Kommunikation

Gemeinsam sind sie unerbittlich

Von am 13.11.2023

Zu einer wichtigen Verhandlung nimmt der Projektleiter gerne seinen „Techniker“ mit, der ihm fachlich beistehen soll. An sich eine gute Idee. Was dieser dann aber manchmal zum Besten gibt, lässt den Puls des Projektleiters höher schlagen. Es stimmt zwar: Ein Team kann in Verhandlungen unschlagbar sein – aber eben doch nur, wenn Rollen und Strategien zuvor klar definiert wurden.

Das Projekt, das Andreas G. leitet, verzögert sich. Ein Dienstleister hinkt mit seinen Arbeiten meilenweit hinterher. Das ist sehr unangenehm – denn für den Auftraggeber, einen externen Kunden, steht viel auf dem Spiel. Dementsprechend nervös sind die beiden Geschäftsführer. Zusammen mit Andreas G. sitzen sie am Verhandlungstisch, um mit dem Dienstleister die neuen Deadlines zu vereinbaren und mit ihm auszuhandeln, wer die Mehrkosten für die Verzögerungen trägt.

Eigentlich hat sich Andreas G. mit seinen beiden Chefs im Vorfeld gut abgestimmt. Doch die Verhandlung gerät zur hitzigen Debatte, in der die zuvor besprochenen Argumente keinen Platz mehr finden. Aus Angst vor dem Kunden machen die Geschäftsführer eine Konzession nach der anderen – völlig unnötig, wie Andreas G. findet.

Eine wichtige Verhandlung als Projektleiter alleine bestreiten zu wollen, ist riskant. In einer schwierigen Verhandlungssituationen kann es leicht passieren, die Übersicht zu verlieren, vielleicht auch hitzig und emotional zu reagieren – mit entsprechend negativen Folgen für das Verhandlungsergebnis. Ratsam ist es daher, im Team am Verhandlungstisch zu sitzen. Doch auch das birgt Gefahren, wie das Beispiel von Andreas G. gezeigt hat: Wenn das Verhandlungsteam nicht abgestimmt handelt, kann der Schuss leicht nach hinten losgehen.

Eine Verhandlung im Team kann sehr effektiv sein. Das setzt jedoch voraus, die Rollen der Teilnehmer und die Verhandlungsstrategie im Vorfeld klar festzulegen und gemeinsam vorzubereiten.

Verhandeln wie das FBI

In einem Verhandlungsteam müssen die Rollen klar verteilt sein. Der Verhandlungsexperte Matthias Schranner nimmt hierzu die Vorgehensweise des FBI zum Vorbild. Schwierige Verhandlungen werden dort grundsätzlich nicht von einer Person alleine geführt – aus einem einfachen Grund: Wer allein verhandelt, ist auf sein Verhandlungsziel fixiert und konzentriert sich deshalb auf seine Strategie und seine Argumente. Er verhandelt dadurch sehr zielgerichtet, vernachlässigt aber das analytische Zuhören und Beobachten. In einer sehr angespannten Verhandlungssituation – wie beispielsweise bei einer Geiselnahme – können ihm deshalb wichtige Beobachtungen entgehen.

Bei FBI-Verhandlungen wird der Verhandlungsführer deshalb durch eine zweite Person unterstützt, die vor allem die Aufgabe hat, die Gegenseite zu beobachten, ihr zuzuhören und ihre Reaktionen zu registrieren.

Foto: Alvarez auf istockphoto

Verhandlungsführung im Dreierteam

In Anlehnung an die FBI-Methode empfiehlt Matthias Schranner drei verteilte Rollen, die auch in Projekten die Verhandlungsführung erleichtern können:

  • Der „Negotiator“ – er übernimmt den Part des Verhandlungsführers, der die Agenda setzt und Forderungen stellt.
  • Der „Commander“ – er hört vor allem zu, denkt strategisch mit und achtet darauf, dass man auf der zuvor abgesprochenen Verhandlungslinie bleibt.
  • Der „Decision Maker“ – er verantwortet das Ergebnis und entscheidet in letzter Instanz über das weitere Vorgehen.

Den drei Rollen werden jeweils klare Aufgaben zugeordnet.

