Gesprächsvorbereitung mit 4 Ohren
Gespräche über kritische und schwierige Projektthemen gehören zum Projektalltag. Trotzdem erzeugen sie bei Projektleitern oft unangenehme Gefühle. Mit diesen unangenehmen Gefühlen „im Gepäck“ wirst Du in schwierigen Gesprächen aber kaum vernünftige Ergebnisse erzielen. Dagegen kann Dir eine strukturierte Gesprächsvorbereitung dabei helfen, selbstbewusst und zielorientiert ins Gespräch zu gehen.
Sandra B. ärgert sich nun schon zum wiederholten Male über ihren Chef. Der kaufmännische Leiter hat in seinem Geschäftsbereich bestimmte Regeln für die Projektarbeit aufgestellt, hält diese aber selbst nicht ein. Das jüngste Beispiel betrifft die Urlaubsregelung: Eigentlich sollte jeder Mitarbeiter seinen Urlaub mindestens acht Wochen vorher anmelden, damit die Projektleiter sich rechtzeitig darauf einstellen können. Jetzt hat der kaufmännische Leiter aber nun schon zum wiederholten Male kurzfristige Urlaubsanträge genehmigt, ohne mit den verantwortlichen Projektleitern Rücksprache zu halten. Doch Sandra B. hat keine Idee, wie sie ihren Chef erklären soll, dass er doch die Regeln auch einhalten soll.
Es gibt wohl kaum ein Projekt, in dem Projektleiter nicht von Zeit zu Zeit schwierige Gespräche führen müssen, auch wenn sie das gar nicht wollen. So mancher beschließt, komplizierte Unterhaltungen zu vermeiden, so als würde das Problem dadurch einfach aus der Welt geschafft – aber so funktioniert das nicht. Das Unvermeidbare hinauszuzögern, verkompliziert die Dinge oftmals nur. Doch es gibt Möglichkeiten, sich dieser Art von Situationen zu stellen. Mit ein bisschen Vorbereitung kann man sie sogar gut meistern.
Letztlich weißt Du nie ganz genau, was Dich in einem schwierigen Gespräch wirklich erwartet. Aber Du kannst Dich gezielt darauf vorbereiten, wenn Du die Besprechung mit etwas Vorlauf initiierst.
Gut vorbereitet ins Gespräch gehen
Das Kommunikationsquadrat ist das wohl bekannteste Modell von Friedemann Schulz von Thun und inzwischen auch über die Grenzen Deutschlands hinaus verbreitet. Bekannt geworden ist dieses Modell auch als „Vier-Ohren-Modell” oder „Nachrichtenquadrat”.
Das Vier-Ohren-Modell geht davon aus, dass jede Äußerung vier Botschaften enthält und auch auf vier Weisen, beziehungsweise Ebenen verstanden werden kann. Jede Äußerung enthält, ob wir es wollen oder nicht, vier Botschaften gleichzeitig:
- eine Sachinformation (worüber ich informiere)
- eine Selbstkundgabe (was ich von mir zu erkennen gebe)
- einen Beziehungshinweis (was ich von dir halte und wie ich zu dir stehe)
- einen Appell (was ich bei dir erreichen möchte)
Das Kommunikationsquadrat kann uns helfen, eine schwierige Gesprächssituation gezielt vorzubereiten. Das Modell sorgt dafür, dass wir die verschiedenen Ebenen eines Gesprächs berücksichtigen.
Appell – Das Ziel bestimmen
Wenn jemand das Wort ergreift, möchte er in aller Regel etwas erreichen. Er äußert Wünsche, Appelle, Ratschläge oder Handlungsanweisungen. Mit einem Appell verdeutlicht man, was man vom Gegenüber möchte.
- Was möchte ich in dem Gespräch erreichen? Was ist mein Ziel?
- Was will ich unbedingt erreichen? Wo kann ich Kompromisse eingehen?
- Welche Wünsche habe ich an meinen Gesprächspartner? Was erwarte ich von ihm?
Sandra B. möchte in dem Gespräch mit ihrem Chef erreichen, dass die Regeln eingehalten werden – auch von ihm. Sie besteht dabei nicht unbedingt auf bestimmte Regelungen. So beharrt sie beispielsweise bei der Urlaubsregelung nicht auf die 8 Wochen-Frist, möchte sich als Projektleiterin aber künftig auf einheitliche Vorgaben verlassen können.
