Online-Meetings souverän moderieren
Ich stelle Menschen gerne Fragen, weil mich ihre Arbeit, ihre Strategien, ihre Standpunkte oder ihre Thesen interessieren. In meinem Online-Magazin möchte ich die Antworten meiner Interviewpartner gerne mit Euch teilen. Heute habe ich meine FÜNF FRAGEN an Ariane Bertz gestellt.
Mario: Ariane, wir beide wissen um den Trugschluss, dass sich nicht alles aus der realen Welt eins zu eins in den virtuellen Meetingraum übertragen lässt. Die Moderation von Meetings oder Workshops ist ja schon in der realen Welt ein anspruchsvolles Unterfangen. Wie ist es Dir als Trainerin in der Pandemie ergangen? Was war so prägend, dass Du ein Buch darüber geschrieben hast?
Ariane: Vor der Pandemie war ich zu 100 Prozent in Präsenz-Moderationen und -Trainings unterwegs. Meine Dienstleistungen zu digitalisieren, stand zwar schon lange auf meiner To Do Liste, bei einem gut gefüllten Kalender blieb es aber immer nur ein To Do. Und dann kam die Pandemie. Und 100 Prozent Stornos bei meinen Moderationen und Trainings. Für mich die beste Gelegenheit, mich digital aufzustellen. Ich habe mich technisch ausgestattet, mir ein kleines Pop-up Studio eingerichtet und auch eine Zertifizierung als E-Trainerin absolviert. Da mein Trainingsschwerpunkt im Bereich der Meeting- und Workshopmoderation liegt und ich auch schon vor der Pandemie viel vor der Kamera agiert habe, war es naheliegend, das Thema Moderation für den digitalen Raum als Training aufzugreifen. Und habe damit den Nerv der Zeit getroffen. Denn die wenigsten haben es gelernt, sicher und souverän vor einer Webkamera zu moderieren. Nachdem ich nach mehreren Monaten festgestellt habe, dass hier auf der einen Seite immer noch ein großer Bedarf an diesem Thema besteht und ich auf der anderen Seite nach wie vor viele „Pleiten, Pech und Pannen“ als Teilnehmerin von Online-Meetings oder bei meinen Trainingsteilnehmenden erleben durfte, kam die Idee, all die Erfahrungen in einem praktischen Ratgeber festzuhalten. Auch vor dem Hintergrund, dass nicht jeder die gleichen Fehler wie ich selbst oder wie andere machen müssen. Ich bin nämlich ein absoluter Freund davon, voneinander zu lernen.
Mario: Du warnst in Deinem Buch eindringlich vor Perfektion. Du behauptest, dass niemand einen perfekten Menschen oder ein perfektes Meeting will, weil das unnatürlich und auf Dauer anstrengend wäre. Aber warum um alles in der Welt soll ich Fuck-ups genießen und teilen?
Ariane: Mal ehrlich, etwas in den Sand zu setzen, an etwas zu scheitern und damit einen Fuck-up zu erleben, das gehört doch einfach zu unserem Leben mit dazu. Es gehört nicht nur mit dazu, sondern ist auch unglaublich wichtig für unsere persönliche Entwicklung. Nicht umsonst gilt das Sprichwort „Aus Fehlern wird man klug“. Je mehr wir diese Haltung verinnerlichen, um so mehr Freude haben wir am Entwicklungsprozess. Und wenn wir es schaffen, auch noch über unsere Entwicklungspotenziale offen zu sprechen, nehmen wir uns und anderen auch die unberechtigte Sorge, Fuck-ups zu erleben. Deswegen spreche ich in meinen Trainings auch immer offen über meine Missgeschicke. Auch im Buch oder auch hier bei unserem Interview. Erst kürzlich ist mir beispielsweise bei einem Online-Training die komplette Internetleitung zusammengebrochen. Das erste Mal in meinem Online-Trainer-Dasein überhaupt. Und natürlich hat sich das im ersten Schritt nicht schön angefühlt, wenn man als Trainerin aus der Session purzelt. Hinterher von den Teilnehmenden aber das Feedback zu erhalten, dass es für sie ein klasse Lernwert war zu sehen, wie ein „Profi“ mit solchen Pannen umgeht – was will man mehr. Deswegen, Fuck-ups genießen und darüber sprechen!
Mario: Haben alle zu Beginn der Pandemie vor der Kamera noch Welpenschutz genossen, forderst Du von Deinen Teilnehmer/innen, dass sie online besser sein sollen als live. Wie soll das denn gehen?