Die Rolle des Negotiators

Der Negotiator ist der nach außen sichtbare Verhandlungsführer und damit alleiniger Ansprechpartner für die Gegenseite. Allerdings trifft er Entscheidungen nicht alleine. Der Negotiator versucht, in der Verhandlung emotionale Nähe und Vertrauen zu seinem Gegenüber aufzubauen. Deshalb hat es sich bewährt, dass nicht er selbst über Ergebnisse entscheidet, sondern ein Dritter darüber befindet. Zu Beginn der Verhandlung weist der Negotiator deshalb darauf hin, dass wichtige Entscheidungen der Rücksprache bedürfen.

Damit ist klar: Als Projektleiter überlässt Du die Rolle des Negotiators besser Deinem Fachexperten, der über einen klaren (fachlichen) Verantwortungsbereich verfügt und die Verhandlung führen sollte. Falls Dein Verhandlungsführer scheitert, kannst Du ihn leicht austauschen, ohne dass die Entscheidungskette bricht oder strategische Nachteile entstehen.

Die Rolle des Commanders

Der Commander hält sich in der Verhandlung im Hintergrund und verfolgt die Diskussion aus einiger Distanz. Er analysiert das Gespräch, hört zu und unterstützt den Negotiator. Es bietet sich an, als Projektleiter diese eher beobachtende Rolle zu übernehmen.

Als Commander verantwortest Du die Verhandlungsstrategie und greifst möglichst nicht direkt in die Verhandlung ein. Wichtig ist, die Rolle des Negotiators zu respektieren und auch niemals in seinen fachlichen Verantwortungsbereich hineinzureden. Andernfalls würdest Du seine Autorität als Fachexperte demontieren – und das nicht nur für die Dauer der Verhandlung, sondern auch für den weiteren Verlauf des Projekts.

Dass Du nicht selbst reden, antworten und argumentieren musst, kann ein großer Vorteil sein. Du kannst zuhören und beobachten; Du nimmst Vieles wahr, was dem Negotiator entgeht. Außerdem erhältst Du den Freiraum, um die Verhandlung aus der Warte des Projektleiters zu verfolgen. So bewahrst Du kühlen Kopf und behältst auch in einer chaotischen Situation den Überblick.

Die Rolle des Decision Makers

Der Decision Maker hat das letzte Wort, er entscheidet in letzter Instanz über das weitere Vorgehen. Er kann Ja sagen, wenn alle anderen Nein sagen. Und er kann Nein sagen, wenn alle anderen Ja sagen. Bei einer wichtigen Projektverhandlung übernimmt diese Rolle der Geschäftsführer oder ein Abteilungsleiter. In anderen Fällen, bei kleineren Entscheidungen, braucht es das natürlich nicht. Ein Decision Maker sollte nur dann in eine Verhandlung einsteigen, wenn die Gegenseite ebenfalls einen Decision Maker mitbringt oder hinzuzieht.

Nicht ohne Probelauf

Um in der Verhandlung Widersprüche und Ungereimtheiten zu vermeiden, ist eine gute Vorbereitung entscheidend. Es gilt, die Beteiligten sorgfältig einzuweisen – jeder muss seine Rolle beherrschen. Bewährt hat es sich, die anstehende Verhandlung in einer „Generalprobe“ durchspielen.

Survival-Tipps

  • Denke daran: Der Schlüssel zum Verhandlungserfolg liegt oft darin, die Verhandlung im Team zu führen.
  • Reserviere genügend Zeit für die Vorbereitung. Eine Verhandlung im Team ist aufwändiger vorzubereiten als die Verhandlung eines Einzelkämpfers.
  • Lege Ziele, Strategie und Taktik gemeinsam mit Deinen Mitstreitern fest – nur so lässt sich im Team erfolgreich verhandeln.
  • Sorge dafür, dass jeder im Team eine definierte Position einnimmt und jeder ganz klar seinen Verantwortungsbereich hat.
  • Führe eine „Probeverhandlung“ durch. So erreichst Du, dass alle Mitglieder des Verhandlungsteams auch wirklich aufeinander eingespielt sind.
  • Verzichte auf allzu durchsichtige Verhandlungstaktiken wie zum Beispiel den „Good Guy, Bad Guy“. Wenn Du damit auffliegst, machst Du Dich lächerlich.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.