Sache – Die Themen festlegen
Auf der Sachebene des Gesprächs steht die Sachinformation im Vordergrund, hier geht es um Daten, Fakten und Sachverhalte. Die Herausforderung besteht auf der Sachebene darin, die Sachverhalte für den Gegenüber klar und verständlich auszudrücken.
- Welche Themen möchte ich ansprechen? Um was soll es gehen?
- Welche Beispiele und Argumente habe ich, um meine Themen zu erläutern?
- In welcher Reihenfolge spreche ich die Themen an?
Sandra B. möchte die Urlaubsregelung als konkretes Beispiel ansprechen, weil dieses Problem unbedingt noch vor den Sommermonaten „abgeräumt“ werden sollte. Sie will aber noch weitere Beispiele anführen, um den laxen Umgang mit bestehenden Regelungen zu verdeutlichen.
Selbstaussage – Die Gefühle orten
Für die Selbstkundgabe gilt: Wenn jemand etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich. Jede Äußerung enthält gewollt oder unfreiwillig eine Kostprobe der Persönlichkeit – der Gefühle, Werte, Eigenarten und Bedürfnisse. Deshalb ist es wichtig, sich darüber klar zu werden, wie man die Situation ganz persönlich erlebt.
- Wie erlebe ich die Situation?
- Welche Gefühle und Bedürfnisse habe ich?
- Was davon möchte ich – wie – mitteilen?
Sandra B. möchte deutlich machen, dass die kurzfristigen Urlaubsanträge ihre gesamte Planung über den Haufen geworfen haben. Es ärgert sie. Sie möchte nicht ständig neu planen müssen, nur weil ihr Chef – ohne Rücksprache – Mitarbeitern kurzfristig frei gibt, um in den Urlaub zu fahren. Sie will ihm das nicht „entgegenknallen“, wohl aber auf die Folgen aufmerksam machen.
Beziehung – Die Perspektive wechseln
Auf der Beziehungsseite gibt jemand zu erkennen, wie er zum Anderen steht und was er von ihm hält. Diese Beziehungshinweise werden durch Formulierung, Tonfall, Mimik und Gestik vermittelt.
- Wie sieht mein Gesprächspartner die Situation?
- Wie kann ich ein positives Gesprächsklima schaffen?
- Wie kann ich Kritik so äußern, dass der Andere sie annehmen kann?
Sandra B. überlegt sich, wie sie am besten ins Gespräch einsteigt, ohne gleich das Gesprächsklima zu belasten. Sie hat Verständnis dafür, dass Ihr Chef Mitarbeitern den Urlaub nicht verwehren will, nur weil sie die 8 Wochen-Regelung nicht eingehalten haben.
Derart gut vorbereitet ist sich auch Sandra B. nun ihrer eigenen Ziele und Argumente klar. Und sie hat darüber hinaus auch die zwischenmenschliche Beziehung zu ihrem Chef im Blick. Denn selbst wenn Sandra B. ihr Sachziel durchsetzt, dabei aber die Beziehungsebene stört, kann das Gespräch nicht als Erfolg gewertet werden. Zumindest nicht, wenn sie darauf angewiesen ist, noch weiter mit ihrem Chef zusammenzuarbeiten. Entscheidend ist nämlich nicht nur die Absicht, sondern auch die Wirkung des Gesagten!
Survival-Tipps
- Unabhängig von Deinen Erwartungen solltest Du Dir niemals das Schlimmste ausmalen. Stelle Dich nicht schon von vorne herein auf einen Kampf ein.
- Schaffe zunächst ein positives Gesprächsklima. Hierfür hilft Dir der Blick auf die Beziehungsebene.
- Achte darauf, wie Du Kritik äußerst. Deine Kritik sollte weder abwertend noch verletzend sein.
- Nenne das Thema, das Du besprechen möchtest. Argumentiere überzeugend und untermauere Deinen Standpunkt mit Beispielen (Sachebene).
- Schildere, wie Du die Situation derzeit erlebst. Benenne dabei vor allem Deine Bedürfnisse und Interessen (Selbstaussage).
- Formuliere Deinen Wunsch an den Gesprächspartner. Verliere dabei Deine Ziele nicht aus dem Auge (Appell-Ebene).
Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.