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Alle reden vom Klima

Von am 25.11.2022

Ich stelle Menschen gerne Fragen, weil mich ihre Arbeit, ihre Strategien, ihre Standpunkte oder ihre Thesen interessieren. In meinem Online-Magazin möchte ich die Antworten meiner Interviewpartner gerne mit Euch teilen. Heute habe ich meine FÜNF FRAGEN an Sophia Schneider gestellt.

Mario: Wir alle lieben diese Tage, an denen das Wetter einfach mitspielt. Es ist nicht zu warm, nicht zu kalt, es regnet nicht. Der Wind scheint perfekt dosiert zu sein. Die Sonne strahlt uns ins Gesicht und wir strahlen zurück. Und dann gibt es Tage, an denen ist alles grau und trist. Es regnet und stürmt. Alles ist doof.

So sehr wir uns das Wetter auch manchmal anders wünschen, es bringt alles nichts: Es entzieht sich unserem Einfluss. So ähnlich und doch ganz anders verhält es sich mit dem Betriebsklima. Es umgibt Mitarbeitende ebenfalls wie die Atmosphäre unsere Erde. Sie können das vorherrschende Betriebsklima wahrnehmen und spüren. Doch niemand kann es wirklich greifen oder glaubt daran, es verändern zu können. Aber doch: Ihr behauptet in Eurem neuen Buch „Rettet das Betriebsklima“, dass es geht! – Wie denn?

Sophia: Das ist tatsächlich eine spannende Frage und wie so oft im Leben gibt es auch hier leider nicht die eine Lösung. So unterschiedlich Unternehmen und Projekt-Teams in ihren Tätigkeiten sind, so unterschiedlich sind auch ihre „Klima-Baustellen“: Ist es in die interne Kommunikation, die nicht reibungslos läuft? Sind Rollen und Verantwortlichkeiten nicht klar geklärt? Müssen wir ständig auf Freigaben und Rückmeldungen warten, ohne einen ersichtlichen Grund? Oder haben wir ein Problem mit mangelnder Führung? Zu wenig Vertrauen?

Die Fragen, die ich an dieser Stelle aufwerfe, sind nur ein Bruchteil von denen, die ich stellen könnte. Um also zu verstehen, was die Stimmung tatsächlich trübt, müssen wir uns also zunächst auf Spurensuche begeben, um den sprichwörtlichen Henkel an die Tasse zu bekommen. Von dort aus kann anschließend ein Maßnahmen- und Aktionsplan aufgestellt werden, der zu den „Stimmungskillern“ passt.

Mario: Du behauptest, dass es nicht den einen Erfolgsfaktor für gutes oder den einen Grund für schlechtes Betriebsklima gibt. Aus Deiner Sicht sind es vier Klimazonen, die die Stimmung im Unternehmen prägen. Welche sind das?

Sophia: Genau, wir haben in unserem Buch vier Klimazonen entwickelt, die die Stimmung im Unternehmen beeinflussen: die unternehmerische, die räumliche, die soziale und die atmosphärische. Hängt der Haussegen in einer der Zonen schief, hat das oft auch Auswirkungen auf die anderen Bereiche. Lass mich aber kurz erklären, was sich in den einzelnen Zonen verorten lässt.

Zunächst haben wir die unternehmerische Klimazone. In ihr finden sich Klima-Grundbausteine wie organisationale Steuerungsinstrumente und strategische Entscheidungen der Führungsriege. Das können Zielvorgaben oder KPIs sein, die Entscheidung, Stellen auf- oder abzubauen, Absprachen über Arbeitszeiten und Gehälter, aber auch das Unternehmensleitbild sowie das Führungscredo, das als Maßstab für den Umgang mit Mitarbeitenden gilt.

