Haltung und Verhalten
Haltung ist die mentale Ausgangsposition für das Verhalten. Der Moderator betritt den Seminarraum mit der ihm eigenen Haltung. Damit ist im wesentlichen festgelegt, wie er sich gegenüber
seinen Teilnehmern verhalten wird.
Sprechen wir von der Haltung eines Menschen, so ist allein aus diesem Wort nicht ersichtlich, ob wir die Körperhaltung oder die innere Haltung meinen. Dabei wissen wir, dass die innere und die äußere Haltung tendenziell einander entsprechen. Diese Analogie kommt in vielen Redewendungen zum Ausdruck:
Da gibt es aufrechte und aufrichtige Menschen und auch solche, die buckeln. Wir kennen steife und windige Leute und solche, die kriechen, die sich krumm machen. Manch einem fehlt nicht nur Haltung, sondern auch der Halt.
Die innere Haltung
Der Moderator arbeitet personenzentriert und die Beziehung zu den Teilnehmern ist eine persönliche. Er muss professionell auftreten und sein Vorgehen methodisch begründen können, er kann sich aber nie hinter einer Technik oder Methode verstecken. Er bleibt als Person mit seinen Eigenheiten, Stärken und Schwächen exponiert. Einen Workshop oder ein Training zu leiten ist überaus komplex und bedarf einer sensiblen, abgestimmten Vorgehensweise.
Der Moderator ist verantwortlich für das empfindliche Gleichgewicht:
- zwischen Stabilität und Flexibilität
- zwischen Programm und Prozess
- zwischen Kognition und Intuition
- zwischen Idealismus und Pragmatismus
- zwischen Führung und Freundschaft
- zwischen Intervenieren und Laufenlassen
- zwischen dem Gruppenwohl und dem Wohl des Einzelnen
Es gibt also antagonistische Werte und Ziele, die nicht immer leicht zu vereinen sind. Der Teamdynamiker sollte ohne Angst und ohne Absicht moderieren, angstfrei und absichtslos in die Inszenierung gehen. Er sollte lösungsorientiert arbeiten, aber er darf nicht auf Lösungen drängen. Im dynamischen Prozess genügt es, die Teilnehmer durch emotionale Phasen zu begleiten. Emotionen müssen nicht ausgewalzt oder ausgekostet werden. Emotionen sind keine Ziele, sie sind Strecken eines Weges.
Es genügt, einer Emotion zum Ausdruck zu verhelfen und in die nächste zu führen. Die Veränderungen, die sich dadurch bei Einzelnen zeigen, führen im team-dynamischen Prozess erfahrungsgemäß immer zu Entfaltung und Entwicklung.


Foto: Matjaz Slanic auf istockphoto
Akzeptanz und Respekt
Ein Moderator mit Herz und Haltung wird von Anfang an einfühlsam und wertschätzend sein. Es gibt nichts Förderlicheres und Heilsameres, als wertschätzend mit den Teilnehmern umzugehen. Methodik kann helfen, aber die wirklichen Lernprozesse und Fortschritte geschehen durch die totale Akzeptanz und den Respekt, der den Teilnehmern entgegengebracht wird. Ein Teamdynamiker sollte am besten den Menschen, die an seinem Workshop teilnehmen, wie ein Freund begegnen. Und er sollte einer von ihnen sein, ohne den Anspruch zu haben, besser oder kompetenter zu sein als sie.
Erfahrungen teilen
Wer einen Workshop leitet, sollte seinen Teilnehmern von Anfang an klarmachen:
„Was ich vermittle, sind Techniken, die ich gelernt und auch weiterentwickelt habe. Ich teile meine Erfahrung mit euch. Ihr seid hier nicht meine Studenten. Ihr seid Freunde des transformativen Lernens.
