Well Team Times Nr. 268

Bedürfnis oder Wunsch?

Von am 24.03.2023

Was ist ein Bedürfnis?

Ein Bedürfnis ist das Gefühl eines Mangels mit dem Bestreben, ihn zu beheben. Bedürfnisse sind unsere Antreiber. Alles, was wir tun, dient dazu, unsere Bedürfnisse zu erfüllen, körperlich und auch emotional. Unsere Gefühle sind dabei eng verknüpft mit den Bedürfnissen. Sie sind Hinweise darauf, welches Bedürfnis gerade nicht erfüllt wird. Doch, wenn wir nicht im Gleichgewicht sind, uns und unsere Bedürfnisse nicht spüren, kommt es zu Problemen. Wenn ein Bedürfnis erfüllt ist, sind wir glücklich und zufrieden. Wird aber den Bedürfnissen nicht nachgegangen, kommt es zu Unwohlsein und Mangelerscheinungen. Ähnlich ist es bei den psychischen bzw. emotionalen Grundbedürfnisse. Denn ohne Geistesnahrung, Zuwendung, Anerkennung verkümmern wir. Unsere Bedürfnisse sind in uns, aber sehr viele sind im Unterbewusstsein. Daher spüren wir sie manchmal mehr und manchmal weniger oder auch gar nicht.

Oftmals erfährt man bereits in der frühen Kindheit einen Mangel in der Erfüllung der seelischen Bedürfnisse. Es fehlen Zuwendung oder die Aufmerksamkeit, die man sich als Kind von den Eltern wünscht. Das führt zu bestimmten Verhaltensmustern oder auch Glaubenssätzen, die meist bis ins Erwachsenenalter gelebt und gedacht werden. Somit werden die eigenen Bedürfnisse nie richtig wahrgenommen. Deshalb sollten wir unsere möglichen Defizite finden und sie wieder ins Gleichgewicht bringen. Doch welches sind denn diese Grundbedürfnisse der Seele?

Beispiele für emotionale Bedürfnisse:

  • Geliebt werden und lieben
  • Sicherheit, Geborgenheit
  • Verbundenheit, Zugehörigkeit, gebraucht werden
  • Lob und Anerkennung
  • Freiheit, Selbstbestimmung, Identität und Kreativität
  • Sinn, Spiritualität, Glauben
  • Wohlbefinden – „Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper“

Wir sind über unsere Gefühle und Bedürfnisse mit anderen Menschen verbunden. Allerdings gibt es oft große Probleme, weil viele Menschen weder die eigenen Bedürfnisse richtig wahrnehmen noch die Bedürfnisse anderer. Oder manche Menschen nehmen vielleicht auch die gleichen
emotionalen Bedürfnisse bei anderen weniger wichtig als bei sich selbst. Die emotionalen Bedürfnisse anderer sind eben nicht sichtbar. Daher übergehen wir sie oder haben bestimmte Erwartungen an andere, oder wir bewerten sie oder werten sie ab. Das führt zwangsläufig zu Enttäuschungen und zu Bedürftigkeit.

Foto: Matjaz Slanic auf istockphoto

Die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen

Manchmal merken wir gar nicht mehr, was wir fühlen. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es aber wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, um versteckte Gefühle wahrzunehmen. Dann erst können wir die unbewussten Bedürfnisse entdecken und uns darum kümmern. Wenn in uns ein Gefühl auftaucht, wie ernst nehmen wir das? Wann gehen wir dem wirklich nach? Frage dich:

  • Ist diese Situation, die ich erlebe, genau die, die meine Bedürfnisse befriedigt?
  • Was sind meine inneren Wünsche?
  • Welcher Wunsch ist mein ständiger Begleiter?
  • Wo bleibe ich vielleicht auf der Strecke?
  • Welche meiner Bedürfnisse in Partnerschaft, Beziehung, Job oder Freundeskreis können im Moment nicht erfüllt werden?

Je mehr man über sich herausfindet, um so mehr findet man sich. So ist es auch beim Streben nach Zuneigung und Wertschätzung:
Das Maß dessen, was man braucht, findet man umso besser, je weniger man tut, um geliebt zu werden. Für die Wertschätzung muss man eben nichts tun. Man wird geschätzt, weil man so ist, wie man ist und das ist gut so. Je ruhiger man innerlich wird, desto empfänglicher ist man für die vielfältige Wertschätzung durch andere. Wer sich also seinen Bedürfnissen offen und ehrlich widmet, steigert sein Selbstwertgefühl. So reduziert man seine emotionale Bedürftigkeit drastisch. Die Botschaft ist:
Ich bin selbst verantwortlich für die Erfüllung meiner Bedürfnisse!