Als nächstes haben wir die räumliche Klimazone. Dahinter verbirgt sich im wahrsten Sinne des Wortes all jenes, was unseren tatsächlichen Arbeitsraum ausmacht und wie er gestaltet ist. Sprich: Von wo aus wird gearbeitet? Gibt es Einzel- oder Großraumbüros? Wie ist der Firmensitz optisch und ergonomisch ausgestattet? Wie wird der virtuelle (Arbeits-)Raum genutzt? Und vieles mehr.

Die dritte Zone, durch die das Betriebsklima gestaltet werden kann, nennen wir die soziale Klimazone. In diesem Bereich schauen wir uns unterschiedliche Rollen und Funktionen an, die einen für sich stehenden Einfluss auf das Betriebsklima haben, zum Beispiel die Rolle der Führungskraft oder den Betriebsrat. Außerdem betrachten wir Klima-Elemente, die interaktive Aspekte der Zusammenarbeit im Fokus haben, wie Teamevents, Leistungsdialoge oder Diversity Management.

Und last but not least definieren wir die atmosphärische Klimazone. Darin bearbeiten wir Themen, die oft feinstofflich und schwer zu greifen sind, aber dennoch (oder gerade deswegen) einen elementaren Einfluss auf die gesamte Stimmung im Unternehmen haben: die Kollegialität, das gegenseitige Vertrauen, der Flurfunk, die Meeting-Kultur oder der Umgang mit Wissen, um nur einige Schlagworte zu nennen.

Foto: Sophia Schneider

Mario: Beim Wetter gibt es ein Barometer, um den Luftdruck zu messen und Aussagen über das Wetter zu machen. Woran machst Du fest, ob in einem Projekt oder in einem Team ein gutes Klima herrscht?

Sophia: Das Barometer, das du ansprichst, haben wir tatsächlich auch aufgenommen und für das Betriebsklima, im übertragenen Sinne, weiterentwickelt. Mit unserem „Klima-Barometer“ lässt sich zwar nicht mehr der Luftdruck in der Kaffeeecke messen, dafür aber die Stimmungslage in Teams und unternehmen. Hierbei handelt es sich letztlich um eine klassische Mitarbeitenden-Befragung, nur dass eben explizit und ausschließlich Klimabausteine abgefragt werden. Wer sich dafür interessiert, kann ihn gerne kostenlos und ohne von einer Newsletter-Flut aufgerollt zu werden, testen. Am einfachsten ist er unter https://rettet-das-betriebsklima.de/klimabarometer/ zu finden – oder natürlich im Buch. Neben dem Klima-Barometer oder ähnlichen strukturierten Befragungen gibt es aber auch noch weitere Indikatoren. Offensichtliche Indikatoren dafür, dass es stimmungstechnisch kriselt, sind natürlich Kennzahlen wie die Fluktuation, der Krankenstand und schlechte Ergebnisse in Mitarbeitenden-Befragungen. Darüber hinaus kann eine Klimakrise auch anhand von „weichen Faktoren“, wie wir sie nennen, erkannt werden. Das sind die Parameter, bei denen es uns Menschen erfahrungsgemäß schwerfällt, sie in Worte zu fassen. Sie umgeben uns im Alltag als Atmosphäre und können zu Sonnenschein, Donnerwetter oder Eiszeit führen. Wir bemerken sie anhand eines Blickes, eines Augenrollens, einer sarkastischen, ironischen oder schnippischen Bemerkung des Kollegen. Vielleicht müssen wir mehrfach um Hilfe bitten, ehe wir sie bekommen. Oder wir haben den Eindruck, es steht ein „Elefant“ im Raum – also ein Thema, das das Team in irgendeiner Form bewegt – doch niemand spricht darüber. Wenn man also findet, die Luft im Unternehmen könnte besser sein oder ähnlich gelagerte Rückmeldungen der Unzufriedenheit häufen sich, dann ist das ein eindeutiges Zeichen für ein angespanntes Betriebsklima.