Viele von euch bringen ihr eigenes Verständnis aus den verschiedensten Berufen, Bereichen und Traditionen mit. Auch ihr könnt eure Erfahrungen einbringen und dadurch die Gruppe bereichern.“
Systemisch denken
Die Angewandte Teamdynamik ist systemisch angelegt. Systemisches Denken bedeutet: die Loslösung des Denkens von den Gegensätzen
- gut und böse
- richtig und falsch
- schuldig und unschuldig
Niemand fällt unter den Gesichtspunkt „gut oder böse“. Was jemand fühlt, denkt oder zeigt, ist weder richtig noch falsch. Wenn etwas Missliches geschieht, so ist daran keiner schuld und keiner unschuldig.
Statement eines Moderators (Zitat)
„Ihr sollt wissen, ich bin kein guter Mensch und mache auch nicht alles richtig. Wenn ich bei meiner Moderation in euren Augen etwas „falsch“ gemacht habe, dann ist das für euch ein Beispiel, wie jemand es gemacht hat und ihr es dann in euren Veranstaltungen besser oder anders machen könnt. Ich bin da kein Vorbild.“
Authentisches und wertschätzendes Verhalten
Wenn ein Moderator bewusst wertschätzend und zugleich authentisch sein möchte, verlangt das Feingefühl, aber auch Entschlusskraft.
Die Authentizität kommt mit seiner Spontanität, kommt aus seinem Gefühl. Er möchte „aus seinem Herzen keine Mördergrube machen“, möchte wahrhaftig sein. Er sagt, was er denkt, und er denkt, was er fühlt. Wenn er sich nicht frei fühlt, authentisch zu sein, wird er eine Fassade zeigen und gekünstelt auftreten.
Die wertschätzende Haltung entspringt eher einem sozialethischen Konzept, einer Einsicht in das Funktionieren der Gesellschaft. Wertschätzung ist verbunden mit Anerkennung und Wohlwollen, drückt sich aus in Zugewandtheit, Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und Interesse. Kann ein Moderator die gebotene Wertschätzung nicht wirklich empfinden, dann herrschen Disziplin, Diplomatie, manchmal auch Heuchelei. Was aber ist, wenn der Moderator für einen Teilnehmer oder dessen Verhalten momentan keine Wertschätzung empfinden kann – trotz wertschätzender Grundhaltung? Leider kann der Mensch mit dem Denken das Fühlen nicht überwinden. Er kann sich nur bremsen, sich beherrschen, disziplinieren, wobei er wiederum die Authentizität erstickt.
So muss der Moderator Wertschätzung und Authentizität sekundenschnell ausbalancieren. Das erfordert auch Mut. Denn mancher Teilnehmer ist der Meinung, dass man in dieser Situation hätte besser moderieren können.
Authentizität und Wahrhaftigkeit können in einem Workshop über Wohlverhalten und Correctness gestellt werden.
Der Moderator hält Balance zwischen Wahrhaftigkeit und Wohlverhalten, zwischen authentischem und wertschätzendem Verhalten
„Der Moderator hält den Raum“
Diese Ausdrucksweise wird im Kontext von Workshops, Coachings, Weiterbildung oder Selbsterfahrung verwendet. Sie steht für die Funktion, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Einzelnen sich sicher, gehört und verstanden fühlen, ohne dass der Rahmengeber seine eigenen Ansichten oder Bedürfnisse in den Vordergrund stellt. Es geht darum, eine akzeptierende und unterstützende Atmosphäre zu kreieren und zu halten, in der die Teilnehmer sich öffnen und ihre Meinungen und Anschauungen frei äußern können. Ein Moderator hält den Raum, indem er zuhört, ohne zu bewerten. Dies hilft, tiefere Einsichten zu gewinnen und Ressourcen zu aktivieren.
Zulassen, was ist
„Raum halten“ bedeutet in der Meditation oder bei Achtsamkeitsübungen, dass der Anleiter für die Anwesenden einen geschützten Raum schafft, in dem alle Gedanken, Gefühle und Erfahrungen ohne Kritik sein dürfen. Es geht darum, präsent zu sein und zuzulassen, was ist, ohne zu versuchen, es zu kontrollieren, zu bewerten oder zu beeinflussen.


Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.