Well Team Times Nr. 262

Das Trainerteam im Trainingsteam

Von am 13.09.2022

Das Trainerteam im Trainingsteam

Das Trainingsteam ist ein kreatives soziales System, gehalten in der Form des team-dynamischen Kreises.

Das Trainerteam, bestehend aus Trainer und Co-Trainer, ist ein Subsystem des Trainingsteams. In der Angewandten Teamdynamik arbeiten die Trainer und Trainerinnen vorzugsweise zu zweit.

Zum Trainingsteam gehören alle Individuen, die im Kreis sitzen: der Trainer und der Co-Trainer, genauso wie alle Teilnehmer. Trainer und Co-Trainer sind dabei ein Zweierteam, ein kleineres, aber wichtiges System, ohne das das größere System nicht existieren würde. Denn es hat eine spezielle, unverzichtbare Funktion: die Leitung des Trainings und die Moderation der aufkommenden sozialen Dynamik. Trainer und Co-Trainer gehören also zum großen System wie auch zum Subsystem.

Die Teilnehmer und das Trainerteam sind im Kreis ebenbürtig, also ohne hierarchisches Machtgefälle. Obwohl es hier kein Oben und kein Unten gibt, so gibt es doch einen Unterschied im Status. Teilnehmer und Trainer sind aus unterschiedlichen Gründen dabei, mit ganz unterschiedlichen Funktionen.

Teilnehmer und Teilgeber

Die „Teilnehmer“ dürfen sich einen Teil nehmen – die Trainer sind „Teilgeber“, sie sind dazu da, etwas zu geben, nämlich ihre Kompetenzen einzusetzen und den Ablauf zielführend zu gestalten. Wie verhält es sich dabei mit dem Ausgleich von Geben und Nehmen? Dieser Ausgleich ist eines der obersten Prinzipien zur Erhaltung und Entwicklung eines sozialen Systems.

  • Teilnehmer sind auch Teilgeber, denn sie geben auch etwas, zum Beispiel geben sie Reaktionen und ihren Beitrag zur Entfaltung des team-dynamischen Prozesses. Sie bringen ihre Anliegen ein. Nicht zuletzt zahlen sie für die Teilnahme.
  • Trainer wie Co-Trainer dürfen auch etwas nehmen, zum Beispiel ein Honorar. Auch nehmen sie aus den Trainings Erfahrungen mit, durch die sie sich weiter qualifizieren.

Im aktuellen Geschehen eines Workshops, wo jeder mit jedem in einer sozio-emotionalen Beziehung steht, verwischt die Dynamik den Statusunterschied zwischen Trainer und Teilnehmer über lange Strecken und es kommt nur darauf an, dass jeder er selbst bleibt, also echt und authentisch ist. Aber dann: Ein offizieller oder unverhoffter Wechsel von einem Status in den anderen, von einer Funktion in die andere erfordert Achtsamkeit, Bewusstheit und ist nicht immer unproblematisch. Denn das, was man in der anderen Rolle gibt, und das, was man nimmt, bekommt plötzlich ganz neue Gewichte.

Foto: Matjaz Slanic auf istockphoto

Ein Statuswechsel vom Teilnehmer zum Trainer oder Co-Trainer ist darum etwas ganz anderes als ein Aufrücken in der Rangfolge unter den Teilnehmern. Auf dem festen Trainerplatz sitzend erlebt man den team-dynamischen Kreis doch ganz anders als auf einem der Teilnehmerplätze. Man ist auf eine ganz andere Weise involviert und engagiert.

Konsequenz: Es kann problematisch sein, jemanden spontan in einem Workshop als Trainer oder Co-Trainer zu ernennen. Jemand, der in der Absicht gekommen ist, sich etwas zu nehmen und sich dem Geschehen anzuvertrauen, soll plötzlich etwas geben, gezielt Impulse setzen und Mitverantwortung für den Ablauf übernehmen?

Das wird schwierig und irritiert den Teilnehmer, der jetzt Trainer sein soll, selbst wenn er sich noch so sehr wünscht, bald professioneller, angekündigter Trainer zu werden. Der Statuswechsel ist ein Rollenwechsel, der innerlich vollzogen und äußerlich vorbereitet werden muss, ein seelischer Prozess, der nicht auf Anhieb geleistet werden kann.

