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Auf die Mischung kommt es an

Von am 23.09.2024

Wir alle kennen sie, diese unterschiedlichen Typen – den Macher, das Arbeitstier, einen Daniel Düsentrieb. Wenn man mit ihnen einzeln zu tun hat, gehen sie einem manchmal ganz schön auf die Nerven. Im Projekt jedoch können sie die Leistungskraft des Teams vervielfachen – sofern sie richtig eingesetzt werden und ihre jeweilige Teamrolle einnehmen.

Projektleiter Hartmut N. versteht die Welt nicht mehr. Wenn er in die Runde blickt, sitzt dort ein vermeintliches Dream Team. Die Fachabteilungen haben ihre besten Leute ins Projekt entsandt. Kein Wunder, schließlich genießt das Projekt die volle Unterstützung aus der Geschäftsleitung. Blickt Hartmut N. allerdings auf die Arbeitsergebnisse der letzten Wochen, sind diese geradezu unterirdisch; das Projekt bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Anstatt produktiv zu arbeiten, hat sich das Projektteam aufs Debattieren verlegt. Die Experten sind unter sich und versuchen einander mit wohlfeilen Argumenten zu überzeugen. Jeder will recht behalten – nur fertig wird nichts!

Das Phänomen, mit dem Hartmut M. zu kämpfen hat, ist gar nicht so selten und als „Apollo-Syndrom“ bekannt. Der Begriff geht auf einen wissenschaftlichen Versuch zurück, bei dem die Leistungsfähigkeit unterschiedlicher Teams untersucht wurde. Eines davon, es hatte den Namen „Apollo-Team“, setzte sich aus den fachlich fähigsten Mitarbeitern zusammen. Eigentlich hatte man von diesem Team die beste Leistung erwartet. Zum Erstaunen der Beteiligten erzielte es jedoch die schlechtesten Ergebnisse.

Das Apollo-Team verdeutlicht eine oft verkannte Gefahr für den Projekterfolg: Für ein wichtiges Projekt werden die vermeintlich besten Leute verpflichtet, die sich jedoch für die Arbeit im Team als Fehlbesetzung erweisen.

Der Projekterfolg hängt entscheidend von der richtigen Zusammensetzung des Teams ab. Der Projektleiter sollte daher auf die „richtige Mischung“ achten: auf ein ausgewogenes Team, in dem sich die Fähigkeiten der Mitglieder gegenseitig ergänzen und unterstützen.

Die Suche nach dem perfekten Team

Wie sollte ein optimales Team zusammengestellt sein? Nach Fachwissen? Nach Projekterfahrung? Nach Teamfähigkeit? Bei vergleichbaren Projektaufträgen, so hat der englischen Wissenschaftler Dr. Meredith Belbin nachgewiesen, erzielt ein optimal zusammengesetztes Team die messbar besten Projektergebnisse. Belbin hatte in seinen Forschungen das menschliche Verhalten in Teams näher untersucht und danach gefragt, wie sich verschiedene Persönlichkeitstypen im Team auf die Effektivität der Teamarbeit auswirken.

Quelle: Buch "Projekt-Kompass"

Der Wissenschaftler identifizierte acht verschiedene Teamrollen, die sogenannten „Belbin Team Roles“. Sein Fazit: Ein Team ist dann ideal besetzt, wenn es aus acht Mitgliedern besteht, von denen jedes eine andere Teamrolle einnimmt. In dieser Kombination können die Teammitglieder aufgrund ihrer verschiedenen Fähigkeiten einander optimal unterstützen.

Natürlich kommt es auch auf die fachliche Kompetenz an. Belbins Modell darf nicht dazu verleiten, allein auf die Charaktere zu achten. Mangelndes Fachwissen im Team lässt sich nicht durch die richtige Zusammensetzung der Teamrollen kompensieren.