Mario: Projektleiter/innen glauben oft, dass ihnen die Hände gebunden sind, das Klima positiv zu beeinflussen. Trotzdem wird es vielfältige Möglichkeiten geben, ein positives Projektklima zu schaffen. Was würdest Du empfehlen?

Sophia: Es muss nicht immer das ganz große Feuerwerk gezündet werden, um für gute Stimmung zu sorgen. Führungskräfte und Projektleiter:innen die ihre Mitarbeitenden ernstnehmen, ihnen Beachtung und Wertschätzung schenken, nehmen einen enormen Einfluss auf das Betriebsklima. Oft braucht es auch keine großen Veränderungen, sondern etwas Aufmerksamkeit und Kreativität, um die Stimmung und das Wohlergehen der Mitarbeitenden positiv zu beeinflussen. Teamleitende entscheiden in der Regel, welche Aktivitäten und Maßnahmen wann, wo und wie realisiert werden. Sie sind diejenigen die Budgets für „Klimathemen“ freigeben und auch die Zeit genehmigen, die das Engagement für ein gutes Betriebsklima braucht. Sie geben also – in Abstimmung mit dem Unternehmen – den Rahmen vor, in dem sich die Arbeitskultur oder das Miteinander entfalten kann. Sie können Raum für Selbständigkeit, Kreativität und Mitbestimmung schaffen. Der Führungsstil sollte dabei passend zu den zu führenden Mitarbeitenden sein. Eine Balance zwischen Vorgaben, Richtlinien, Freiheit und Selbstbestimmtheit ist hier entscheidend.

Mario: Viele befürchten, dass die Arbeit im Home-Office langfristig zu einer Klima-Katastrophe in Unternehmen führen könnte. Was lässt sich dagegen tun?

Sophia: Homeoffice kann – je nach Unternehmensstruktur – im positiven wie negativen Sinne ein echter Klimatreiber sein. Es ist und war vermutlich eines der meist diskutierten arbeitsbezogenen Themen während der Corona-Pandemie. Bis heute ist es allgegenwärtig und viele Büromitarbeitende sind sich einig: Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Somit tun wir gut daran, uns Gedanken darüber zu machen, wir hybrides Arbeiten nicht in der Klimakrise endet. Denn feststeht: Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir brauchen Austausch, Anerkennung, Zugehörigkeit und Wertschätzung.

Insbesondere das Thema „Führen auf Distanz“ erfordert hier von allen Beteiligen eine Extraportion Aufmerksamkeit, Einfühlungsvermögen, aktives Zuhören und Vertrauen. Damit sich die Stimmung nicht verschlechtert, muss es regelmäßige Teammeetings geben, in denen es nicht nur um arbeitsbezogene Themen geht.  Es braucht einen Ersatz für den Kaffee zwischendurch und das Gespräch auf dem Gang. Außerdem sollten Unternehmen auf gute Ausstattung achten und darauf, Mitarbeitende aller Generationen gleichermaßen „digital mitzunehmen“. Während der pandemischen Hochzeit haben wir vom Institut für Persönlichkeit zum Beispiel mit unserem Team einen virtuellen Escape-Room bestritten, gemeinsam via Zoom in unseren eigenen Küchen Spagetti Bolognese gekocht und Rotwein getrunken oder Montagsmaler gespielt.

Das Betriebsklima ist nicht an einen Ort gebunden – es entfaltet seine positive Kraft auch über Distanz.

Mario: Danke für das Interview. Ich danke 😊

Zur Person

Sophia Schneider ist als Sozialwissenschaftlerin, Business-Trainerin und systemischer Coach in der Welt der Persönlichkeits-, Personal- und Organisationsentwicklung zuhause. Außerdem ist sie für die Arbeit mit verschiedenen Persönlichkeits-Diagnostiktools zertifiziert. Am Institut für Persönlichkeit gilt ihr besonderes Augenmerk der Verbindung individueller Potenziale und Bedürfnisse mit den Herausforderungen moderner Unternehmen.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.