzeitig im Wahlkampf des Systems mit den Kollegen kooperieren
Konkurrenz taugt also nicht als permanente Grundhaltung eines Politikers, Kooperation ist ebenso wenig ein Gebot für jede Situation. Ambivalenz ist gefragt. In der Politik müssen die Parteimitglieder ihren Modus, ihre Mentalität umschalten können. Je nachdem, ob es um eine Konkurrenz innerhalb des Systems geht oder um die Konkurrenz des Systems zu anderen Systemen, nach außen müssen sie geschlossen auftreten.
Ausweg aus der Konkurrenz
Konkurrenz ist ein natürlicher Mechanismus. Wenn er positiv wirkt, schafft er einen Anreiz für die persönliche Entwicklung. Wenn er aber negativ wirkt, bekommen wir eine umstrittene Hackordnung und verlieren uns im Intrigenspiel. Das wäre ein nutzloser Energieverschleiß, sowohl ein Verlust für das System als auch ein Verlust für die Persönlichkeit des Einzelnen. Einen Ausweg aus der Konkurrenz finden wir in der Ergänzung durch Spezialisierung.
- Wir müssen uns fragen: „Wo kann ich mich spezialisieren? Was kann ich besonders gut beisteuern? Wo bin ich besser als andere?“ Da dürfen wir Selbstbewusstsein zeigen.
- Aber auch: „Wo ist der andere besser?“ Da geben wir ihm unsere Anerkennung und lernen von ihm, indem wir zuliefern und beitragen.
Konkurrieren wir mit jemandem, können wir gewinnen oder verlieren. Der Gewinner erntet auf jeden Fall mehr Verpflichtungen. Der Verlierer erntet Freiheit. Das Beste ist die Gewinner-Gewinner-Methode, wo jeder etwas hinzugewinnt, das ihm mehr Freiheit verschafft. Nicht immer sind wir hundertprozentige Gewinner; manchmal bleibt ein Rest zu wünschen übrig. Verlieren kann auch ein Gewinn an Erkenntnis sein.
Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.