Auf die Mischung kommt es an

Belbins Untersuchungen zeigen: Ein ausgewogenes Projektteam, in dem alle acht Teamrollen besetzt sind, verspricht die besten Ergebnisse. Bereits wenn eine der acht Rollen fehlt, lässt die Leistungskraft deutlich nach. Ein Team ohne Resource-Investigator (Wegbereiter) schmort bei Problemen schnell im eigenen Saft. Wenn dann zusätzlich auch noch ein Plant (Erfinder) fehlt, lassen sich unerwartete Schwierigkeiten im Projektverlauf oft nur mühsam überwinden.

Nachteile entstehen aber auch, wenn im Team mehrere Vertreter des gleichen Typs vertreten sind. Besteht einer Gruppe zum Beispiel vorwiegend aus Erfindern, mangelt es zwar nicht an vielen guten Ideen, jedoch an der Initiative, diese Ideen aufzugreifen und umzusetzen. Ein Team, das nur aus Erfindern und Machern besteht, mag nach außen brillant wirken – die besseren Ergebnisse erzielen Gruppen, in denen auch Beobachter oder Umsetzer etwas zu sagen haben.

Wer ist mit von der Partie?

Ein Projektleiter sollte sich zu Projektbeginn die Mitarbeiter, aus denen sein Team bestehen soll, genau ansehen. Um welche Menschentypen handelt es sich? Welche fachliche Kompetenz bringen sie mit? Wo liegen ihre Stärken, wo ihre Schwächen?

Im nächsten Schritt solltest Du Dich fragen, ob die Eigenschaften und Kompetenzen der vorgesehenen Mitarbeiter mit Blick auf die Projektziele alle wichtigen Aspekte abdecken. Wenn ein Projekt beispielsweise verschiedene Unternehmensbereiche betrifft, braucht Dein Team einen guten Netzwerker (Resource-Investigator), der alle Bereiche kennt und weiß, wen er dort ansprechen kann. Betritt das Team mit dem Projekt völliges Neuland, braucht es kluge Köpfe (Plant) ebenso wie Beobachter mit einem guten Urteilsvermögen.

Nicht einfach alles hinnehmen

Bekommst Du als Projektleiter die Mitglieder Deines Teams quasi vorgesetzt, ist die Gefahr groß, dass sich daraus eine alles andere als optimale Zusammensetzung ergibt. Nimm diese Defizite nicht einfach hin! Versuche, die Besetzung des Teams nachzuverhandeln. Zeige konkret auf, welche Änderungen DU für notwendig hältst. Natürlich gibt das erst einmal Ärger. Doch lieber jetzt als später. Wenn Du im weiteren Projektverlauf ein Teammitglied dann doch austauschen musst, sind Ärger und Kosten noch viel höher.

Bleiben trotz aller Nachverhandlungen Defizite bestehen, solltest Du methodisch vorsorgen. Beispielsweise kannst Du Kreativmethoden einsetzen, wenn dem Team ein kreativer Kopf fehlt. Oder Du arbeitest mit Checklisten, wenn im Team der Perfektionist fehlt, der das Projekt sauber dokumentiert und abschließt.

Survival-Tipps

  • Wähle Deine Teammitglieder umsichtig aus. Hole die notwendigen Spezialisten an Bord, um die relevanten Aufgabenbereiche abzudecken.
  • Verschaffe Dir ein eigenes Bild von Deinen Leuten. Nur so kannst Du rechtzeitig verhindern, dass ein Kandidat nicht ins Team passt.
  • Führe mit Deinen Projektmitarbeitern ein Vorstellungsgespräch. Auf diese Weise erhältst Du von jedem Mitarbeiter einen Eindruck seines Auftretens und seiner Kompetenz.
  • Prüfe Deine Projektmitarbeiter eingehend: Nicht die Fachspezialisten sind die besten Projektmitarbeiter, sondern die Teamspezialisten.
  • Achte auf ein vollständiges und ausgewogenes Team, in dem sich die Mitglieder durch ihre verschiedenen Fähigkeiten gegenseitig unterstützen.
  • Nimm es nicht hin, wenn Dein Team Fehlbesetzungen oder Defizite aufweist. Versuche dann, die Besetzung Deines Teams nachzuverhandeln.

Download

Eine Übersicht über die acht Teamrollen findest Du [hier].

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.