Ariane: Wie Du auch zu Beginn des Interviews geschrieben hast, sind Moderationen schon in der realen Welt anspruchsvoll. Die Teilnehmenden im Blick behalten, das Ziel, die Zeit, die richtigen Methoden auswählen und dafür sorgen, dass die Gruppe zu einem guten Ergebnis gelangt. Neben dem, dass in der Online-Welt die ganzen technischen Herausforderungen für den Moderator oder die Moderatorin noch on top kommen, ist die Gefahr virtuell viel größer, dass sich Teilnehmende nicht eingebunden und beachtet fühlen. Und sich somit viel schneller zum Multitasking verleiten lassen. Was dann dazu führt, dass sie nur noch als schwarze Kachel im Meeting anwesend sind. Um diesem Effekt entgegenzuwirken und die Gruppe genauso professionell und souverän durch den digitalen Meetingraum zu begleiten, ist es also notwendig, dass wir online besser sein müssen als live.
Mario: Ich war überrascht, dass Du Online-Workshops mit dem Improvisationstheater vergleichst. Warum ist Dir dieser Aspekt so wichtig? Was kann man Deiner Ansicht nach vom Improvisationstheater lernen?
Ariane: Improtheater ist nur dann erfolgreich, wenn die Schauspielerinnen und Schauspieler zu jedem Impuls „Ja“ sagen. Auch wenn sie nicht wissen, welche Impulse auf sie zukommen. Improvisationstheater heißt, Spielen ohne Script. Nun, ohne Script und eine gute Vorbereitung sollten wir als Moderatoren die (virtuelle) Bühne nicht betreten. Und dennoch hilft uns die mentale Einstellung aus dem Improvisationstheater enorm. Denn nach wie vor, und ich denke, das wird auch immer so bleiben, sind wir vor ungeplanten Situationen in der Online-Welt nicht gefeit. Technik die streikt, eine schlechte Internetverbindung bei Teilnehmenden, überraschende Besuche von Kindern oder Haustieren im Homeoffice. Wenn wir auch in dieser Disziplin zu allem „Ja“ sagen, flexibel und mit der nötigen Portion Humor auf all die Überraschungen, die die virtuelle Welt für uns bereit hält, reagieren, machen wir uns das Leben deutlich einfacher. Improtheater ist ein hilfreicher Überlebensgrundsatz – online und auch offline.
Mario: Du hast im zweiten Teil Deines Buches die 13 größten Fails bei Online-Meetings sehr prägnant beschrieben. Welches ist Dein Lieblings-Fail? Und warum?
Ariane: Es gibt viele Lieblings-Fails, auch selbst ausprobierte, und dennoch ist mein Favorit Fail Nummer 12 – Die unangenehme Stille. Übrigens auch eine der am häufigsten gestellten Fragen in meinen Online-Trainings: Wie gehe ich mit Schweigen und inaktiven Teilnehmenden um? Und ehrlich gesagt sind Schweigen und Zurückhaltung auch kein Wunder, wenn ich mir anschaue, wie nach wie vor viele Online-Meetings durchgeführt werden. Stundenlanges betreutes PowerPoint-Vorlesen im geteilten Bildschirm-Modus, keine Pausen, endlose Meetingdauer. Diese Art der Gestaltung ist doch die Einladung zum Abschalten und zum E-Mails nebenher beantworten. Dabei ist es so einfach, diesen Fail zu vermeiden. Und Interaktion ist dabei das Zauberwort. Wie das genau funktioniert, das steht in der Auflösung zum Fail 12 im Buch. Viel Spaß beim Lesen.
Mario: Danke für das Interview.
Zur Person
Als Speakerin, Moderatorin und Impulsgeberin überzeugt Ariane Bertz Führungskräfte davon, dass eine positive Haltung bei der Führung und im Berufsalltag zum Erfolg führt. Sie spricht aus eigener Erfahrung als Führungskraft und weiß: Wer die täglichen Herausforderungen wie Digitalisierung, Innovationen, Change Management positiv anpackt, bewältigt sie nicht nur einfacher, effektiver und erfolgreicher, sondern infiziert auch seine Mitarbeiter durch eine positive Atmosphäre.
In Ihrem neuen Buch „Online-Meetings souverän moderieren“ schreibt sie über typische Hürden und wie man sie überwindet. Das Buch vermittelt auf unterhaltsame, aber dennoch fachlich fundierte Weise, was die größten Fails bei Online-Meetings sind und wie man sie vermeidet. Den Leser/innen werden konkrete Anleitungen, praktische Tipps und Checklisten an die Hand gegeben, die Moderator/innenrolle in der virtuellen Welt sicher und souverän wahrzunehmen.
Mario Neumann
Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.