Bedürfnisse ansprechen ist mit einer Bitte verbunden

Mit der Aufrichtigkeit, sich selbst zu zeigen und anzusprechen, was man braucht, entstehen echte Verbindungen. Doch wir haben häufig nicht gelernt, offen unsere Bedürfnisse anzusprechen. Wir scheuen uns davor zuzugeben, dass uns in dieser Situation gerade etwas fehlt. Es kommt also auf Mut an, es zu sagen, und auf die richtige Formulierung. Ein „bitte“ darf darin vorkommen.
Prüfe, ob du nicht versteckte Erwartungen an andere hast:
„Schön, dass du dich auch mal wieder meldest“ – da weiß die andere Person nicht, was damit gemeint ist. Was brauchst du jetzt in diesem Moment? Die Formulierung ist nicht klar. Ein Missverständnis ist vorprogrammiert. Besser ist, „Ich habe dich vermisst, das merke ich gerade, weil du dich meldest!“ Das ist ein klares Statement. Sei mutig und formuliere, was du dir wünschst. Sage anderen, was dir fehlt:

  • Ich wünsche mir …
  • Ich möchte gern …
  • Ich brauche Unterstützung
  • Hilfst du mir bitte?

Aber Achtung! Auch wenn du dir von jemandem etwas wünschst, heißt das nicht, dass dieser Mensch auch bereit ist, den Wunsch zu erfüllen. Es ist seine Entscheidung, ob er etwas für dich tun möchte. Das hat nicht unbedingt mit der Zuneigung zu dir zu tun. Wenn jedoch deine Bedürfnisse immer auf der Strecke bleiben, hilft nur noch, diese ungesunde Beziehung loszulassen.

Prüfe lieber, wie du dir ein Bedürfnis, das gerade auftaucht, selbst erfüllen kannst. Hast du das Bedürfnis nach Zuneigung, sorge jetzt einmal für dich und widme deine ganze Aufmerksamkeit dir selbst. Nimm dir Zeit für die Selbstfürsorge.

Bedürfnisse anderer erfragen

Versteckte Bedürfnisse können das Zusammenleben mit Menschen echt schwierig machen. Manche Menschen reagieren oft mit passiv-aggressiven Floskeln anstatt offen zu sagen, was ihre Bedürfnisse sind. Hier gibt es die Chance, die Bedürfnisse zu hinterfragen, beispielsweise:

  • Was meinst du? Was soll mir das sagen?
  • Welchen Wunsch hast du ?
  • Wie wäre es dir lieber?
  • Ich spüre gerade, du bist unzufrieden. Woran liegt das?
  • Ich habe das Gefühl, dir fehlt gerade etwas. Kann ich etwas für dich tun?
  • Ich fühle gerade, dass du nicht offen aussprichst, was du eigentlich meinst.

Wünsche dir etwas!

Wünsche entspringen Bedürfnissen. Sie zeigen oft einen Mangel, ein Defizit. Wir stellen uns etwas vor, was uns derzeit fehlt. Daher sollten wir unsere Wünsche ernst nehmen, auch wenn es Fantasien sind. Denn Wunschvorstellungen geben uns Kraft und helfen, aus dem Stress innerlich auszusteigen. Wer sich ausmalt, wie es wäre , wenn der Wunsch Wahrheit wird, wird beflügelt. Diese Wünsche sollten aber einigermaßen realistisch sein. Wer ständig vom Millionen-Lottogewinn träumt, wird wohl irgendwann frustriert. Prüfe also, ob du Wünsche hast, die du Schritt für Schritt Wirklichkeit werden lässt. Wünsche sind ein Kompass, sie lenken uns in eine bestimmte Richtung. Sie sind wertvoll, um unseren Bedürfnissen nahezukommen.

Mario Neumann

Als Autor und Trainer begleite ich Dich durch die abenteuerliche Welt der Projekte. Dafür wurde ich schon mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Internationaler Deutscher Trainingspreis und dem Weiterbildungs-Innovationspreis. Alle meine Bücher, Seminare und Vorträge findest Du auf marioneumann.com.