Der Trainer ist auch ein Teilnehmer

Trainer ist derjenige, der das Training leitet, indem er Input gibt, Übungen anleitet und Begegnungen moderiert. Er hat aber nicht nur die gebende, leitende, moderierende Funktion, die er mit seinem persönlichen Stil ausfüllt, er ist auch jemand, der sich als Mensch einbringt und etwas mitnimmt, jenseits von seiner Funktion. Als Mensch gibt er sich offen, spontan, transparent und auch verwundbar. Da gibt es keinen Unterschied zwischen dem leitenden und dem teilnehmenden Teamdynamiker, denn der Leiter nimmt auch teil, und der Teilnehmer kann auch den Prozess beeinflussen. Trainer wie Teilnehmer begegnen sich auf der menschlichen Ebene und auf „Augenhöhe“.

Der Trainer hat aber eine ambivalente, eine doppelte Rolle. Er ist einerseits Teil des Trainingsteams, Teil des team-dynamischen Prozesses. Er ist andererseits auch ein Außenstehender, denn er braucht den Blick auf das Team von außen. Er sollte unabhängig sein, nicht verstrickt in die  inneren Angelegenheiten des Teams. Er ist also zugleich „in“ und „out“. In beiden Positionen sollte er von den Teilnehmern akzeptiert sein. Aber das ist gar nicht so leicht, weil …

  • er selbst ähnliche soziale und emotionale Probleme haben kann wie die Teilnehmer, denen er zu helfen versucht.
    Beispiel: Er ist selbst nicht uneingeschränkt teamfähig. Vielleicht ist er deswegen Teamtrainer geworden? Er kann so tun, als sei er ein Meister der Teamfähigkeit, und sogar sich selbst damit täuschen.
  • er nicht denken sollte, dass er den anderen hilft. Seine Funktion sollte ihm nicht die Vorstellung geben, ein Helfer in der Not, ein großartiger Mensch, ein Supermann zu sein. Die Funktion des Trainers macht ihn wichtig, sie macht ihn zum Mittelpunkt. Viele schauen zu ihm auf. Aber er darf sich nicht über die Gruppe erheben.

Der Trainer sollte den Gedanken vom Helfen aufgeben. Statt zu „helfen“ kann er „teilen“. Er teilt sein Verständnis – so viel, wie er hat. Die Teilnehmer sind ihm nicht unterlegen. Trainer und Teilnehmer sitzen im selben Boot, im selben Kreis. Vielleicht ist der Trainer erfahrener. Aber er darf nie vergessen, dass sein Verständnis Grenzen hat und dass nicht alles, was er weiß, seine eigene Erfahrung ist.

Trainer und Co-Trainer als Team

Ein Trainerteam ist stärker und kreativer als ein einzelner Trainer. Trainer, die sich als Team verkaufen, leben Teamarbeit vor. Es wurde  beobachtet, dass Firmen sich zunehmend an Trainerteams wenden, weil sie dort Professionalität in einem größeren Spektrum erwarten als bei einem Trainer, der als Einzelkämpfer auftritt. Trainer arbeiten besser und effektiver im Team, sie können dann

  • arbeitsteilig vorgehen
  • aktuelle Einschätzungen austauschen
  • qualifiziertes Feedback vom Team-Partner erhalten.

Der Co-Trainer ist so etwas wie ein persönlicher Assistent des Trainers. Er sorgt in jeder Hinsicht für dessen Komfort und hält sich dabei im  Hintergrund. Ein Co-Trainer ist kein Neben-Trainer, der durch ständige „Zwischenbemerkungen“ auffällt oder sich durch „Gegenvorschläge“ profiliert. Er versteht sich als emotionale und organisatorische Stütze des Trainers.

Die Fähigkeiten eines Co-Trainers

sollen für den Trainer eine Ergänzung sein. Geht der Trainer zum Beispiel etwas „härter“ vor, um bei einem Teilnehmer etwas in Bewegung zu bringen, dann wirkt der Co-Trainer ausgleichend, weich und glättend. Als ausgeglichenes Trainerteam hat sich oft die Kombination von Mann  und Frau beziehungsweise Frau und Mann als sinnvoll erwiesen und bewährt. Dies gilt insbesondere, wenn sich das zu trainierende Team aus Männern und Frauen zusammensetzt. Reine Männerteams können gut von zwei Männern trainiert werden, reine Frauenteams von zwei Frauen.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.